Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02. - 04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 04.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
C. Freiheit schützen – Vielfalt leben: 9. Wir treten Rechtsextremismus entschlossen entgegen
Text
Wir treten Rechtsextremismus entschlossen
entgegen
Ungleichwertigkeitsideologien bedrohen unsere Demokratie. Insbesondere die
Ausprägungen des Rechtsextremismus in Thüringen sind vielfältig und
facettenreich. Neonazis treffen sich bei Rechts-Rock-Konzerten, Liederabenden,
in Sportgruppen, Ladengeschäften, unter Reichsbürger*innen oder auf
verschwörungsideologischen Versammlungen. Völkische Bewegungen tauchen
vielerorts in unserem Freistaat auf und versuchen gezielt die strukturellen
Schwächen mancher Regionen zu nutzen, um mögliche „Siedlungen“ auszubauen. Nicht
nur die ländlichen Regionen stehen im Fokus rechter Strukturen, und es ist
unsere Pflicht, keinen Ort mit dieser Problematik allein zu lassen. Die rechte
Diskursverschiebung und lokale Kampagnen führen dazu, dass marginalisierte
Menschen im Freistaat bedroht werden. Es ist unsere Aufgabe, dass Betroffene
wirksam vor Gewalt geschützt und Vorstellungen von Ungleichwertigkeit abgebaut
werden.
Die Gefahr von rechts für unsere Demokratie ist stets da, in Beleidigungen,
Körperverletzungen und Morden, in Bestrebungen, ihre menschenfeindliche
Ideologie zu verbreiten. Der NSU-Komplex lehrt uns, was passiert, wenn
menschenverachtende Einstellungen normalisiert werden und rechte Strukturen
inkonsequent bekämpft werden.
Auch aus diesem Grund bleiben wir dabei klar und entschlossen und schließen auch
in Zukunft jegliche Formen einer Zusammenarbeit mit der AfD aus. Sie ist der
verlängerte Arm vieler Rechtsextremer und ihre Ideologie werden wir auch in
Zukunft nicht unwidersprochen hinnehmen.
Kernziele:
- Strategie gegen extreme Rechte, Reichsbürger*innen und
verschwörungsideologische Strukturen mit Unterbindung von ungemeldeten
Konzertgeschehen oder Versammlungslagen, Vorkaufsrechte gegen Immobilien
und völkische Landnahme und konsequente Strafverfolgung
- Ausbau von Präventions- und Demokratieförderprogrammen sowie gezielte
Unterstützung antifaschistischer Arbeit
- Weitere Aufarbeitung des NSU, Aufbau von Gedenkort und Archiv
Konsequente Maßnahmen gegen extreme Rechte
Die extreme Rechte konnte sich über Jahrzehnte in Thüringen fest verankern und
ihre Strukturen ausbauen. Dies hat zur Folge, dass etwa 20 Prozent der
rechtsextremen Straftaten deutschlandweit in Thüringen verübt werden, obwohl
Thüringen nur 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung hat. Rechte Immobilien, in denen
regelmäßige Konzertveranstaltungen stattfinden und wo häufig der florierende
Versandhandel der extremen Rechten angesiedelt sind, sorgen für nicht
unerhebliche finanzielle Einnahmen, die zum Teil wieder in die rechte Szene
zurückfließen. Damit werden Lebensunterhalt, Gerichtskosten, weitere Immobilien
und im Zweifel auch Waffen finanziert. Strafverfolgungsbehörden müssen die
Strategien der extremen Rechten durchschauen und konsequent verfolgen. Die Szene
der Verschwörungstheoretiker*innen, die über Jahre regelmäßig für
Unsicherheitsräume mit Versammlungen in Thüringer Innenstädten sorgte, vernetzt
sich mit sogenannten Reichsbürgern oder extrem rechten Parteien. Aus dieser
Vernetzung der Thüringer Szene der extremen Rechten, Reichsbürgern und
Verschwörungsideologen und rechten Parteien entsteht ein Gefahrenpotenzial für
die Demokratie ganz konkret für Menschen, den Zusammenhalt der Gesellschaft oder
die Kommunalverwaltungen und Mandatsträger. Dem werden wir geschlossen
entgegenstehen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Diskriminierung durch Rassismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit,
Frauenfeindlichkeit und jede weitere Ideologie der Ungleichwertigkeit
sichtbar machen und bekämpfen
- Ausbau von Präventions- und Demokratieförderprogrammen, wie dem
Landesprogramm für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz, mit
verlässlicher Finanzierung und mehrjähriger Förderung sowie langfristige
Sicherung der Forschungs- und Beratungsstrukturen gegen Rechtsextremismus
in Thüringen
- Unterstützung antifaschistischer Arbeit, Projekte gegen die extreme
Rechte, Aufklärung über Nazis und derer Symbolik
- Klares Vorgehen gehen Kampfsportveranstaltungen und Wehrsportübungen der
rechten Szene
- Unterstützung bei der Ausübung von kommunalen Vorkaufsrechten und
ganzheitliche Strategie bei rechten Immobilien und völkischer Landnahme
- Monitoring rechter Musikveranstaltungen, Unterbindung von unangemeldeten
Konzertveranstaltungen sowie verstärkte Finanzermittlungen
- Unterstützung des Landesverwaltungsamtes und der Kommunen,
waffenrechtliche Verfahren anzustrengen und entsprechende
Gefährdungsanalysen zu erstellen
- Verbesserung der Erfassung von rechter Gewalt, Vorurteilskriminalität und
Dunkelfeldforschung (siehe Kapitel Justiz)
- Erforschung der Verbreitung von Ungleichwertigkeitsideologien in
Sicherheitsbehörden und anlassbezogen konsequente dienstrechtliche
Verfahren
- Aufbau und Absicherung der Strukturen zur Dokumentation antisemitischer
sowie antiziganistischer Vorfälle (siehe Kapitel Antidiskriminierung)
- Vorgehen gegen extrem rechte Parteien, insbesondere der AfD Thüringen, mit
dem Instrumentenkasten eines Rechtsstaats, beispielsweise mit Blick auf
die Gewährleistung der sogenannten Verfassungstreue im öffentlichen
Dienst, die Entwaffnung sowie der Finanzierung von Vorfeldorganisationen
- Effektive Bleiberechtsregelung für Opfer von rechter und rassistischer
Gewalt
- Demokratische Fankultur und selbstorganisierte Fanprojekte stärken, unter
anderem durch Weiterbildungs- und Beratungsangebote, Dialoge, Beratung und
Vernetzung
Aufarbeitung des NSU und rechter Gewalt
Der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund konnte jahrelang eine
rassistische Mordserie in Deutschland begehen. Das Kerntrio der
rechtsterroristischen Gruppierung stammt aus Thüringen und wurde hier
sozialisiert. Das unzureichende Vorgehen der Thüringer Behörden ermöglichte das
Abtauchen in den Untergrund. Trotz einer zweistelligen Anzahl an
Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern bleiben weiter Fragen offen. Der
NSU-Komplex lehrt uns, was passiert, wenn menschenverachtende Einstellungen
normalisiert werden und rechte Strukturen inkonsequent bekämpft werden. Als
Freistaat tragen wir eine besondere Verantwortung die Aufklärung weiter
voranzutreiben. Darüber hinaus braucht es eine grundlegende Aufarbeitung rechter
Gewalt und Terrors mit seinen historischen Bezügen in Bundesrepublik und DDR. Es
darf keinen Schlussstrich geben!
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Beteiligung an weiterer Aufklärungsarbeit zum NSU, insbesondere zur
Opferauswahl, in Zusammenarbeit mit anderen Ländern und Verfolgung neuer
Hinweise
- Aufbau eines NSU-Archivs in Thüringen mit dem Aktenbestand der
Untersuchungsausschüsse 5/1 und 6/1 sowie Zugänglichmachung der Akten für
Wissenschaft, Journalist*innen,Privatpersonen und Begleitforschung
- Beteiligung an dem Bundesarchiv „Rechte Gewalt in der Bundesrepublik und
in der DDR“ mit digitaler Bereitstellung aller relevanten Unterlagen durch
die Thüringer Innen- und Justizbehörden sowie Forschung zur Entwicklung
rechter Gewalt
- Umsetzung des Gedenkortes an die Opfer der rassistischen Mordserie auf dem
Erfurter Beethovenplatz und Einbindung in Bildungs- und Gedenkarbeit