Veranstaltung: | Landesparteirat Stadtroda 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesvorstand |
Eingereicht: | 17.09.2020, 10:34 |
Klug investieren in Bildung und Klima: für ein krisenfestes und zukunftssicheres Thüringen
Beschlusstext
Klug investieren in Bildung und Klima: für ein krisenfestes und zukunftssicheres
Thüringen
Die Corona-Pandemie hinterlässt in Thüringen sowohl sozial als auch
wirtschaftlich sichtbare Spuren und sorgt für ein großes Defizit im
Landeshaushalt. Um die negativen wirtschaftlichen Folgen der Krise abzumildern,
hat die Landesregierung beschlossen, ein Konjunkturprogramm aufzulegen, mit dem
im Landeshaushalt 2021 300 Millionen Euro zusätzlich durch die Aufnahme von
Schulden bereitgestellt werden. Die Entscheidung, jetzt zu investieren, begrüßen
wir ausdrücklich. Dem von der Landesregierung vorgelegten Konjunkturpaket fehlt
jedoch eine klare politische Zielsetzung. Statt die Gelder pauschal auf alle
Ministerien zu verteilen und damit bisher übrig gebliebene Projekte zu
finanzieren, muss jetzt zielgerichtet mit einem schlüssigen Gesamtkonzept
investiert werden. Die ökologischen und sozialen Herausforderungen, denen wir
uns nicht erst seit der Corona-Pandemie gegenübersehen, erfordern eine
zielgenaue Ausrichtung der Investitionen und des Landeshaushalts auf die
Bereiche Klimaschutz und Bildung. Investitionen sollten an ihren Beitrag zur
Emissionsreduktion und Ressourceneinsparung geknüpft und keine Mittel für
fossile Subventionen bereitgestellt werden. Jeder in klima- oder
ressourcenbelastende Maßnahmen investierte Euro ist ein für die Zukunft
verlorener.
Es ist uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen gelungen, durch grüne
Regierungsbeteiligung 70 Millionen Euro zielgerichtet für Klimaschutz
bereitzustellen: für Erweiterung der Programme Solar Invest und Klima Invest,
Energetische Gebäudesanierung sowie die Erprobung von Wasserstoff etwa bei
industriellen Prozessen. Doch damit wir dem Ziel eines klimaneutralen Thüringen
näherkommen, muss Klimaschutz umfassender in allen Bereichen gedacht werden.
Dem Landeshaushalt und auch dem Konjunkturprogramm fehlen energische Maßnahmen,
um auch die Verkehrswende in Thüringen voranzubringen - durch mehr finanzielle
Mittel für den Ausbau von Radinfrastruktur und der Bus- und Bahnnetze, für guten
Gesundheitsschutz im ÖPNV, für günstige ÖPNV-Tickets und Sharing-Konzepte für
individuelle Mobilität. Jetzt ist der Zeitpunkt, um ein landesweites 2€-Ticket
und die Ausweitung des Azubitickets auf Freiwilligendienstleistende einzuführen.
Die Energiewende muss ebenso entschlossen vorangebracht werden. Dafür braucht es
weitere Investitionen in Photovoltaikanlagen, in Energiespeichersysteme, in
Mieter*innenstrom- und -wärmemodelle. Für die dringend notwendige Wärmewende
fordern wir ein Programm „Wärme Invest“, das durch regionale
Wertschöpfungsketten sowohl die Konjunktur als auch diejenigen unterstützt, die
gerade neu bauen oder sanieren. Den Thüringer Unternehmen, welche die Corona-
Pandemie hart getroffen hat, muss zielgerichtet geholfen und dabei der Weg in
zukunftssichere Wirtschaftsformen geebnet werden. Daher fordern wir die
Bereitstellung finanzieller Mittel, um den Umbau zu regionalen, nachhaltigen und
fairen Wirtschaftskreisläufen und Lieferketten sowie die Digitalisierung der
Arbeitsabläufe zu unterstützen. Ebenso setzen wir uns für die konsequente
Umsetzung des Aktionsplans Wald inklusive Waldumbau sowie weitreichende
Investitionen in die Agrarwende, die hin zu einer humusaufbauenden, Boden
schonenden Landwirtschaft steuert, ein.
Hitze, Dürre, Starkwetterereignisse - das Klima ändert sich bereits jetzt für
jede*n spürbar. Der Landeshaushalt muss daher den Kommunen auch dabei helfen,
mit den Folgen umzugehen, und Maßnahmen für die Klimafolgenanpassung kraftvoller
finanziell unterstützen.
Investitionen in die Zukunft bedeuten jedoch nicht nur Investitionen in
Nachhaltigkeit, sondern auch in Bildung. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie
haben Familien und besonders Kinder und Jugendliche hart getroffen. Die
wochenlange Schließung von Kindergärten und Schulen im Lockdown hat zu einer
Verschärfung von Bildungsungleichheiten geführt. Künftig muss sichergestellt
sein, dass auch in Krisenzeiten alle Kinder und Jugendliche bestmöglich
individuell gefördert werden. Kindergärten und Krippen benötigen zur
Qualitätsverbesserung, aber auch aufgrund der Hygienevorgaben mehr Personal. Die
Umsetzung des Modellvorhabens zu multiprofessionellen Teams muss endlich
beginnen. Um für die Erzieher*innen gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen zu
schaffen und den anstehenden Generationenwechsel in den Kindergärten
vorzubereiten, fordern wir zudem die flächendeckende Einführung der
praxisintegrierten Ausbildung für Erzieher*innen und einen einheitlichen
Personalschlüssel für die Über-Dreijährigen von 1:13.
In Schulen muss mehr getan werden, um den Unterrichtsausfall zu reduzieren -
Thüringen braucht mehr Lehrer*innen! Dazu gehören unbedingt eine ausreichend
große Vertretungsreserve für langzeiterkrankte Lehrkräfte, eine Öffnung des
Seiteneinsteiger*innenprogramms, zusätzliche DaZ-Lehrkräfte und mehr
Nachqualifizierungsangebote, um dem Lehrer*innenmangel in bestimmten Fächern und
Regionen entgegenzutreten. Erzieher*innen in Horten sollen das Angebot erhalten,
endlich zu 100 % arbeiten zu dürfen. Eine Angleichung der Bezahlung von
Grundschullehrkräften auf A13 und die Streichung des Stellenabbaus im
Schulbereich sind zudem längst überfällig. Darüber hinaus benötigt es mehr
finanzielle Mittel für attraktive Aus- und Fortbildungsangebote für
Lehrer*innen. Um die digitalen Lehr- und Lernmöglichkeiten konsequent
auszubauen, müssen die Fortbildung intensiviert und die notwendigen
Infrastrukturen insbesondere durch den zügigen Ausbau des Breitbandnetzes
geschaffen werden. Die Kommunen müssen bei der Ausstattung mit Tablets und
Laptops stärker unterstützt werden, damit bedürftige Schüler*innen schulische
Leihgeräte erhalten.
Um alle Kinder und Jugendliche gut fördern zu können, braucht es in Thüringen
ein flächendeckend funktionierendes und gut ausgestattetes Unterstützungssystem,
damit Lernrückstände aufgeholt werden können, die vor oder während der Corona-
Pandemie durch Kita- und Schulschließungen (zusätzlich) entstanden sind. Dazu
gehören attraktive schulbegleitende und während der Ferien stattfindende
Ganztagsangebote, unbürokratischere Schulbudgets und die Kooperation mit
außerschulischen Partner*innen wie Museen, Theatern und Sportvereinen. Besonders
Schulen im ländlichen Raum sollen bei außerschulischen Kooperationen stärker
unterstützt werden.
Freie Schulen erfüllen gleichermaßen den öffentlichen Bildungsauftrag und
leisten einen wichtigen Beitrag für unser plurales Bildungssystem. Deshalb
müssen sie auch auskömmlich finanziert werden. Für 2021 muss selbstverständlich
der bereits verabredete Kompromiss des Bildungsministeriums mit der
Landesarbeitsgemeinschaft der freien Schulträger gelten und 217 Millionen Euro
verbindlich im Haushalt 2021 eingestellt werden. Ab 2022 streben wir eine
langfristige und verlässliche Finanzierung der freien Schulen an.
Für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ist klar: Nur wenn Thüringen in Bildung und
Klimaschutz investiert, kann das Land nachhaltig krisenfest und zukunftsfähig
gemacht werden. Wir wollen dem Konjunkturpaket eine Richtung geben. BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN Thüringen fordern daher die Landesregierung sowie die
Koalitionspartner auf, jetzt einen nachhaltigen Kurs für Thüringen einzuschlagen
und Investitionen in Klimaschutz und Bildung zur obersten Priorität zu erklären.
Die Zeit zu handeln ist jetzt!