Veranstaltung: | Landesparteirat Stadtroda 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Heiko Knopf |
Eingereicht: | 28.08.2020, 22:25 |
Lebendige Innenstädte – Stadtkerne für die Zukunft
Beschlusstext
Wir fordern den Landesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen auf, sich bei
der Landesregierung des Freistaates Thüringen für die zeitnahe Realisierung
eines niederschwelligen Strukturförderprogramms für den regionalen Einzelhandel,
regionale Dienstleister*innen und die Gastronomie vor Ort einzusetzen.
In Kooperation mit den Kommunen soll der Freistaat Thüringen durch
situationsbezogene Förderungen einen modernen, vielseitigen und nachhaltigen
Handel mit besonderem Augenmerk auf regionalen Produkten und nachhaltiger
Erzeugung unterstützen. Die Förderung soll sich besonders an vor allem regional
agierende Unternehmen mit emissionsarmen und auf Kreislaufwirtschaft basierenden
Lieferketten richten. Der gezielte Aufbau digitaler Strukturen im Einzelhandel
soll lokale Anbieter*innen für den Wettbewerb mit dem Onlinehandel stärken und
eine Umstrukturierung zu emissionsarmer Wertschöpfung ermöglichen.
Die Thüringer Kommunen sollen finanziell dabei unterstützt werden, digitale
Strukturen zur Vernetzung regionaler Einzelhändler*innen und Vermarktung
regionaler Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Gefördert werden sollen
zudem Vorhaben auf Stadt oder Kreisebene für eine regionale, emissionsarme
Logistik beispielweise durch Micro-Hubs (kleine Verteilzentren) mit
Lastenradkonzepteen zum Transport von Waren nach Hause oder Pick-up-Läden zur
Abholung lokaler online bestellter Waren. Maßnahmen zur Verbesserung der
Aufenthaltsqualität wie Klimaschutzkonzepte mit Verschattungen oder öffentliche
Trinkbrunnen sollen ebenso förderfähig sein.
Alle Ausgaben, die zur Belebung und Weiterentwicklung des Einzelhandels in
Innenstädten oder Dorfkernen getätigt werden, sind nach den Grundsätzen des
Gender Budgetings zu bewerten. Erkennbare Unterschiede sind durch ausgleichende
Maßnahmen anzupassen.
Begründung
Gegenwärtig ist der Einzelhandel aber auch der gesellschaftliche Kontakt und nicht zuletzt der Austausch und die Begegnung von Menschen im öffentlichen Raum einem starken Individualisierungsdruck ausgesetzt. Zu den Auswirkungen des steigenden Onlinehandels und der seit einigen Jahren erkennbaren Hinwendung von Käufer*innen zu zentrumsfernen Malls, kommen in diesem Jahr auch noch die mit der Coronakrise zusätzlich entstandenen Anpassungszwänge.
Auch wenn staatliche Hilfen einen Teil der Schäden abfedern konnten, ist die Lage für den Einzelhandel, die Gastronomie, Friseur*innen und andere Dienstleister*innen prekär. Wenn jetzt nicht politisch gegengesteuert wird, droht eine Verödung von Innenstädten und ein Aussterben von Dorfkernen.
Die wirtschaftspolitische Antwort hierauf müssen in den nächsten Monaten eine Fortsetzung direkter Unterstützungsmaßnahmen sowie branchenspezifische Anreize sein. Gelingt dies, so sichern wir damit die wirtschaftliche Stabilität der Innenstädte und begünstigen gleichzeitig Wirtschaftskreisläufe in den Regionen. Bereits in vergangenen Krisen ist erkennbar geworden, dass gerade antizyklische Investitionen wichtige politische Impulse sind.
Leider reagierten viele politische Stimmen auf Bundes- aber auch Landesebene reflexhaft einsilbig und hatten über Kreditvergaben hinaus nur wenige konstruktive und zukunftsgewandte Vorschläge.
Wichtig im Sinne politscher Verantwortlichkeit ist, dass es keine Konsumhilfen ohne Lenkungswirkung geben darf. Das Ziel ist daher nicht die pauschale Ausreichung von Geldern, sondern die gezielte Begünstigung moderner Strukturen, welche eine nachhaltige, regionale und zeitgemäße Steigerung des Handels- und Lebensqualität in den Stadtzentren und Dorfkernen zur Folge haben.
In der Krise gefundene digitale Lösungen für den Einzelhandel müssen verstetigt und unterstützt werden. Online-Plattformen für den lokalen Einzelhandel haben nicht nur in der Krise Potential. Mit einem Konjunkturprogramm zur Digitalisierung der Regionen wollen wir den Auf- und Ausbau digitaler regionaler Plattformen unterstützen, um den lokalen Handel zu stärken.
In den letzten sechs Monaten hat sich das Konsumverhalten gezwungener Maßen verändert. Viele Menschen haben wären Corona ihre Gewohnheiten ändern müssen, viele haben über ihr Einkaufsverhalten nachgedacht und sind dabei, sich auf neue Regelmäßigkeiten einzustellen. Daher ist jetzt der Zeitpunkt die Anreize zu setzen um die Angebote vor Ort, in den Stadtzentren gezielt zu unterstützen und das Angebot vor Ort im Bewusstsein zu stärken, um Kaufkraft zu binden.
Das Land Thüringen sollte in Kooperation mit den Kommunen, den Einzelhänder*innen, den Konsument*innen, aber auch den Erzeuger*innen vor Ort ein Strukturprogramm auflegen, welches nicht mit der Gießkanne, sondern mit abgestimmten, angepassten Förderungen lokalen, zeitgemäßen Handel unterstützt.
Förderungen beim Ausbau digitaler Infrastruktur in den Geschäften, die Unterstützung bei regionalen Vermarktungskooperationen, aber auch die Pflege handwerklicher Qualität können dabei förderfähige Kriterien sein.
Lokale Online-Marktplätze sind ein sinnvolles Instrument, damit der stationäre Einzelhandel Warensortimente im Internet präsentiert und in der jeweiligen Region und darüber hinaus auf sich aufmerksam macht. Erfahrungen zeigen, dass die Kunden solche Angebote annehmen und nach einer Produktsuche auf dem Online-Marktplatz ihre Waren und Dienstleistungen beim Händler „vor Ort“ einkaufen. Durch freies WLAN können die Kommunen zu einem kommunikativen Ambiente beitragen. Neue Logistikansätze wie Micro-Hubs (kleine Verteilzentren) oder Pick-up-Läden zur Abholung lokaler online bestellter Waren, der Ausbau von Show-Rooms und moderne Mobilitätsangebote ergänzen diese Aktivitäten sinnvoll und führen zu einer ganzheitlichen Verbesserung der Situation der Händler*innen.
Eine umfassendere Beschreibung der Situation und detailliertere, konzeptionelle Ansätze zur politischen Reaktion sind bei Heiko Knopf unter heiko.knopf@gruene-jena sowie unter info@gruene-jena.de erhältlich.