Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02.-04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 04.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
C. Freiheit schützen – Vielfalt leben: 2. Wir gestalten Migration und Integration menschenwürdig
Text
Wir gestalten Migration und Integration
menschenwürdig
Offenheit und Vielfalt sind eine Bereicherung für unser Land. Wir BÜNDNISGRÜNE
gestalten die moderne Einwanderungsgesellschaft mit ihren Chancen und stellen
uns dabei verantwortungsbewusst den Herausforderungen. Migration ist ein
Prozess, den es immer schon gab und der uns auch in Zukunft zunehmend begleiten
wird.
Wir verteidigen das Recht auf Asyl und setzen uns für umfassende
gesellschaftliche Teilhabe und einen menschenwürdigen Umgang mit den hier
lebenden geflüchteten Menschen ein. Es ist unsere Aufgabe, Menschen, die bei uns
Schutz suchen vor Krieg und Verfolgung, vor Tod und Folter, vor Hunger und
Naturkatastrophen zu helfen. Denn jeder Mensch hat ein Recht auf ein Leben in
Würde und Freiheit.
Für uns beginnt dies mit einer modernen, gut ausgebauten und leistungsfähigen
Erstaufnahme. Hierbei setzen wir weiter auf starke und ausreichend finanzierte
Kommunen, die ihren staatlichen Aufgaben in der Unterbringung und Versorgung von
Geflüchteten dauerhaft gerecht werden können. Geflüchteten und ihren Familien
soll ein selbstbestimmtes Leben in Thüringen möglich sein. Zur gelingenden
Integration braucht es ausreichende Sprachkurse, durchgängige Beratung, faire
Verfahren und ein abgestimmtes Behördenhandeln im Sinne der hier lebenden
Menschen. Und natürlich eine Willkommenskultur, die die zu uns kommenden
Menschen annimmt und integriert.
Zusätzlich braucht Thüringen in den kommenden Jahren weitere Zuwanderungen.
Allein bis 2035 scheiden etwa 385.000 Menschen aus dem Arbeitsleben aus. Etwa
138.000 Stellen können dabei nach aktuellen Prognosen nicht nachbesetzt werden.
Dieser Arbeitskräftemangel stellt uns als Gesellschaft vor große
Herausforderungen – Thüringen muss sich deshalb aktiv auf dem internationalen
Arbeitsmarkt bemühen, um im weltweiten Wettbewerb um Arbeitskräfte standhalten
zu können.
Kernziele:
- Menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten in dezentralen Wohnungen
- Bedarfsgerechter Ausbau und Modernisierung von Kapazitäten in der
Erstaufnahme
- Zugang zu Beratung, Bildung und Teilhabe am Arbeitsmarkt von Anfang an
- Rahmenbedingungen für Integration durch Integrations- und Teilhabegesetz
verbessern
- Fachkräfteeinwanderung ermöglichen und Willkommenskultur in Behörden
(siehe Kapitel Wirtschaft)
Sicher und gut ankommen
In den letzten Jahren erleben wir steigende Zahlen von Asylsuchenden. Der
Angriffskrieg in der Ukraine hat außerdem gezeigt, wie plötzlich und dynamisch
sich Ankunftsgeschehen verändern können. Um Geflüchtete aufzunehmen, müssen in
allen Bundesländern mehr Unterbringungsplätze geschaffen werden. Auch in
Thüringen haben viele ukrainische Geflüchtete noch immer keine eigene Wohnung
gefunden, was in der Folge zu vollen Erstaufnahmeeinrichtungen und insgesamt zu
wenig Kapazitäten der Kommunen in der Anschlussunterbringung führt. Mit der
Schaffung neuer Plätze in der Erstaufnahme, einer verbesserten Kostenerstattung
an die Kommunen und einer entschiedenen Förderung der dezentralen Unterbringung
in Wohnungen wollen wir Rahmenbedingungen für ein gutes und sicheres Ankommen
der nach Thüringen geflüchteten Menschen sicherstellen. Unser Ziel für
Thüringen: ein modernes, leistungsfähiges und menschenwürdiges
Unterbringungssystem.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Modernisierung, Ausbau und Schaffung weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen
mit dem Ziel, die derzeitigen Erstaufnahmekapazitäten bedarfsgerecht zu
erhöhen
- Unterkünfte an den Ansprüchen der Menschen ausrichten, Barrierefreiheit
und Privatsphäre gewährleisten
- Im Rahmen der Aufnahme und Verteilung besondere Schutzbedarfe zu Beginn
feststellen und durchgängig berücksichtigen, Familientrennung unbedingt
vermeiden
- Aufenthalt in der Erstaufnahme so kurz wie möglich gestalten, Aufhebung
der Wohnverpflichtung in der Erstaufnahmeeinrichtung
- Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, finanzielle Förderung zur
Wohnraumbereitstellung ausweiten (siehe Kapitel Wohnen)
- Geflüchteten private Wohnsitznahme während der Anschlussunterbringung
ermöglichen
- Finanzierung und dadurch die Verfügbarkeit der Sozialbetreuung von
Asylsuchenden in den Kommunen verbessern
- Regelmäßige Überprüfung der Unterbringungsstandards und Sicherstellung von
Lernorten für geflüchtete Schüler*innen und Auszubildende
- Stärkung der behördenunabhängigen Asylverfahrens- und Migrationsberatung,
Fortführung und weiterer Ausbau des Landesprogramms Dolmetschen
- Für besonders schutzbedürftige Geflüchtete (Opfer von Menschenhandel,
Queere, Traumatisierte, Behinderte, allein reisende Frauen, unbegleitete
minderjährige Geflüchtete etc.) spezialisierte Beratungs- und
Unterstützungsangebote etablieren
- Förderung unabhängiger und ehrenamtlicher Unterstützungsnetzwerke
Mit Integration, modernen Verwaltungsstrukturen und
positiver Willkommenskultur Thüringens Vielfalt gestalten
Migration gehört zu unserem Alltag und prägt unser Zusammenleben. Unsere
Gesellschaft ist eine Einwanderungsgesellschaft und auch Thüringen wird
zunehmend vielfältiger. Für uns kommt es daher darauf an, dass wir diese
Vielfalt positiv gestalten. Dies setzt die gleichberechtigte politische, soziale
und kulturelle Teilhabe von Migrant*innen voraus, damit die Menschen, die hier
leben, sich bei uns einbringen, hier arbeiten und sich ein sicheres und
selbstbestimmtes Leben aufbauen können.
Dafür möchten wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und in gegenseitiger
Anerkennung und Respekt die Integration für alle hier lebenden Menschen möglich
machen. Dies zu erfüllen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller. Vor
allem braucht es eine positive Willkommenskultur, ausreichend Kitaplätze, eine
unbürokratische digitale Verwaltung und ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht
auf Bundesebene. Der entschlossene Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus ist
elementar für eine echte Willkommenskultur. Der entschlossene Kampf gegen
Diskriminierung und Rassismus ist für uns elementar für eine echte
Willkommenskultur.
Die zunehmend wachsende Zahl von Migrant*innenorganisationen unterstützen und
fördern wir. Ehrenamtliche Strukturen, die in den letzten Jahren im Bereich
Willkommenskultur und Integrationsarbeit viel geleistet haben, möchten wir durch
Stärkung staatlicher Strukturen unterstützen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Gewährleistung von Sprachkursen für alle Geflüchteten, die keinen Zugang
zum Integrationskurs haben, unabhängig von der Bleibeperspektive
- Verstetigung und Ausweitung der Landesprogramme Start Deutsch, Start
Bildung und Förderung der Herkunftssprache
- Verankerung eines bedingungslosen Rechts auf Bildung zum Nachholen von
Schulabschlüssen und Stärkung der Bildungsberatung für Geflüchtete
- Entlastung für die Kommunen und schnellere Verfahren zur
Fachkräftezuwanderung und zur Anerkennung von Bildungs- und
Berufsabschlüssen in einem Amt für Migration
- Einführung eines stichtagsunabhängigen Spurwechsels und Ausweitung des
Chancenaufenthaltsrechts
- Absicherung sämtlicher Integrationsmaßnahmen des Landes durch ein
Integrationsfördergesetz
- Stärkung von Migrant*innenselbstorganisation und niedrigschwelliger Zugang
zu Fördermöglichkeiten im Bereich Migration und Integration
- Interkulturelle und digitale Kompetenzen sowie Mehrsprachigkeit in den
Kommunen und Ausländerbehörden fördern
Humanitäre Verantwortung übernehmen - Asylrecht verteidigen!
Wir stehen für eine Flüchtlingspolitik, bei der jeder einzelne Mensch zählt.
Deshalb verteidigen wir das Grundrecht auf Asyl. Es ist Teil unserer Verfassung
und eine Lehre aus der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des
Nationalsozialismus. So setzen wir uns auf Landes-, Bundes- und europäischer
Ebene dafür ein, dass dieses Grundrecht nicht weiter geschliffen und missachtet
wird. Das Sterben an den europäischen Außengrenzen muss enden. Die faire und
rechtsstaatliche Prüfung des Anspruchs auf Schutz und Asyl ist elementar.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Abschaffung des Konstrukts sicherer Herkunftsstaaten, denn das Konzept der
sicheren Herkunftsstaaten zielt darauf, Schutzsuchende aus diesen Ländern
schnell abzuschieben, indem nicht menschenrechtliche Tatsachen, sondern
die pauschale Unterstellung fehlender Schutzgründe erfolgt
- Keine Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete und Regionen, in denen es
zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommt oder in denen religiöse
Minderheiten diskriminiert werden (bspw. Jesid*innen im Irak)
- Winterabschiebestopp für alle Länder, in denen die Betroffenen nach einer
Abschiebung existenziell bedroht sind
- Fortführung von Landesaufnahmeprogrammen, die besonders schutzbedürftige
Geflüchtete aus den katastrophalen Bedingungen an der europäischen
Außengrenze oder anderen Drittstaaten herausholen