Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02. - 04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 04.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
B. Gerechtigkeit schaffen - Chancen stärken: 5. Wir stärken Hochschulen und Wissenschaft in Innovation und Vielfalt
Text
Wir stärken Hochschulen und Wissenschaft in
Innovation und Vielfalt
Thüringen verfügt über eine innovative und vielfältige Wissenschafts- und
Hochschullandschaft. Sie spielt nicht nur durch die Qualifizierung junger
Menschen, sondern auch durch die Entwicklung von Forschung und Transfer sowie
die Gründung neuer Unternehmen und nicht zuletzt als Arbeitgeber eine gewichtige
Rolle für den Freistaat. Und dort setzen wir an: Wir wollen Thüringens
Attraktivität für Studierende und gute Arbeitsbedingungen für die in der
Wissenschaft Beschäftigten sowie das Innovationspotenzial der Hochschulen auch
in Zukunft weiter ausbauen. Dafür braucht es eine ausreichende Grundfinanzierung
der Hochschulen, sichere sowie faire Arbeitsbedingungen, qualitativ hochwertige
Studienbedingungen und eine Kultur der Offenheit und Demokratie in allen
Institutionen der Forschung und Lehre in Thüringen. Dies sind für uns die
Grundlagen einer inspirierenden und zukunftsfähigen Lehr- und Lernumgebung. Sie
sorgen auch dafür, dass engagierte Wissenschaftler*innen nach Thüringen kommen,
hierbleiben und damit Qualität und Innovationspotenzial von Forschung und Lehre
an Thüringens Hochschulen dauerhaft sichern.
Unter unserer Regierungsbeteiligung wurde die Erhöhung der jährlichen
Mittelsteigerungen von einem auf vier Prozent erreicht. Dies war ein erster
wichtiger Schritt, um die Möglichkeiten für Forschende und Studierende durch
eine stabile Grundfinanzierung zu erweitern. Eine auskömmliche Finanzierung der
Hochschulen muss jedoch in Anbetracht der sprunghaft gestiegenen Inflation sowie
hohen Energie- und Baukosten weiterhin sichergestellt werden. Auch stärkt das
unter Rot-Rot-Grün auf den Weg gebrachte Hochschulgesetz die demokratischen
Strukturen, die Mitbestimmungsmöglichkeiten und die Autonomie der Hochschulen.
Diese Hochschulautonomie auch zukünftig zu sichern und zu stärken ist für uns
besonders wichtig.
Das Studierendenwerk kann dank besserer finanzieller Ausstattung seine Aufgaben
von Wohnheimen über Mensen bis zu Beratungsangeboten besser erfüllen. Auch hier
gilt es genauso, die Finanzierung nachhaltig der veränderten Situation
anzupassen, damit gestiegene Kosten nicht den Studierenden aufgebürdet werden
müssen.
Um Thüringen als Wissenschaftsstandort weiter zukunftsfest zu machen, bleibt
noch viel zu tun. Hierzu wollen wir unter anderem zeitnah eine Evaluierung des
Thüringer Hochschulgesetzes auf den Weg bringen und es im Sinne der
nachfolgenden Zielrichtungen weiterentwickeln.
Kernziele:
- Hochschulen sozial gerechter gestalten
- Umsetzung der Strukturentwicklung 2030+ voranbringen und verlässliche
Finanzierung sichern
- Vielfalt, demokratische Beteiligung und Antidiskriminierung an Hochschulen
stärken
- Arbeitsbedingungen für Mittelbau, studentische Beschäftigte und
Verwaltungsmitarbeiter*innen deutlich verbessern, unter anderem durch
Tarifverträge
Hürden abbauen und Bildungsgerechtigkeit schaffen
Immer mehr Menschen entscheiden sich in den unterschiedlichsten
Lebenssituationen für ein Studium. Doch der Zugang zu einer Hochschule ist auch
heutzutage noch immer von strukturellen sozialen Faktoren abhängig. Es sind
besonders die Menschen benachteiligt, die ihren Abschluss über den zweiten
Bildungsweg gemacht haben, deren Eltern nicht studiert haben oder die einen
migrantischen Hintergrund haben. Zu häufig ist die Möglichkeit, ein Studium
aufnehmen zu können, noch an den Geldbeutel der Eltern gekoppelt. Das wollen wir
ändern. Denn wir finden: Es kommt auf das Potenzial der Menschen an, nicht auf
ihre Herkunft.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Durchlässigkeit des Bildungssystems weiter erhöhen, unter anderem durch
Abbau von Hürden und formeller Anforderungen im Zugang zum Studium für
beruflich Qualifizierte ohne Abitur
- Belegung von universitären Studiengängen mit Fachhochschulreife
ermöglichen, Ausbau der beratenden und begleitenden Angebote wie
Orientierungsstudiengänge und Einführungskurse
- Betreuung von Studierenden und Promovierenden weiter verbessern durch
Weiterentwicklung der Strukturentwicklungspläne
- Eigenständiges Promotionsrecht für Fachhochschulen einführen, dafür
Fachhochschulen besser finanziell ausstatten
- Weitere Stärkung der Eignung als Zulassungskriterium
- Ausbau der Kapazitäten der Dualen Hochschule Gera-Eisenach
- Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung während des dualen Studiums
- Bessere Förderung von Teilzeitstudien und berufsbegleitenden Studiengängen
- Keine Ausnahmen bei der Studiengebührenfreiheit, Langzeitstudiengebühren
abschaffen
- Einrichtung eines Fonds beim Studierendenwerk Thüringen zur Bezuschussung
von studienbezogenen Auslandsaufenhalten außerhalb von Erasmus+
- Bessere Unterstützung von Studierenden, deren Eltern selbst nicht studiert
haben, um die Zahl der Studienabbrecher*innen zu reduzieren
- Weiterhin angemessene finanzielle Ausstattung des Studierendenwerkes und
Ausbau von sozialen Angeboten wie Kinderbetreuung und psychosoziale
Beratung, aber auch „Wohnen für Hilfe“
- Günstigen Wohnraum insbesondere für Studierende schaffen, Vorbildfunktion
des Studierendenwerks beim ökologischen Bauen stärken
- Erweiterung des Anteils der Studierenden im Verwaltungsrat des
Studierendenwerks
- Unterstützung der regionalen, fairen und Bio-Essensversorgung in den
Mensen und Erhöhung des veganen Angebots bei weiterhin fairen Preisen
Verlässliche Finanzierung der Hochschulen
Unsere Hochschulen und dualen Ausbildungsstätten brauchen eine verlässliche
Finanzierung. Einen ersten Schritt sind wir hier bereits gegangen – mit der
Verbesserung der Grundfinanzierung. Die Verstetigung des Hochschulpakts im
Zukunftsvertrag Studium und Lehre muss nun im nächsten Schritt zu einer
nachhaltigen Steigerung der Qualität des Studiums führen. Um die Thüringer
Hochschullandschaft zukunftsfest aufzustellen, müssen auf der Grundlage der
Empfehlungen der AG 2030+ Strategien und Konzepte erarbeitet werden, wie
beispielsweise Kooperationen gestärkt und Synergieeffekte genutzt werden können.
Eine breit aufgestellte Wissenschaft ist uns wichtig. Eine Fokussierung in der
Hochschulfinanzierung auf Elite-Forschung lehnen wir daher ab. Wir wollen
Spitzenforschung ermöglichen, ohne die Hochschulen gegeneinander auszuspielen.
Die Grundfinanzierung wollen wir weiter ausbauen und die Autonomie der
Hochschulen stärken. Drittmittel ersetzen nicht die Verantwortung des Landes,
die Hochschulen auskömmlich zu finanzieren. Stattdessen wollen wir einer
Ökonomisierung der Hochschulen entgegenwirken.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Weitere Verbesserung der Grundfinanzierung der Hochschulen, um
Ökonomisierung entgegenzuwirken und Drittmittelabhängigkeit zu reduzieren
- Strategien zur Strukturentwicklung der Thüringer Hochschullandschaft
erarbeiten
- Investitionen in Infrastruktur, Instandhaltung und Renovierung zur CO2-
Reduzierung stärker unterstützen
- Transparenz bei Drittmitteln erhöhen, unter anderem durch Veröffentlichung
von Förderzweck, sowie Stärkung der sozial-ökologischen Kriterien in der
entsprechenden Drittmittel-Richtlinie
- Unterstützung der Hochschulen bei der Erstellung von Kontrollmechanismen
bei Drittmittelförderung und Stiftungsprofessuren
- Stärkung von Aspekten wie faire Arbeitsbedingungen, Gleichstellung und
soziale wie ökologische Nachhaltigkeit in Zielvereinbarungen statt
Regelstudienzeit und Erstsemesterzahlen
Demokratische Hochschulstrukturen und Diversität
Wissenschaft und Forschung brauchen Freiheit, um Forschungsideen zu erproben
oder Grenzen der Disziplinen auszuloten. Garanten dieser Freiheit sind
Autonomie, Selbstverwaltung sowie eine demokratische Verfasstheit der
Hochschulen. Sie erlauben die demokratische Mitgestaltung durch alle
Hochschulangehörigen und schützen die Wissenschaft vor unzulässiger Einmischung
von außen. Sie gewährleisten aber auch eine demokratische Hochschule, an der
sich alle wohl- und ernst genommen fühlen. Schon längst ist es nicht mehr
zeitgemäß, einzelnen Statusgruppen deutlich mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten
zuzugestehen als anderen. Stattdessen setzen wir auf eine Hochschulstruktur, die
vielfältig, kooperativ und hierarchiearm auch Studierende stärker in
Entscheidungen einbezieht.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Herstellung der paritätischen Mitbestimmung aller anerkannter
Statusgruppen
- Hochschulräte abschaffen und paritätisch besetzte Studienkommissionen
einführen
- Möglichkeit studentischer Vizepräsidentschaften an Hochschulen ausbauen
- Allgemeinpolitisches statt ausschließlich hochschulpolitisches Mandat für
die verfassten Studierendenschaften ermöglichen
- Vertretungsmöglichkeiten und Selbstverwaltungsstrukturen für Promovierende
und Post-Docs stärken
- Zulassung von politischen Hochschulgruppen an allen Thüringer Hochschulen
- Ausbau von Antidiskriminierungsstrategien an den Hochschulen und
Forschungseinrichtungen, strukturelle Unabhängigkeit der AGG-
Beschwerdestellen und Erweiterung im Sinne wissenschaftlicher
Accountability, Gewährleistung von Barrierefreiheit, Einrichtung von
Mentoring-Programmen
- Steigerung des Anteils von Frauen, intergeschlechtlichen, nicht-binären,
trans und agender Personen in Statusgruppenvertretungen und bei der
Neubesetzung von Stellen für Professor*innen, insbesondere in MINT-Fächern
- Stärkung des Netzwerkes Diversität der Thüringer Hochschulen, Evaluierung
der Diversitätsbeauftragen- und räte sowie rechtliche und strukturelle
Stärkung der Beauftragten und Diversitätsarbeit
- Stärkung der Fachhochschule der Polizei in Meiningen durch eigenständige
Rechtsfähigkeit und Angliederung an Wissenschaftsministerium
Arbeitsbedingungen an Hochschulen dauerhaft verbessern
Herausragende Forschung basiert auf sicheren, fairen und attraktiven
Arbeitsbedingungen. Unseren Hochschulen fehlt es jedoch deutlich an
Perspektiven für den akademischen Nachwuchs. Ursache dafür sind unattraktive
Arbeitsbedingungen mit steilen Machtgefällen und hoher Arbeitsbelastung sowie
der Mangel an Zukunftssicherheit und Planbarkeit. Befristungen, Kurzzeitverträge
mit unsicheren Anschlussfinanzierungen, halbe und Viertelstellen mit voller
Arbeitsbelastung und geringer Bezahlung müssen der Vergangenheit angehören,
damit sich mehr Menschen für eine Beschäftigung an der Hochschule statt in der
Wirtschaft entscheiden.
Unser Ziel: Wir sehen die Lösung in einer besseren Finanzierung, aber auch bei
einer besseren Organisation wissenschaftlicher Arbeit.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Unterstützung der Einführung kollegialer Departmentstrukturen mit flachen
Hierarchien
- Verankerung einer Befristungshöchstqoute mit individuellen
Steigerungszielen für die jeweiligen Hochschulen
- Mehr Dauerstellen unterhalb der Professur und längere Laufzeit von
Qualifikationsstellen
- Unterschiedliche Karrierepfade in die Wissenschaft schaffen, Habilitation
unter anderem hin zu einheitlichen Qualitätsstandards und klaren Kriterien
reformieren und Juniorprofessuren mit Tenure-Track vermehrt anbieten
- Umstellung der Landesgraduiertenförderung auf Promotionsstellen mit einem
Umfang von mindestens 65 Prozent einer Vollzeitstelle
- Personal-Kategorien ins Hochschulgesetz einführen mit dem Ziel, neue
Tenure-Dauerstellen neben der Professur zu schaffen (beispielsweise
Lecturer, Researcher, Manager)
- Anpassung der Gehaltsstufen von Professuren an Thüringer Hochschulen an
das bundesweite Gehaltsniveau
- Bezahlung von Lehrbeauftragten und Assistenzen entsprechend ihren
tatsächlichen Leistungen
- Tarifliche Absicherung von studentischen und wissenschaftlichen sowie
künstlerischen Assistenzen (TV Stud) inklusive höherer Löhne mit Anbindung
an Lohnsteigerung des Tarifvertrags, Mindestvertragslaufzeiten und
Lohnfortzahlung bei Krankheit
- Unsichtbare Arbeit wie das nicht finanzierte Schreiben von Anträgen
verhindern
- Hochschulen bei Kodizes für faire Arbeitsbedingen – angelehnt an den
Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ – unterstützen
Vielfalt und Verantwortung in Forschung und Digitalisierung
Moderne Forschung ist nicht nur breit aufgestellt. Sie zeichnet sich auch aus
durch ein hohes Maß an ethischem Bewusstsein, einen Fokus auf Zukunftsfragen und
die Durchlässigkeit in die Gesellschaft. Daher wollen wir nicht nur Tierversuche
reduzieren und Zusammenarbeit mit dem Militär ausschließen, sondern die
öffentliche Zugänglichkeit von Forschungsergebnissen sicherstellen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Eine Stärkung der Vielfalt der Forschung sowie eine Sicherung der
sogenannten Kleinen Fächer
- Etablierung einer feministischen Wissenschaftspolitik mit dem Ziel, den
hochschulinternen Mitteleinsatz neu auszurichten und mehr Diversität
sowohl in den Forschungsteams als auch in den -inhalten zu erreichen
- Mehr ergebnisoffene Forschungsvorhaben
- Besondere Förderung der Erforschung zentraler Zukunftsfragen der
Menschheit, zum Beispiel Klimaschutz, Biodiversität oder
Postwachstumsgesellschaft
- Reduktion, Ersatz und langfristig Abschaffung von Tierversuchen nach dem
3R-Prinzip (Replace = Ersetzen, Reduce = Verringern, Refine = Verbessern)
- Förderung von Tierversuchsalternativen und Bereitstellung eines
Innovationsbudgets
- Ermöglichung des Studiums ohne Tierversuche
- Genehmigung von Tierversuchen an strengere Kriterien, Kontrollen und die
Forschung zu Alternativen knüpfen sowie Offenlegung aller Ergebnisse
- Verankerung einer Zivilklausel in der Landesverfassung, um Zusammenarbeit
von Hochschulen und Rüstungsproduzenten und mit dem militärischen Komplex
auszuschließen
- Freien Zugang zu Forschungsergebnissen garantieren u. a. durch Open-
Access-Publikationen und ein bildungs- und forschungsfreundliches
Urheberrecht
- Investitionen in digitale Infrastruktur für beispielsweise
Drahtlosnetzwerke, Cloud-Speicher oder Hochleistungsrechner absichern und
ermöglichen
- Studierende und wissenschaftliches Personal im Umgang mit Künstlicher
Intelligenz schulen, Digitalkompetenzen stärken und hochschulspezifische
ethische Leitlinien zum Umgang mit KI entwickeln
Hochschulen als Teil von lebenswerten Kommunen
Hochschulen haben eine hohe Bedeutung für die Stadt, in der sie angesiedelt
sind. Sie sind ein Magnet für Studierende und Forschende, für Innovation und
gesellschaftliche Vielfalt. Sie sind ein Türöffner für Zuzug, Zuwanderung sowie
Innovation. Besonders gut gelingen die Vernetzung und die Nutzung dieser
Potentiale, wenn Kommunen bewusst gute Rahmenbedingungen schaffen – damit
Studierende und Forschende gern dort leben und bleiben.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Unterstützung der Kommunen bei der Investitionen in Internationalisierung
und Digitalisierung, um als Standort für Absolvent*innen und Ausgründungen
attraktiv zu sein
- Kommunale Standortentwicklungsstrategien evaluieren und als
Hochschulstandortentwicklungsprogramm festschreiben
- Gemeinsam mit den Kommunen Entwicklung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen
zur Verbesserung der Standortfaktoren gemäß der
Strukturentwicklungsplanung der Hochschulen