Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 9. Sonstige Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz Jena 02. bis 04. Februar 2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
DRINGLICHKEITSANTRAG Was jetzt zu tun ist: 10 Punkte für eine stabile Demokratie in Thüringen
Beschlusstext
Als Reaktion auf die im Januar bekannt gewordenen Vertreibungs- und
Deportationspläne sind in ganz Deutschland in den vergangenen drei Wochen weit
über eine Million Menschen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die
Straße gegangen. Auch bei uns in Thüringen setzten auf Demonstrationen, etwa in
Erfurt, Jena, Weimar oder Gera, aber auch in kleineren Städten wie Suhl,
Nordhausen, Meiningen, Mühlhausen, Ilmenau oder Arnstadt Tausende Menschen ein
weithin sichtbares Zeichen für die Demokratie.
Die AfD ist eine konkrete Gefahr für Freiheit und Demokratie, eine akute
Bedrohung für Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Viele
Antifaschist*innen und Engagierte gegen rechts weißen seit Jahren auf diese
Gefahr hin. Der Thüringer Verfassungsschutz hat klar festgestellt: Der AfD-
Landesverband Thüringen ist erwiesen rechtsextrem und richtet sich gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung.
Bereits im vergangenen Jahr wurde in einer Analyse des Bundesverbands der
Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer
Gewalt e.V. deutlich, dass die Partei nicht nur konsequent einer völkischen
Ideologie zugrunde liegt, sondern auch die Gewaltbereitschaft von
Funktionär*innen der AfD gestiegen ist. Analog führt auch die rassistische Hetze
dazu, dass Übergriffe zunehmen und Menschen sich zu Gewalt aufgerufen fühlen
gegen jene, die nicht in ihr Weltbild passen. In dem Zusammenhang hat die
Opferberatungsstelle in Thüringen zuletzt einen massiven Anstieg
vorurteilsmotivierter Gewalt verzeichnet.
Das Institut für Menschenrechte hat im vergangenen Jahre bereits festgestellt,
dass die Grundlagen für ein Verbot aufgrund der Ausrichtung der Partei gegeben
sind, hier der Vorstellung eines Volkes als „geschlossene und homogene“ Einheit,
der Bedrohungsszenarien aufgrund der Religionszugehörigkeit, der Verweigerung
elementarer Rechtsgleichheit in Bezug auf zugeschriebene Abstammung sowie die
Bagatellisierung nationalsozialistischer Verbrechen. Eine gezielte
Diskursverschiebung, die Inszenierung als Widerstandsbewegung, die Vernetzung
mit weiteren Akteur*innen der extremen Rechten sind erkennbar und müssen auf ein
„planvolles Vorgehen“ schließen lassen.
Darauf müssen jetzt Konsequenzen folgen. Insbesondere ist jetzt eine gründliche
Vorbereitung eines AfD-Verbotsverfahrens zwingend notwendig.
Das Verfassungsgericht entscheidet über Verbot, frei von politischen Erwägungen.
Daher sollte ihm die Möglichkeit dazu zeitnah mit einem Antrag unterbreitet
werden.
Zugleich müssen die vorhandenen politischen und juristischen Instrumente
konsequent zur Anwendung kommen: Demokratieschützende Gesetze anwenden,
Schutzlücken schließen, gegen Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst vorgehen,
Geldhähne wo immer möglich abdrehen und die Zivilgesellschaft stärken.
Zehn Punkte sind dafür jetzt bis zum Ende der Wahlperiode entscheidend:
1. Landtag handlungsfähig machen
Um die Handlungsfähigkeit des Landtags nach der Wahl zu gewährleisten, braucht
es ein geregeltes Verfahren um die Wahl einer Präsidentin bzw. Präsidentin
sicherzustellen. Hierfür ist es notwendig die Geschäftsordnung so anzupassen,
dass beim Verfahren das freie Mandat der Abgeordneten in den Vordergrund rückt.
Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Leitung der konstituierenden
Landtagssitzung künftig der bzw. dem erfahrensten Abgeordneten zu übertragen.
2. Materialsammlung für Verbotsverfahren auf den Weg bringen / Empirische
Entscheidungsgrundlage
Entscheiden sich Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung für einen Antrag zu
einem Parteiverbotsverfahren oder zu einem Finanzierungsausschlussverfahren,
dann sollten sie auch auf umfangreiche und handfeste Beweise zurückgreifen
können. Gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern sollte Thüringen jetzt
quellenfreies wie auch quellenrelevantes Material zentral zusammenführen.
3. Geldhähne konsequent zudrehen
Um die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen, ist es wichtig die
AfD und ihre nahestehenden Vereine, wann immer rechtlich möglich, nicht weiter
mit öffentlichen Finanzmitteln zu unterstützen. Mit dem Stiftungsurteil hat das
Bundesverfassungsgericht dafür den Weg geebnet. Wir brauchen jetzt eine
Übersicht, welche öffentlichen Gelder die AfD und ihr nahestehenden
Organisationen von Land und Kommunen erhalten. Diese sind auf einen
Finanzierungsstopp hin zu überprüfen, wie z. B. bei der kommunalpolitischen
Vereinigung der AfD.
4. Verbot der AfD-Jugendorganisation in Thüringen prüfen
Einiges spricht dafür, dass die ‚Junge Alternative‘ Thüringen als Verein durch
den Innenminister verboten werden muss. Wichtig ist es jetzt, alle rechtlichen
Möglichkeiten der wehrhaften Demokratie auch konsequent auszuschöpfen und ein
Verbot der AfD-Jugendorganisation zeitnah zu prüfen. Die Jugendorganisation der
AfD steht der Partei in nichts nach. Vielmehr schiebt die ‚Junge Alternative‘
bundesweit die Radikalisierung der Partei geradezu an. Auch hier muss parallel
die Finanzierung in den Blick genommen werden.
5. Rechtsextreme aus dem öffentlichen Dienst entfernen,
Ungleichwertigkeitsideologien bekämpfen
Wir brauchen im öffentlichen Dienst jetzt eine Kultur des Hinschauens und
Handelns, die alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft. Mindestens wer eine
Rolle in der AfD oder in einer anderen rechtsextremen Partei übernimmt, hat in
der Landesverwaltung und den Kommunalverwaltungen nichts suchen. Hier sind die
Behörden in der Verantwortung, jetzt konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Insgesamt
braucht es agile Verwaltungen, die Ungleichwertigkeitsideologien keinen Raum
gibt. Hierzu braucht es entsprechende Weiterbildungen zur Sensibilisierung der
Mitarbeitenden.
6. Verfassungstreue von Kandidierenden sicherstellen
Wer nicht jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt,
ist etwa als Landrätin, Bürgermeister oder Beigeordnete nicht wählbar. Wichtig
ist es, dass die Verfassungstreue von Bewerber*innen für kommunale Wahlämter bei
den anstehenden Wahlen sorgfältig geprüft wird, auch um einen Wahlrechtsverstoß
zu vermeiden. Wichtig ist daher, dass die Wahlleiter*innen den neu entwickelten
Handlungsleitfaden dazu konsequent umsetzen und zugleich die jeweilige
Kommunalaufsicht für die Wahlen in die Lage versetzt wird, hier umfassend zu
unterstützen.
7. Weiterentwicklung und Ausbau des Netzwerkes „Schule ohne Rassismus - Schule
mit Courage“
Wir wollen die Wirksamkeit des Netzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit
Courage“ weiter verbessern, durch eine konzeptionelle Weiterentwicklung. Zudem
wollen wir das Projekt auf mehr Schulen ausweiten und die Finanzierung
langjährig sichern. In dem Zusammenhang wollen wir die „Nachhaltigkeitsschulen“
einbeziehen. Das NDC wollen wir einen sicheren und größeren finanziellen Rahmen
bieten, um eine weitere Anzahl an Schulen abdecken zu können. Zeitgemäße
Lernkultur wie „Lernen durch Engagement“ sollen ausgebaut und weiter gefördert
werden. Auch kann modellhaft ausprobiert werden, wie perspektivisch
flächendeckend die Mitbestimmung und Demokratiebildung gestärkt werden kann.
Denn Demokratie muss gelernt werden und Ungleichwertigkeitsideologie muss
bereits in der Schule begegnet werden!
8. Stärkung von migrantischen Selbstorganisationen, Diversitätsmanagement und
Landesausländer*innenbehörde
Unter aktuellen Gesichtspunkten ist es von hoher Bedeutung die migrantischen
Selbstorganisationen zu stärken und deren Arbeit dauerhaft abzusichern. In dem
Zusammenhang kann auch der interkulturelle Austausch gestärkt werden. Daneben
gehört zu Repräsentation auch die im öffentlichen Dienst, insbesondere in
Führungsfunktionen. Hierfür braucht es wirksames Diversitätsmanagement in der
Landesverwaltung und den Kommunen. Es braucht eine Willkommenskultur, die
Menschen hilft Hürden aus dem Weg zu räumen, statt ihnen von Anfang an mit
Ablehnung zu Begegnen. Zentral dafür ist auch die Schaffung einer
Landesausländer*innenbehörde, die insbesondere für Familiennachzug und
Aufnahmeprogramme zuständig sind, damit Geflüchtete in Thüringen gut ankommen
können.
9. Wirksame Antidiskriminierung
Um einen respektvolles Umfeld für alle in Thüringen, unabhängig von Herkunft
oder Identität, zu gewährleisten müssen ein wirksame Maßnahmen gegen
Diskriminierung implementiert werden. Die Empfehlungen der Enquete Rassismus
haben dafür konsequent umgesetzt zu werden. Es braucht erreichbare AGG-
Beratungsstellen, die effektiven Rechtsschutz für Betroffene ermöglichen, Daten
zu Diskriminierung bereitstellen und mit Einrichtungen oder Unternehmen
entsprechende Vorkehrungen entwickeln können, um Diskriminierung zu vermeiden.
Im dem Zusammenhang wollen wir prüfen, wie Schutzlücken des AGG auf Landesebene
geschlossen werden, beispielsweise wie im Hochschulgesetz bereits geschehen. Für
die Kommunalverwaltungen braucht es einen Rahmen, um Diskriminierung zu
bekämpfen, Mitarbeitende in interkultureller Kompetenz fortzubilden und
Beschwerdemanagement einzurichten.
10. Kommunalen Kontrollmechanismus entwickeln
Um Freiheit und Demokratie auf der kommunalen Ebene bei rechtsextremen
Mehrheiten in den Kommunalparlamenten bzw. bei rechtsextremen
Bürgermeister*innen und Landrät*innen strukturell zu sichern, brauchen wir einen
Kontrollmechanismus für die kommunale Ebene und im Landesverwaltungsamt mit dem
Ziel, hierbei die vorhandenen präventiven und repressiven aufsichtsrechtlichen
Aufsichtsmittel effektiv und koordiniert anzuwenden. Ein Augenmerk soll dabei
insbesondere auf die korrekte Handhabung des Verwaltungsermessens liegen.