Veranstaltung: | Wahlprogrammprozess 2.0 |
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Antragsteller*in: | LaVo |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.03.2021, 10:40 |
A14: Wir eröffnen Chancen und sichern den Zusammenhalt (Gut bezahlt und gut vereinbar: Arbeit)
Antragstext
Erwerbsarbeit begleitet uns die meiste Zeit unseres Lebens, ist manchmal
Berufung oder einfach Beruf. Sie weckt unsere Kreativität, gibt uns Freude und
Anerkennung. Aber klar ist: In Thüringen bedeutet sie für viele Menschen auch
Stress, Unsicherheit und Leistungsdruck. Wir wünschen uns eine gute Arbeit, die
finanziell absichert, Freude bereitet und uns erfüllt. Thüringen hat hier
einiges an Verbesserungen erreicht. Sehr viele Menschen arbeiten, die
Arbeitslosigkeit geht weiter zurück. Das Land hat erfolgreiche Unternehmen und
den vierthöchsten Anteil aller Bundesländer an Beschäftigen in der
produzierenden Industrie in der gesamten Bundesrepublik. Die Beschäftigungsquote
von Frauen und Männern ist hoch, genauso wie die von Menschen über 55 Jahren.
Das ist gut, doch nicht gut genug! Viele dieser Jobs sind geringfügig bezahlt,
befristet, Teilzeit- oder Minijobs. Nach wie vor sind die Löhne im Osten,
Thüringen eingeschlossen, niedriger als im Westen und nach wie vor werden Frauen
in einigen Branchen geringer bezahlt als Männer. Gerade in den Branchen, wo
Menschen für andere Menschen sorgen – besonders in den sozialen Berufen, in der
Kranken- und Altenpflege – aber auch im Gebäudereinigungssektor, Fabrikarbeit,
im Logistik- und im Sicherheitsgewerbe – sind die Löhne niedrig und die
Arbeitsbedingungen schwierig. Häufig sind es Frauen, die diese Berufe ausüben.
Zugleich gehören Überlastung und Stress zum Alltag. Oft ist es schwierig,
Familie und Beruf miteinander zu vereinen. Um für alle Bevölkerungsgruppen eine
faire Bezahlung zu gewährleisten, setzen wir uns ebenfalls dafür ein, Praktika
in öffentlichen Stellen generell ab einer Mindestdauer von drei Wochen zu
bezahlen und Unternehmen dazu anzuregen, es gleichzutun. Zugleich steigt das
Durchschnittsalter der Erwerbstätigen, viele werden in den nächsten Jahren in
den Ruhestand gehen. Der Fachkräftebedarf steigt rasant, große Engpässe zeigen
sich zum Beispiel in der Metallindustrie, im Handwerk oder in den Sozial-,
Gesundheits- und Pflegeberufen. Die Gewinnung und Ausbildung von Fachkräften ist
also eine Zukunftsaufgabe. Wir wollen diese Veränderungen mitgestalten. Gute
Arbeit für alle ist unser Ziel. Das bedeutet entschlossene Bekämpfung von
Leiharbeit, Werkverträgen, sachgrundloser Befristung und anderer prekärer
Beschäftigung, das bedeutet auch den Ausbau und die Stärkung der betrieblichen
und Unternehmensmitbestimmung sowie die Ausübung öffentlichen und politischen
Drucks auf alle Verantwortlichen in den Chef*innenetagen, welche die Gründung
und die Arbeit von Betriebsräten behindern, sich Tarifverhandlungen verweigern
oder die grundgesetzlich garantierte gewerkschaftliche Betätigung zu unterbinden
versuchen.
Fachkräftesicherung und Attraktivität von Arbeit
Fachkräftesicherung erfordert die Zusammenarbeit aller Akteure – in Politik,
Wirtschaft und Handwerk, in Sozialverbänden und Gewerkschaften, in der
Arbeitsagentur und den Industrie- und Handelskammern. Die Arbeit der von der
rot-rot-grünen Landesregierung ins Leben gerufenen Thüringer Allianz für
Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung werden wir deshalb weiter unterstützen.
Für uns BÜNDNISGRÜNE beginnt Fachkräftesicherung bereits in der Schule. Deshalb
schlagen wir ein Wahlfach zur beruflichen Orientierung in allen Schulformen vor.
In diesem Praxisorientierten Wahlfach können sich die Schüler*innen
beispielsweise zwischen den Bereichen Gesundheit/Soziales,
Handwerk/Landwirtschaft oder Handel/Tourismus wählen. Am Beispiel des Handwerkes
können so handwerkliche Fertigkeiten und Grundkenntnisse bereits viel früher
vermittelt werden. Den Schüler*innen vermittelt das schon frühzeitig
Perspektiven. Zur Abdeckung der Unterrichtseinheiten können Experten der
Handwerkskammern bzw. wechselnde regionale Handwerksbetriebe eingesetzt werden.
Die bauliche Erweiterung der Schulgebäude durch entsprechende Räumlichkeiten und
Werkstätten soll durch den Freistaat gefördert werden. Die angemessene Förderung
von Ausbildungsberufen ist auch eine Chance für ländliche Räume, junge Menschen
auch in Regionen ohne Hochschule binden zu können. Das duale Ausbildungssystem
muss gegenüber der akademischen Laufbahn attraktiver gemacht werden. Wir wollen,
dass Meisteranwärter genau wie Studierende die Möglichkeit einer kostenfreien
Meiterausbildung haben.
Handlungsbedarf besteht ebenfalls in den Bereichen gute tarifgerechte Bezahlung
und Aufwertung der Fürsorgeberufe, gute Bedingungen in der Aus- und
Weiterbildung, attraktive Arbeitsbedingungen und bessere Vereinbarkeit von
Familie und Beruf. Das Lohngefälle zu den alten Bundesländern muss beseitigt
werden. Hier muss der Freistaat als betroffenes Bundesland mit niedrigerem
Lohnniveau stärker einwirken. Gerade in den Sorgeberufen, in denen sich Menschen
um andere Menschen kümmern, wird großartige Arbeit nur unzureichend vergütet.
Die Aufwertung der Fürsorgeberufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, ist uns
ein großes Anliegen. Nicht nur hier gilt: Arbeitgeber mit Tarifbindungbieten die
attraktiveren Jobs. Aber nur etwa jeder fünfte Betrieb in Thüringen hat sich an
einen Tarifvertrag gebunden. Deshalb werden wir die Tarifpartner dabei
unterstützen und fordern vor allem von den Unternehmen, die Tarifbindung
auszuweiten. Das geht nur mit starken Sozialpartnern und Gewerkschaften. Deren
Engagement wollen wir fördern. Die öffentliche Hand muss in diesen Fragen als
Vorbild agieren. Deshalb haben wir bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
Verbesserungen beim Mindestlohn und bei sozialen und ökologischen Kriterien
angeregt. Unternehmen dürfen künftig nur dann öffentliche Aufträge erhalten,
wenn sie mindestens an branchenüblichen Tarifverträgen orientierte Vergütungen
zahlen, die Nachunternehmerhaftung bejahen, sich in der Berufsausbildung
engagieren und ein den Prinzipien der Nachhaltigkeit gerecht werdendes
unternehmerisches Konzept belegbar darzulegen bereit und in der Lage sind. Wir
wollen diese Veränderungen zeitnah auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen und –
wenn notwendig – weiter voranbringen. Bei der Anerkennung und
Kompetenzfeststellung von ausländischen Fachkräften brauchen wir ein
transparentes und zügiges Verfahren. Um ausländische Fachkräfte und die
Unternehmen zu unterstützen, messen wir arbeits- und sozialrechtlichen Standards
einen hohen Wert zu.Um diesen eine langfristige Perspektive und Erfolgschancen
zu geben, sind Zugänge zu Integrationsangeboten, Sprache und Qualifizierung und
die interkulturelle Öffnung unserer Thüringer Gesellschaft unerlässlich.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt viele Familien vor große
Herausforderungen. Mal stimmen die Öffnungszeiten des Kindergartens nicht oder
Eltern brauchen Unterstützung, um die Kinder zur Musikschule oder zum Sport zu
bringen. Manchmal braucht es eine zusätzliche Hilfe bei den Hausaufgaben. All
das will organisiert werden, neben der Arbeit, vielleicht sogar im
Schichtdienst. Die Betreuung von Kindern und deren Freizeitgestaltung oder die
Pflege von Angehörigen mit dem eigenen Beruf zu vereinbaren, geht oft einher mit
Zeitkonflikten und Schwierigkeiten mit dem Anspruch, den Bedürfnissen aller
Familienmitglieder gerecht zu werden.
Familien leisten viel. Füreinander und für die Gesellschaft. Wir wollen, dass
ihnen dabei nicht die Puste ausgeht. Viele Unternehmen reagieren bereits mit
flexiblen Arbeitszeitangeboten oder mit besseren Möglichkeiten für Homeoffice
und Telearbeit. Es ist Aufgabe der Politik, dafür geeignete Rahmenbedingungen zu
setzen, welche auch den Arbeits- und Gesundheitsschutz beinhalten sowie dem
Risiko der Selbstausbeutung der betreffenden Beschäftigten entgegenwirken.
Hierzu sind die entsprechend beratenden und kontrollierenden Behörden und
Institutionen personell und technisch anforderungsgemäß auszustatten.
Für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie kann die Corona-Pandemie als
Augenöffner dienen. Menschen auf dem Land werden Home-Office Arbeitsplätze
stärker nutzen. Die notwendigen Rahmenbedingungen wollen wir schaffen. Thüringen
kann hier ein attraktiver Wohnort für junge Familien sein, wo KiTa-Plätze
verfügbar sind, Wohnraum günstig ist dazu gehört besonders die leistungsfähige
digitale Infrastruktur.
Frauen leisten im Durchschnitt immer noch fast doppelt so viel häusliche Arbeit
wie Männer. Phasenweise reduzieren sie für die Familie die Arbeitszeit und
arbeiten Teilzeit. Sie haben dadurch weniger Möglichkeiten, Rücklagen
aufzubauen, und häufig geringere Rentenansprüche. Frauen sind daher besonders
durch Altersarmut gefährdet. Dabei wollen viele später wieder länger arbeiten.
Für die Fachkräftesicherung ruht hier ein großes Potenzial. Wir wollen mit allen
Partner*innen dazu beitragen, die Vollzeitquote von Frauen in den kommenden
Jahren zu erhöhen und die dafür notwendigen Bedingungen in Thüringen zu
schaffen. Außerdem müssen wir als Gesellschaft diskutieren, welche Arbeit uns
wie viel wert ist. Die feministische Ökonomik birgt interessante Ansätze zur
Anerkennung und Vergütung von Reproduktionsarbeit, Ehrenamt und Hausarbeit. Wir
wollen diese Ansätze in BÜNDNISGRÜNE Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik mit
einfließen lassen.
Teilhabe und betrieblicher Gesundheitsschutz
Wir haben schon viel erreicht: Das Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ (LAT)
und die „Öffentlich geförderte Beschäftigung und gemeinwohlorientierte Arbeit“
(ÖGB) ermöglicht inzwischen vielen Thüringer*innen die Chance einer Teilhabe am
Erwerbsleben. Aber noch immer sind viele Menschen in Thüringen zu lange
arbeitsuchend. Angepasste Programme, zum Beispiel für junge Mütter, für ältere
Menschen, für Jobwechsler – gemeinsam mit Wirtschaft und Arbeitsagentur
entwickelt – sollen beim schnelleren (Wieder-)Einstieg helfen. Dies wollen wir
weiterentwickeln und fördern. Die regionale Vermittlung steht dabei im
Vordergrund. Für Langzeitarbeitslose und Arbeitsuchende mit multiplen Hemmnissen
werden wir Coachingprogramme ausbauen und zugleich die Angebote und Initiativen
des Bundes für Thüringen nutzen. Zusätzlich muss das Land bedarfsgerecht nach
aktuellen Arbeitsmarktentwicklungen mit Umschulungsmaßnahmen unterstützen.
Aktuell entfallen in Zulieferbetrieben der Automobilindustrie Arbeitsplätze.
Hier werden Potentiale frei, die in Mangelberufen wie der Pflege oder dem
Handwerk eingesetzt werden können. Die Diskussion über Modelle zum
Grundeinkommen werden wir konstruktiv und aufgeschlossen aktiv vorantreiben.
Arbeit darf nicht krank machen. Die Arbeitskraft der Menschen lange zu erhalten,
ist nicht nur für die Arbeitnehmer*innen wichtig, sondern liegt auch im
Interesse der Arbeitgeber*innen. Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsschutz
und zur Gesundheitsförderung, gerade für ältere Arbeitnehmer*innen, verdienen
bessere Förderung. Dazu rufen wir ein Unterstützungsprogramm für die
betriebliche Gesundheitsvorsorge ins Leben und schlagen die Gründung einer
Beratungsagentur für betriebliches Gesundheitsmanagement vor. Wesentlicher
Bestandteil des Gesundheitsschutzes ist der Schutz vor psychischer Belastung und
Erkrankung. Präventionsmaßnahmen stehen an erster Stelle. Dazu gehört auch eine
diskriminierungsfreie Arbeits- und Ausbildungswelt. Wir werden Fort- und
Weiterbildungen von Gleichstellungsbeauftragten fördern und bei der
Gleichstellungsbeauftragten des Landes eine unabhängige Stelle zur Vermeidung
sexueller Belästigung am Arbeitsplatz einrichten. Da sich das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz nur auf die Erwerbstätigkeit und das Privatrecht
beschränkt, wollen wir die Lücken im Bereich des öffentlichen Handelns, wie
bspw. im staatlichen Bildungswesen oder bei den Sicherheitsbehörden durch die
Schaffung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes schließen. So wollen wir den
Schutz vor Diskriminierungen jeglicher Erscheinungsform, egal ob aufgrund
rassistischer Zuschreibungen, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung,
des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität oder
des sozialen Status, verbessern und Chancengleichheit herstellen.
Änderungsanträge
- Ä1 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä2 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä3 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä4 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä5 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä6 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä7 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä8 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä9 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä10 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä11 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä12 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
- Ä13 (Andreas Hundertmark, Eingereicht)
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