Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02. - 04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 04.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
B. Gerechtigkeit schaffen - Chancen stärken: 6. Wir sorgen für gut bezahlte und inklusive Arbeit
Text
Wir sorgen für gut bezahlte und inklusive Arbeit
Arbeit ist mehr als nur Mittel zum Zweck, um den eigenen Lebensunterhalt zu
sichern. Sie schafft Mehrwerte und sichert unsere gesellschaftliche Existenz,
Arbeit schafft Integration, Sinnstiftung und bestenfalls auch persönliche
Mehrwerte. Doch dafür braucht es gute Jobs mit attraktiven Bedingungen und
fairen Löhnen.
Eine moderne Arbeitswelt zeichnet sich unter anderem aus durch sichere und
zukunftsfähige Arbeitsplätze, Vereinbarkeit mit dem Familienleben und faire
Vergütung, am besten tarifgebunden. Weiterbildung, Nachhaltigkeit und
Gesundheitsförderung müssen selbstverständlich dazugehören. Diese erreichen wir
nur, wenn Unternehmen zukunftsfähige Geschäftsmodelle haben, gut organisiert und
solide aufgestellt sind. Wir setzen auf Weitsicht und ein verantwortungsvolles
Miteinander von Unternehmer*innen und Belegschaften. Lebendige Betriebsräte und
starke Gewerkschaften garantieren die betriebliche Mitbestimmung, wahren die
Interessen der Arbeitnehmer*innen und sind zudem wertvolle Partner*innen für
Arbeitgeber*innen. Tarifbindung ist kein Ballast, sondern eine große Chance und
trägt zur Fachkräftesicherung bei – denn tarifgebundene Arbeitgeber*innen sind
immer auch attraktive Arbeitgeber*innen. Daher ist auch das Land in der Pflicht,
weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Tarifbindung umzusetzen, wie beispielsweise
darauf hinzuwirken, dass Landeszuschüsse wo sinnvoll sukzessive an die Anwendung
von Tarifverträgen gekoppelt werden.
Doch es geht um mehr als Geld. Auch der Arbeitswelt steht ein Wandel bevor, der
durch Digitalisierung und ökologische Transformation, aber auch den
demografischen Umbruch geprägt ist. Nur gemeinsam können Arbeitgeber*innen und
Beschäftigte diesen Wandel produktiv und gewinnbringend für alle gestalten.
Der Anteil der Geringverdiener*innen ist in Thüringen überdurchschnittlich hoch.
Durch den höheren Mindestlohn hat sich das Lohnniveau zwar schon deutlich
verbessert. Klar ist aber auch, dass wir in Thüringen vor allem zukunftsfeste
Branchen mit einem höheren Lohnniveau brauchen, um die Abkehr vom Billiglohnland
zu einem innovativen Wirtschaftsstandort zu schaffen.
Die Zukunft ist sozial und ökologisch. Vor unserer Gesellschaft liegt ein
zwingend notwendiger Strukturwandel, der auch die Arbeitswelt umfasst. Es ist
unser Anspruch, diesen Wandel in Zusammenarbeit zu gestalten - Politik,
Wirtschaft und Handwerk, Beschäftigte, Sozialverbände und Gewerkschaften,
Arbeitsagenturen und Kammern.
Kernziele:
- Thüringen zu einem innovativen Wirtschaftsstandort mit attraktiven
Arbeitsbedingungen entwickeln
- Unterstützung der Sozialpartner*innen bei der Verbesserung der
Arbeitsbedingungen und Erhöhung der Tarifbindung
- Unterstützung der betrieblichen Weiterbildung und des Gesundheitsschutzes
Gezielte Unterstützung für am Arbeitsmarkt diskriminierte Gruppen
Umsetzung des Rechts auf Arbeit für Menschen mit Behinderung
Zukunftsfeste Jobs für attraktive Arbeitsbedingungen
Unsere Arbeitswelt ist durch eine zunehmende Verdichtung von Arbeit,
Digitalisierung und Automation bei gleichzeitigem Fachkräftemangel geprägt. Wir
sehen, dass die damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmen, aber auch
Arbeitnehmer*innen groß sind, und wollen sie aktiv bei der Lösung unterstützen.
Dazu gehört für uns auch einen Strukturwandel hin zu einem innovativen und
zukunftsfesten Wirtschaftsstandort Thüringen, der durch hochwertige Jobs, gute
Arbeitsbedingungen und faire Löhne garantiert.
Bis zum Jahr 2040 gehen uns mehr als 100.000 Arbeitnehmer*innen durch den
Renteneintritt verloren. Zuwanderung ist deshalb ein Ansatz, kann diesen Verlust
aber nicht ausgleichen. Daher müssen Arbeitgeber*innen gemeinsam mit den
Beschäftigten kluge Lösungen für die Zukunft erarbeiten – um auch mit weniger
Arbeitskräften auskommen zu können. Digitalisierung, Automatisierung und
besserer Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen spielen dabei eine große
Rolle.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Förderung einer modernen Arbeitswelt mit sicheren und zukunftsfähigen
Arbeitsplätzen durch die Ansiedlung und Unterstützung zukunftsfähiger
Branchen
- Maßnahmen zur Erhöhung der Tarifbindung und zum Anstieg des Lohnniveaus
unterstützen
- Ausweitung des Landesvergabegesetzes auf die kommunale Ebene und Erhöhung
des vergabespezifischen Mindestlohns
- Unterstützung bei der Entwicklung moderner, familienfreundlicher
Arbeitsansätze
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken durch Unterstützung von
flexibleren Arbeitszeiten, Anpassung der Wochenarbeitszeiten, Recht auf
mobiles Arbeiten und Maßnahmen zur Senkung der Arbeitsbelastung (siehe
Kapitel Familie)
- Kopplung von jeglichen Zuschüssen und Fördergeldern des Landes an
Tarifbindung des Empfängers
- Förderung der kollegialen Zusammenarbeit von Arbeitnehmer*innenvertretung
und Arbeitgeber*innen auf Augenhöhe und Stärkung der Sozialpartnerschaft
- Schaffung einer landesweiten Arbeitskammer zur besseren Vertretung von
Interessen der Arbeitnehmer*innen
- Recht auf Weiterbildung stärken, u.a. mit einer Werbekampagne für das
Bildungsfreistellungsgesetz
- Unterstützung und Weiterentwicklung der Thüringer Allianz für
Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung
- Einführung einer verpflichtenden beruflichen Orientierung in
Zusammenarbeit mit Praxispartner*innen (siehe Kapitel Schule)
- Attraktivität des dualen Ausbildungssystems steigern, beispielsweise durch
gerechte Entlohnung während der Ausbildung, Mietzuschüsse und die
Möglichkeit zur kostenfreien Meisterausbildung (siehe Kapitel Ausbildung)
- Zugewanderten einfacher und schneller Ausbildung und Arbeit ermöglichen
und Hürden für die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen
absenken (siehe Kapitel Wirtschaft)
Teilhabe am Arbeitsmarkt und betrieblicher Gesundheitsschutz
Zu viele Menschen sind in ihrem Zugang zum Arbeitsmarkt immer noch
beeinträchtigt. Das wollen wir ändern. Durch gezielte Unterstützung und den
Abbau von Hürden möchten wir allen Menschen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt
ermöglichen. Dafür muss unsere Arbeitswelt diskriminierungsfrei werden, sodass
niemand beispielsweise aufgrund rassistischer Zuschreibungen, des Geschlechts,
der Religion, einer Behinderung, des Lebensalters oder der sexuellen Ausrichtung
benachteiligt wird. Gerade Frauen sind in der Arbeitswelt noch immer
diskriminiert. Nicht nur durch sexuelle Belästigung und Sexismus am
Arbeitsplatz, sondern auch durch größere Verpflichtungen bei der Fürsorge-Arbeit
wie die Betreuung von Kindern oder von pflegebedürftigen Angehörigen.
Intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen erleben ebenfalls
Vorurteile und Diskriminierung. Dem treten wir entschlossen entgegen.
Arbeit darf nicht krank machen. Die Arbeitskraft der Menschen lange zu erhalten,
ist nicht nur für die Arbeitnehmer*innen wichtig, sondern liegt auch im
Interesse der Arbeitgeber*innen. Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsschutz,
zur Gesundheitsförderung und zur Prävention unterstützen wir daher auch in
Zukunft gezielt.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Förderung einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt, unter anderem durch
ein Landesantidiskriminierungsgesetz (siehe Kapitel Antidiskriminierung)
- Einrichtung einer unabhängigen Stelle zur Vermeidung sexueller Belästigung
am Arbeitsplatz bei der Gleichstellungsbeauftragten des Landes
- Entwicklung angepasster Arbeitsmarktprogramme für Menschen mit
Vermittlungshemmnissen
- Unterstützung bei schnellem (Wieder-)Einstig in den Beruf zum Beispiel für
Frauen, ältere Menschen, Eltern nach der Elternzeit
- Förderung von bedarfsgerechten Umschulungsmaßnahmen je nach aktueller
Entwicklung des Arbeitsmarktes, besonders für Arbeitnehmer*innen, die in
Branchen arbeiten, die besonders von Transformation betroffen sind
- Ausbau der Landesprogramme „Arbeit für Thüringen“ (LAT) und „Öffentlich
geförderte Beschäftigung und gemeinwohlorientierte Arbeit“ (ÖGB)
- Vorbildfunktion des Landes als Arbeitgeber ernst nehmen und Frauen,
intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen als
Angestellte gezielt stärken, unter anderem durch geschlechtersensible
Ausschreibungen, gezielte Erhöhung des Anteils dieser Personen in
Führungsebenen und Verbesserung der Vereinbarkeit
- Paritätische Besetzung in Aufsichtsräten, Vorständen und Unternehmen mit
Landesbeteiligungen erreichen
- Neuauflage des Lohnatlas, um Lohnungleichheiten aufzudecken
- Entgeltgleichheit als Vergabekriterium im Thüringer Vergabegesetz
- Amt für Arbeitsschutz zu einer Behörde mit umfassender Beratungskompetenz
in betrieblichen Gesundheitsfragen weiterentwickeln
- Förderung des betrieblichen Gesundheitsschutzes, der Gesundheitsförderung
und des Schutzes vor psychischen und physischen Erkrankungen, insbesondere
für ältere und vulnerable Arbeitnehmer*innen
Teilhabe am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung
Menschen mit Behinderung haben ein verbrieftes Recht auf Arbeit. Und zwar auf
eine Arbeit, die sie frei wählen können und die ihren Fähigkeiten gerecht wird.
Menschen mit Behinderung allein in Werkstätten zu verbannen, ist für uns nicht
mehr zeitgemäß. Jeder Mensch, ob mit oder ohne Behinderung, verdient eine Chance
auf dem Arbeitsmarkt und die Förderung, die er oder sie dafür braucht. Daher
richten wir den Fokus auf die Herstellung der nötigen Bedingungen, um das
Bundesteilhabegesetz und die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention in
Thüringen konsequent umzusetzen.
Davon profitieren alle: Denn über Arbeit kann nicht nur Inklusion gelingen. So
können auch Potenziale für Arbeitskräfte gehoben werden.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Effektive Anreiz- und Unterstützungssysteme für Unternehmen inklusive
Arbeits- oder Ausbildungsplätze zu schaffen und Barrieren abzubauen
- Stärkung von Programmen wie das „Budget für Arbeit“ zur Unterstützung bei
der Integration in den ersten Arbeitsmarkt
- Stärkung der unabhängigen Beratung von Menschen mit Behinderung zum Recht
auf Arbeit und Möglichkeit, im ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten
- Ausbildungsmessen und Ausbildungsevents an Schulen bewusst an Inklusion
ausrichten
- Gezielte Informationsveranstaltungen und Beratung für Unternehmen zu
Inklusion am Arbeitsplatz und zum Bundesteilhabegesetz
- Förderung der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung
- Gezielte Programme für ältere Menschen mit Behinderung sowie Ausbau von
Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Eltern von Kindern mit
Behinderung
- Weiterentwicklung der Werkstätten zu Inklusionsunternehmen
- Deutlich höhere Löhne für Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten
arbeiten