Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02. - 04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 04.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
C. Freiheit schützen – Vielfalt leben: 5. Wir stärken Demokratie und Beteiligung auf allen Ebenen
Text
Wir stärken Demokratie und Beteiligung auf allen
Ebenen
Die Demokratie ist einer unserer wichtigsten, aber auch vulnerabelsten
Grundwerte. Vor mehr als 35 Jahren haben sich die Menschen im heutigen Thüringen
ihre Freiheit und die Demokratie hart erkämpft. Heute wiederum müssen wir sie so
leidenschaftlich und vehement verteidigen wie nie.
Ob unsere Demokratie stark ist, entscheidet sich aber nicht nur im Parlament.
Entscheidend ist auch, ob es eine starke Zivilgesellschaft gibt, die sich
einbringt und für ihre Werte streitet. Es entscheidet sich im Sportverein, in
der Schulklasse oder am Abendbrottisch. Und es kommt darauf an, ob sich in
unserer Gesellschaft alle Menschen sicher und verstanden fühlen, ob sie
teilhaben können und akzeptiert werden. Wir wollen eine starke und lebendige
Demokratie, die nicht mit dem Gang zur Wahlurne endet. Wir möchten Bürger*innen
ermutigen und befähigen, sich einzubringen und für ihre Ideen zu kämpfen. Wir
wollen Bürger*innenbeteiligung einfach und unkompliziert machen. Und wir möchten
eine wehrhafte Demokratie durch eine selbstbewusste Zivilgesellschaft schaffen.
Dabei setzen wir auf eine bessere Absicherung zivilgesellschaftlicher
Demokratieprojekte und einen starken Fokus auf politische Bildung in Schule und
Erwachsenenbildung.
Kernziele:
- Direkte Demokratie und Bürger*innenbeteiligung weiter ausbauen,
Bürger*innenräte einsetzen
- Versammlungsrecht bürgerfreundlicher machen
- Thüringer Verfassung fit machen für 21. Jahrhundert
- Parlamentarische Arbeit transparenter gestalten
Direkte Demokratie und Bürger*innenbeteiligung ausbauen
Demokratie lebt von der politischen Teilhabe ihrer Bürger*innen. In den
vergangenen Legislaturperioden konnten wir durch einfache Beteiligungsformate
bereits mehr Bürger*innen mit einbeziehen. Politik soll alle Menschen erreichen
und das auch durch verständliche Informationen.
Wir wollen niederschwellige und zielgruppengerechte Kommunikation über
politische Prozesse auf allen politischen Ebene schaffen.
Neben niederschwelligen Beteiligungsformaten, sollen auch gute Prozesse zur
Rückmeldung mit Ausweisung des Antwortfortschrittes an die Bürger*innen gegeben
sein. Wir wollen politische Abwägungen und Entscheidungen transparenter machen
und “Scheinbeteiligungen” abwenden. Unser Ziel ist die politische
Selbstwirksamkeit zu erhöhen und Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.
Deshalb setzen wir uns ein für:
Stärkere politische Kommunikation vor Ort ("aufsuchende Politik")
- Bildungsprogramme zu politischen Prozessen aufbauen und stärken
- Unterstützung der kommunalen Ebene bei der Schaffung von mehr Transparenz
Online-Portal und analoge Anlaufstellen für mögliche landespolitische
Fragen oder zu Gesetzgebungs- und Entscheidungsverfahren
- Aufbau der Kompetenzen zu Bürger*innenbeteiligung in Ministerien und
Landesbehörden.
- Wichtige Gesetzgebungs- und Entscheidungsverfahren durch umfassende,
institutionalisierte und obligatorische Beratungen mit den Bürger*innen
ergänzen
- Unterstützung von Kommunen bei der Entwicklung von Beteiligungskonzepten
- Bürgerräte auf verschiedenen politischen Ebenen gezielt einsetzen, um
konkrete politische Fragestellungen im Zusammenspiel mit Bürger*innen zu
beraten und zu und zu entscheiden sowie Entscheidungen für die
Öffentlichkeit bereitstellen
- Finanzvorbehalt bei Volksbegehren abschaffen und Quoren absenken
Versammlungsrecht liberalisieren
Die Bedeutung von Versammlungen als Ausdruck demokratischer Teilhabe und
gesellschaftlichen Engagements wird in unserer zunehmend vielfältigen Welt immer
deutlicher. Wir setzen uns gezielt mit den Herausforderungen und Chancen
auseinander, die im Zusammenhang mit Versammlungen entstehen. Auch setzen wir
uns dafür ein, dass Versammlungen human und angemessen von der Polizei begleitet
werden. Außerdem wollen wir die Versammlungsbehörden, also die kommunalen
Ordnungsämter stärken, damit das Recht auf Versammlungsfreiheit auch gut
begleitet und umgesetzt werden kann. Wir kämpfen für ein liberales
Versammlungsrecht.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Berücksichtigung von zivilem Ungehorsam im Rahmen des Versammlungsrechts,
Regeln für friedliche Blockaden schaffen und Vermummungen zu
Ordnungswidrigkeiten abstufen
- Nutzung gezielterer und angemessenerer Einsatzmittel und Richtlinien für
die Kommunikation von Versammlungsbehörde und Polizei
- Verbindliche Regelungen für den Einsatz von Pfefferspray als Einsatzmittel
aufgrund des hohen Verletzungspotentials
- Stärkung, verbesserte Informationsanbindung und Weiterbildung von
Versammlungsbehörden für eine bessere Handlungsfähigkeit
- Taskforce Versammlungslagen des Thüringer Innenministerium personell
stärken
- Kommunikationsbeamt*innen bei jeder größeren Versammlung oder bei
Gefährdung, entsprechende Aus- und Fortbildungen für Beamt*innen
bereitstellen
- Liberalisierung des Versammlungsrechts mit eigenem Landesgesetz
Thüringer Verfassung modernisieren
Unsere Verfassung ist die wichtigste Grundlage für eine funktionierende und
gesunde Demokratie im Freistaat. Unser Ziel ist deshalb: Wir machen die
Thüringer Verfassung fit für das 21. Jahrhundert mit all seinen
Herausforderungen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Konsequentes Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, aber auch
zu Ehrenamt und Digitalisierung als Staatsziele in der Verfassung
- Gesonderte Aufnahme von Kinderrechten in der Verfassung
- Ein Bekenntnis zum geeinten Europa in der Landesverfassung
- Die Umwandlung des Bürgerantrages zu einem Einwohnerantrag mit niedrigerem
Quorum, den auch Thüringer*innen ohne deutschen Pass ab 14 Jahren
unterschreiben dürfen
- Absenkung des Mindestwahlalters bei Kommunalwahlen auf 14, bei
Landtagswahlen auf 14 Jahre
- Automatische Versendung der Briefwahlunterlagen
- Klarstellung der Regelungen zur Anwendbarkeit der Vertrauensfrage sowie
der Ministerpräsident*innenwahl in der Landesverfassung
- Anpassung der Verfassung in geschlechtergerechter Sprache
- Prüfung einer Weiterentwicklung der Antidiskriminierungsklausel in der
Verfassung
Parlamentsrecht transparenter machen
Öffentlichkeit und Transparenz sind zentrale Prinzipien der Demokratie. Deswegen
machen wir uns dafür stark, dass die parlamentarische Meinungsbildung und
Entscheidungsfindung, offen und nachvollziehbar und damit öffentlich zugänglich
stattfindet. Dies gilt nicht nur für Plenarsitzungen des Landtages, sondern auch
für die Ausschüsse, in denen inhaltliche „Feinarbeit“ geleistet wird. Seit
Jahren streiten wir BÜNDNISGRÜNE für mehr Transparenz, Nachvollziehbarkeit und
Offenlegung politischer Interessenvertretung. In einem Lobbyregister wollen wir
nun nachvollziehbar machen, wer in welcher Weise und in wessen Auftrag auf die
von den Abgeordneten beschlossenen Inhalte Einfluss nimmt und welche
finanziellen Mittel gegebenenfalls für die Lobbytätigkeit aufgewendet werden.
Für uns steht die Unabhängigkeit des Mandats im Mittelpunkt des Handels von
Abgeordneten. Deswegen machen wir uns stark für eine Offenlegung der Einkünfte
von Parlamentarier*innen. Unsere BÜNDNISGRÜNEN Abgeordneten gehen hier mit gutem
Beispiel voran und machen seit 2009 öffentlich, was sie monatlich an Diäten und
möglichen Zusatzverdiensten erhalten, aber auch welche Mitgliedschaften und
welche zusätzlichen kommunalen oder ehrenamtlichen Ämter sie innehaben. Spenden
und geldwerte Vorteile von Lobbyist*innen für Abgeordnete und Fraktionen lehnen
wir genauso ab wie Lobbyismus ehemaliger Regierungsmitglieder und
Staatssekretär*innen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Öffentlichkeit der Fachausschüsse im Thüringer Landtag
- Verbindliches Lobbyregister als Ergänzung zum „legislativen“ Fußabdruck,
um Einflussnahme transparent zu machen
- Offenlegung der Einkünfte der Abgeordneten durch Änderung im Thüringer
Abgeordnetengesetz
- Sperrfrist von 3 Jahren für ausscheidende Minister*innen und
Staatssekretär*innen für Beschäftigung in Bereichen, in denen diese als
Regierungsmitglieder beschäftigt waren
- Verbot von Spenden und geldwerten Vorteilen von Lobbyist*innen für
Abgeordnete und Fraktionen