Veranstaltung: | LDK Leinefelde Juni 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LaVo |
Eingereicht: | 16.06.2022, 17:07 |
Keulaer Wald Retten - Abbaggerung stoppen
Beschlusstext
Bündnis90/die Grünen in Thüringen setzt sich gemeinsam mit lokalen Partner*innen
und Umweltverbänden für den vollständigen Erhalt des Keulaer Waldes ein. Wir
werden einer weiteren Rodung des nachhaltig bewirtschafteten Baumbestandes mit
aller Kraft und allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln
entgegenwirken. Wir fordern die Thüringer Landesregierung auf die alten
Verträge, die aus einer Zeit stammen, als die ökologischen Bedrohungen durch die
Klimakrise und das Artensterben in ihrer überragenden Bedeutung noch nicht
erkannt waren, auf ihre aktuelle Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Wir fordern
unabhängige Gutachten über bedrohte schützenswerte Arten, die
naturschutzfachliche Qualität der Ausgleichsmaßnahmen und den Grundwasserschutz
in und im Umfeld dieses einmaligen Plenterwalds.
Begründung
Biotopstruktur
Das Gebiet ist durchweg waldbestanden und wird forstwirtschaftlich genutzt. Eine erste Erwähnung gab es bereits im Jahre 1308. Hervorzuheben ist, dass es sich bei dem betroffenen Gebiet um Buchenbestände handelt, die weitgehend als Plenterwälder genutzt werden. Nur kleinflächig treten Eschen, Berg-Ahorn und vergleichbare Arten als Begleitarten auf. Herausragend und in seiner besonderen Ausprägung wertgebend ist die über Jahrhunderte(!) gewachsene mehrstöckige Waldstruktur als Folge der Plenternutzung. Keine Aufforstung kann diesen Waldaufbau auch nur annähernd nachbilden. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang ebenso auf die Bodenstruktur, Bodenfauna und –flora; kein Mutterbodenauftrag kann einen Abtrag des natürlichen Waldbodens kompensieren.
Habitatbäume wurden vom zuständigen Forstamt bisher nur für das östlich angrenzende FFH-Gebiet Keulaer Wald ausgewiesen. Auch wenn die formale Ausweisung fehlt, so ist doch davon auszugehen, dass aufgrund der vergleichbaren Waldstruktur einige Altbäume vorhanden sind, die dem qualitativ-ökologischen Anspruch eines Habitatbaumes genügen.
Botanik
Pflanzensoziologisch ist das Gebiet in die Gruppe der Waldmeister-Rotbuchenwälder (Galio oderati-Fagion R.Tx.) einzuordnen. Die Krautschicht ist sehr artenreich entwickelt und fällt insbesondere im Frühjahr durch die zahlreichen Geophyten auf. In der Krautschicht dominieren biotopkennzeichnende Arten wie u.a. Waldmeister, Bär-Lauch, Zwiebeltragende Zahnwurz und Wald-Bingelkraut. Hervorzuheben ist u.a. das Vorkommen des Gelben Eisenhutes an seiner nördlichen Verbreitungsgrenze. Bezüglich des Vorkommens besonders geschützter Arten ist. auch mit dem Auftreten von Wald-Orchideen (z.B. Nestwurz, Wald-Vögelein) zu rechnen.
Botanisch hervorzuheben ist in der Summe das für einen Waldmeister-Rotbuchenwald quasi vollständig vorhandene Arteninventar. Ähnliches ist auf normalen Laubwald-Forstflächen nur bedingt entwickelt. Das betroffene Gebiet besticht also durch Vielfalt und Schönheit im Sinne der Qualitätskennzeichnung für Naturschutzflächen.
Zoologie, FFH-Arten
Nach unserer Kenntnis wurde für das betroffene Gebiet noch keine flächige zoologische Bestandserhebung durchgeführt. Ausgehend von der Biotopstruktur sind zahlreiche, vermutlich auch viele gefährdete oder geschützte Arten zu erwarten, sei es bei der Erhebung der Vogel-, Fledermaus-, Insekten- (Käfer!) oder der Säugetierfauna. Direkt nachgewiesen sind für den Keulaer Wald die FFH-Arten Wildkatze, von deren flächigem Auftreten ausgegangen werden kann, und der Luchs. Der Luchs nutzt das Gebiet sporadisch, dies belegen mehrere Risse in den letzten Jahren, wovon mindestens einer im Bereich der geplanten Tagebauerweiterung gefunden wurde, sowie das allgemeine Verhalten des Rehwildes, auf Grund dessen man von dem Vorkommen eines größeren Raubsäugers ausgehen kann. Zudem wurden im Winter 2021/2022 Luchsfährten gesichtet. Von der Wildkatze liegen aktuelle Bilder von Wildkameras, direkt aus dem betroffenen Waldbereich vor.
Für beide Arten hätte die Zerstörung des Waldgebietes dramatische Folgen (s. auch Biotopverbund). Zum einen ist die Wildkatze auf die Verbindung der Population von Südharz, Hainleite und Hainich angewiesen; eine Durchbrechung des Dün würde zur genetischen Isolierung der Populationen führen. Für den Luchs wiederum würde eine Ausbreitung in Richtung Süden massiv erschwert; bezüglich der genetischen Isolation von Teilpopulationen gelten die getroffenen Aussagen zur Wildkatze in gleichem Umfang. Weiterhin ist davon auszugehen, dass mit der Haselmaus eine weitere FFH-Art im betroffenen Gebiet vorkommt.
Für das östliche unmittelbar angrenzende FFH-Gebiet „Keulaer Wald“ Nr. 167, sind mit Mopsfledermaus und Mausohr im Managementplan zwei weitere FFH-Arten benannt; die Datengrundlage stammt aus der Fledermausdatenbank des Landes Thüringen. Aktuelle Nachweise liegen laut Managementplan zum FFH-Gebiet nur aus dem Umfeld vor. Zusammenfassend ist zu sagen, dass mit mindestens 5 betroffenen FFH-Arten gerechnet werden muss!
Biotopverbund
Unabhängig, ob man eine topografische Karte oder Luftbilder als Quelle heranzieht, es ist offensichtlich, dass der Keulaer Wald nicht nur eine elementare, sondern auch unverzichtbare Brücke im Biotopverbund von Hainleite, Dün und Hainich darstellt. Der geplante Tagebau würde den Dün an der schmalsten Seite trennen und eine Wanderbarriere für Wildkatze, Luchs und andere wandernde Arten (z.B. ziehende Fledermäuse) dauerhaft etablieren. Dies stellt einen absolut unverhältnismäßigen Eingriff dar, zumal auch das im Osten fast unmittelbar angrenzende FFH-Gebiet Keulaer Wald von der Zerstörung des Biotopverbundes betroffen wäre.
Umweltaspekte allgemein (Landschaftsbild, Klima)
Unbestritten besticht der Keulaer Wald einschließlich des betroffenen Gebietes in seiner jetzigen Form durch seine Besonderheit, Schönheit und jahrhundertelange Plenternutzung. Er prägt die Landschaft maßgeblich. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit und der mehrstöckigen Gliederung des Waldes (mehrere Gehölzschichten in Folge der Plenternutzung) besteht eine zusätzliche Bedeutung als CO²-Speicher, die offensichtlich über die bekannten CO²-Speichermengen normaler Wald und Forstflächen hinausgeht. Entsprechend hoch ist also der Stellenwert für den Klimaschutz. Allein um den Verlust der Untersuchungsfläche als CO²-Speicher zu kompensieren, müsste also wesentlich mehr Fläche aufgeforstet werden als abgegraben wurde. Hingewiesen sei auch noch auf die Bedeutung der Waldfläche für das Kleinklima und den Wasserhaushalt vor Ort.
Tourismus und Erholung
Da der waldbestandene Dün sich im Bereich der geplanten Abbaufläche deutlich verengt, wird durch die Maßnahmen auch erheblich in die touristische Nutzung eingegriffen. Beispielsweise ist eine Wanderung von Zaunröden zum beliebten Aussichtspunkt „Rondell“ durch das Waldgebiet nicht mehr möglich. Auch der Hauptwanderweg des Gebietes – in Mühlhausen beginnend und über den Dün und das Helbetal zur Barbarossahöhle führend – würde zerschnitten. Damit büßt das Gebiet erheblich von seiner touristischen Attraktivität ein. (die Begründung folgt der Expertise von Diplombiologe Thomas Schikora)