Veranstaltung: | LDK Leinefelde Juni 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Astrid Rothe-Beinlich (KV Erfurt), Madeleine Henfling (KV Ilm Kreis), Ann-Sophie Bohm (KV Weimar), Bernhard Stengele (KV Erfurt), Anja Siegesmund (KV Jena), Dirk Adams (KV Erfurt) |
Eingereicht: | 13.06.2022, 19:08 |
Nicht gegen die Krise ansparen
Beschlusstext
Die letzten zwei Jahre haben Thüringen und die gesamte Gesellschaft vor enorme
Herausforderungen gestellt. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie musste die
Politik in einem bis dahin nicht vorstellbaren Maß in die Freiheits- und
Grundrechte jeder*s Einzelnen eingreifen. Schulen gingen zum häuslichen Lernen,
Kindergärten in die Notbetreuung über, ganze Branchen wurden geschlossen - vom
Einzelhandel, über Dienstleistungen bis hin zur Veranstaltungswirtschaft. Auch
das kulturelle und künstlerische Leben musste drastisch heruntergefahren werden.
Viele Solo-Selbständige mussten aufgeben. Für Familien bedeutete die
Vereinbarkeit von Beruf, häuslichem Lernen und Kinderbetreuung eine enorme
Mehrbelastung. Wirtschaftlich zwang die Pandemie zu tiefen Einschnitten.
Kommunale und auch private Haushalte hatten mit enormen finanziellen Belastungen
zu kämpfen. Gleichzeitig legte die Pandemie Schwachstellen in der
Daseinsvorsorge wie unter einem Brennglas offen. Vor allem im ländlichen Raum
zeigten sich im Gesundheits- und Pflegebereich die Folgen von Privatisierungen,
Fachkräftemangel und Strukturschwäche besonders deutlich. Doch auch der
zunehmende Personalmangel im Bildungsbereich hinterlässt seine Spuren. In all
diesen Bereichen bedarf es nun dringend größerer Investitionen und ein
gemeinsames Agieren aller demokratischer Parteien, um für die kommenden Krisen
besser vorbereitet zu sein.
Auch die Klimakrise ist, wenn auch im öffentlichen Bewusstsein oft durch die
Pandemie überdeckt, kontinuierlich weiter vorangeschritten. Daher bedarf es
ebenso dringender Investitionen im Kommunalen Klimaschutz, für die Verkehrswende
und den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Und schließlich sind wir seit mehr als 100 Tagen wieder mit einem Krieg mitten
in Europa konfrontiert. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine befinden
sich Millionen Menschen auf der Flucht. Hier bedarf es neben der Solidarität und
privaten Hilfsbereitschaft eines gemeinsamen Kraftakts und der Zusammenarbeit
von Bund, Ländern und Kommunen, um auch weiterhin möglichst schnell und endlich
auch unbürokratisch Geflüchtete menschenwürdig bei uns aufzunehmen und sie gut
zu integrieren.
Wir befinden uns also momentan in einer Zeit globale Krisen, die in kurzer Zeit
nicht zu lösen sein werden. Dies ist keine Zeit für Einsparungen, sondern eine
Zeit, in der wir investieren müssen und auch können, schaut man auf die
prognostizierten Steuermehreinnahmen. Es hilft wenig, gegen die Krise
anzusparen. Im Gegenteil. Es gilt, die bestehenden Herausforderungen aktiv
anzugehen, indem wir das notwendige Geld aufwenden und zielgenau einsetzen.
In Thüringen sind wir durch die besondere Situation einer Minderheitsregierung
auch bei den diesjährigen Haushaltsverhandlungen auf die Stimmen der CDU
angewiesen gewesen. Diese hatte eine Globale Minderausgabe in Höhe von 330
Millionen Euro zur Voraussetzung für ihre Zustimmung zum Haushalt gemacht. Das
Instrument der Globalen Minderausgabe lehnen wir ab, vor allem mit Blick auf die
in der Thüringer Verfassung enthaltenen Haushaltsgrundsätze. Anstatt Kürzungen
bei einzelnen Titeln vorzunehmen, wird mit einer Globalen Minderausgabe die
Summe aller Ausgaben einer pauschalen Kürzung durch die Regierung unterzogen.
Damit wird der Regierung nicht nur die Möglichkeit zur Verstetigung wichtiger
Errungenschaften im Land genommen, sondern das Parlament, das den Haushalt
beschließt, wird zudem der Möglichkeit beraubt, seinen konstitutionell
garantierten demokratischen Einfluss auf die Art der Einsparungen vorzunehmen.
Zudem besteht dadurch auch keine sachliche Begründung für die konkreten
Einsparungen. Daher halten wir die Globale Minderausgabe für nicht
verfassungsgemäß.
Auch haben wir in den letzten Wochen sehr deutlich sehen müssen, welche
drastischen Einsparungen die Globale Minderausgabe mit den pauschalen Kürzungen
in vielen Bereichen verursacht hat, gerade im Bildungs-, Hochschul-, Migrations-
und Sozial-, aber auch im Klima- und Energiehaushalt. Dies betrifft nicht nur
neu in den Haushalt eingestellte Projekte, sondern auch langjährig aufgebaute
und finanzierte Projekte, wie die Integrationsförderung für Geflüchtete, die
Kinder- und Jugendarbeit in den Kommunen, die Schulgelder in den
Gesundheitsberufen und Vorhaben in der sozialen Arbeit. Dass gerade die CDU
diese Einsparungen anprangert, ist geradezu grotesk, ist es doch ihrer
Haushaltspolitik geschuldet, dass es überhaupt dazu kommen musste. Es ist nicht
das politische Versagen von Rot-Rot-Grün, wie es die CDU aktuell darstellt.
Aus diesem Grund sagen wir Bündnisgrüne sehr deutlich: Mit uns wird es in den
kommenden Haushalten keine Globale Minderausgabe mehr geben. Einem weiteren
Haushalt, in dem die CDU ein verfassungsmäßig bedenkliches Instrument
durchsetzt, werden wir nicht zustimmen.
Grundsätzlich wäre ein Nachtragshaushalt das geeignete Mittel, um die durch die
Globale Minderausgabe verursachten Kürzungen abzufangen und gleichzeitig
handlungsfähig im Angesicht der schon erwähnten Krisen zu bleiben. Aktuell haben
wir für einen solchen Nachtragshaushalt jedoch keine politische Mehrheit.
Deshalb wollen wir mit Hilfe von verschiedenen Sondervermögen die thematisch
drängendsten Probleme in Thüringen angehen und das auch über die Legislatur und
mögliche wechselnde Mehrheiten hinweg. Wir wollen Sachpolitik vor Ideologie
stellen und unterbreiten auch der demokratischen Opposition das Angebot, die
Finanzierungen für die Bereiche Bildung/Hochschule, Umweltschutz/Klimawandel und
Mobilität mit Perspektive bis zum Jahr 2030 gemeinsam auf den Weg zu bringen.
Die unterschiedlichen Sondervermögen, die dafür notwendig sind, sollen teilweise
mit Krediten finanziert werden und gleichzeitig den Druck aus den
Haushaltsverhandlungen der kommenden Jahre nehmen. Wir von Bündnis90/Die Grünen
fordern die anderen demokratischen Parteien auf, gemeinsam mit uns wieder einen
verfassungsgemäßen und ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden und gleichzeitig
im konstruktiven Dialog mit den Sondervermögen Stabilität bei den
Zukunftsaufgaben für Thüringen zu gewährleisten und politisch erkennbar
Schwerpunkte mit Blick auf Bildung, Klimaschutz und Integration zu setzen.