Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02. - 04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 04.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
C. Freiheit schützen – Vielfalt leben: 11. Wir stärken Medien und Digitalisierung für eine vernetzte Zukunft
Text
Wir stärken Medien und Digitalisierung für eine
vernetzte Zukunft
Die Zukunft ist digital. Doch auch unser jetziges Leben wird bereits in großen
Teilen von digitalen Räumen und digitalen Prozessen beeinflusst. In sämtlichen
Lebensbereichen erleben wir aktuell rasante technologische Entwicklungen.
Deshalb sehen wir in der Digitalisierung eine große Chance für den Freistaat
Thüringen, seine Bürger*innen und seine Wirtschaft. Als eine unserer
Hauptaufgaben sehen wir die sich entwickelnde digitale Gesellschaft zu
gestalten.
Doch die Digitalisierung kommt in Thüringen nur sehr schleppend voran, auch wenn
Projekte wie die Onlinewache und andere OZG-Umsetzungen (z.B. ThAVEL) bereits
erfolgreich genutzt werden. Oftmals aber scheitern Entscheidungen am
Kompetenzgerangel oder verkrusteten staatlichen Strukturen – und stellen sich
noch dazu als kommunaler Flickenteppich dar. Um in der digitalen Welt
handlungsfähig zu bleiben, müssen wir unseren Blick deshalb weg von vereinzelten
Leuchtturmprojekten hin zu grundsätzlichen Infrastruktur- bzw.
Querschnittsthemen richten, welche handlungsleitend für alle Wirkungsbereiche
sind.
Auch die Medien sind in unserer schnelllebigen digitalen Gesellschaft von großer
Bedeutung. Sie gewährleisten den Zugang zu verlässlichen Informationen, Analysen
und Hintergrundinformationen. Damit sind sie ein wichtiger Anker gegen Fake News
und rechte Hetze. Gleichzeitig steht Thüringens Medienlandschaft vor großen
Herausforderungen. Wir möchten eine vielfältige regionale Medienlandschaft
stärken und Journalist*innen besser vor Angriffen schützen.
Kernziele:
- Eigenständiges Digitalministerium zur Bündelung von Kompetenzen im Bereich
Beratung, Entwicklung und Betrieb
- Landeseinheitliche Digital-, Schnittstellen- und Datenmanagementstrategie
- IT-Sicherheit koordiniert stärken
- Eine zeitgemäße digitale Verwaltung entwickeln
- Transparenz durch quelloffenen Code sowie für alle verfügbare Daten
- Netzausbau für Glasfaser beschleunigen
- Innovation in Journalismusmodellen voranbringen und Bürgermedien stärken
Mehr Haushalte mit mehr Bandbreite: Breitbandausbau und
Recht auf Konnektivität
Digitale Teilhabe beginnt mit einem uneingeschränkten Zugang zum Internet. Der
Netzausbau ist für uns eine Grundvoraussetzung und muss deshalb sowohl
quantitativ als auch qualitativ ausgeweitet werden. Eine ausreichende
Netzabdeckung, genügend Up- und Download-Geschwindigkeit sowie niedrige Latenzen
müssen gewährleistet werden. Auch muss es selbstverständlich sein, dass bei Ein-
und Umzügen die Internet-Konnektivität ähnlich schnell hergestellt werden kann
wie Anschlüsse für Strom und Wasser. Das stärkt am Ende auch den
Wirtschaftsstandort Thüringen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Einen schleunigst verbesserten Netzausbau (Glasfaser, 5G) in Thüringen,
indem weiße und graue Flecken geschlossen werden
- Unterstützung von Kommunen und Landkreisen bei der Planung mittels
Landeskoordinierung und Förderung
- Evaluierung von Ausbaukonzepten wie etwa Verlegung in niedriger Tiefe oder
das Nutzen von Leerrohren
- Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen wie FreiFunk und Netze für
das „Internet der Dinge“
Zentrale Zuständigkeiten für Digitalisierungsprozesse
Unser Ziel ist es, in Thüringen die Weiterentwicklung einer digitalen
Gesellschaft zu forcieren. Dies erfordert ein Umdenken in vielen Bereichen wie
beispielsweise im Schulwesen, in Behörden und Verwaltungen, in den Kommunen
sowie in Wirtschaftsunternehmen. Statt Bedenken und Ablehnung wünschen wir uns
hierbei von den bestehenden, handelnden Strukturen zukünftig mehr Engagement und
Mut bei diesem Prozess. Bisher sind viele Entscheidungen zu diesem Thema im
Kompetenzgerangel verschiedener Zuständigkeiten untergegangen. Wir werden der
Digitalisierung in Thüringen deshalb endlich eine Handlungsfähigkeit geben und
ihr Potenzial entfalten.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Bündelung von Digitalisierung und IT-Management in den Entscheidungsebenen
und in der Landesregierung nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein
- Zusammenfassung der gesamten IT-Finanzen, aller IT-Anschaffungen, des IT-
Projektmanagements, Change-Managements und Controlling sowie
Grundsatzfragen und E-Government zu einem Ministerium
- Schaffung eines dazugehörigen Digitalisierungsausschusses
- Aufstellen einer landeseinheitlichen Digitalstrategie statt vereinzelter
Pilotprojekte
- Thüringer Landesrechenzentrum stärken, dabei auf technische und politische
Transparenz achten
- Staatsziel Digitalisierung nach Best Practice anderer Bundesländer oder
Staaten
- IT-Sicherheit verankern, durch einheitliche Maßnahmen sowie
Förderung/Anstellung von Fachkräften
- Landesweites Datenmanagementgesetz zur Einheitlichkeit und einfacheren
Auswertbarkeit von Daten sowie Digitalisierung in Thüringen
Echte Digitale Verwaltung & E-Government
Die Bürger*innen Thüringens kommen mit “dem Staat” am ehesten über die
Verwaltung in Berührung. Umso wichtiger ist es, dass die Verwaltung unseres
Freistaats und der Kommunen zeitgemäß funktioniert. Nur auf diesem Weg kann das
Vertrauen in den Staat aufrechterhalten werden.
Um den Anforderungen gerecht zu werden, ist ein ständiger Modernisierungsprozess
notwendig. Für diesen Prozess dürfen nicht lediglich bisherige
Verwaltungsabläufe mit digitalen Mitteln abgebildet werden. Es erfordert einen
Ausbruch aus den starren Verwaltungsabläufen hin zu neu gedachten, angepassten
Prozessen. Unser Ziel: eine agile, moderne und tatsächlich digitalisierte
Verwaltung. Zeitgleich braucht es Offensiven, für diese Anforderungen geeignetes
Personal aus- und weiterzubilden sowie einzustellen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Begreifen und Aufstellung der Verwaltung als Dienstleistung
- Schaffung einer agilen Verwaltung und gesunden Fehlerkultur mit
Feedbackschleifen
- Anpassung ungeeigneter Personal- und Organisationsstrukturen der
Öffentlichen Verwaltung an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
- Stärkere Nutzung von Automatisierungspotenzialen
- Grundlegende Programmierkenntnisse, Projektmanagement, dazugehöriges
Controlling verpflichtend in Verwaltungsapparat etablieren, zum Kriterium
bei der Beurteilung in der Thüringer Beamtenlaufbahn etablieren
- Aus- und Weiterbildungen benötigen entsprechende digitale und
verwaltungsstrukturelle Schwerpunkte
- Front-Office (Beratung von Verwaltung für Bürger*innen) und Back-Office
(Hintergrundarbeiten an Verwaltungsprozessen, für Bürger*innen
unsichtbar) Strukturen in der Verwaltung etablieren
- Unterstützung der Bürger*innen bei digitalisierter Antragstellung,
beispielsweise durch Begleitung im Front-Office oder Bereitstellung von
nicht-digitalen Angeboten
- Flächendeckende Einführung der digitalen Aktenführung z.B. durch e-Akte
- Auf Bundesebene anregen, Hindernisse der Digitalisierung in Bundesgesetzen
abzubauen (z.B. Schriftformerfordernis, Einscannen von Ausweisen, eID, …)
Digitale Bildung und Weiterbildung
Wir finden: Thüringen benötigt eine Weiterbildungsoffensive. Nur so können die
vielfach angeschafften digitalen Lösungen auch zum Einsatz kommen. Der digitale
Schub aus Pandemie-Zeiten muss als Chance verstanden und weiterhin genutzt
werden. Hiervon profitieren am Ende Schulen, Betriebe, Verwaltungen sowie
Unternehmer*innen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Weitere Förderung der Medien- und Digitalkompetenz in der
Erwachsenenbildung, um auf veränderte Anforderungen im beruflichen Alltag
vorzubereiten
- Hochwertige Lernangebote im Zusammenspiel mit wissenschaftlicher Expertise
fördern, wie z.B. das Spawn-Point Institut
- Digitale Lernmöglichkeiten in Schulen sozial gerecht stärken und als
selbstverständlichen Bestandteil der Unterrichtsgestaltung etablieren
- Lehrer*innenbildung für Digitales stärken (siehe Kapitel Schule)
- Ausbau der Angebote für Medienbildung und Informatik auch in Grundschulen
- Stärkung der Kommunen als Schulträger bei der Digitalisierung, unter
anderem durch Weiterentwicklung der kommunalen Medienzentren zu
leistungsfähigen IT-Dienstleistern für den Schulbereich, finanzielle
Unterstützung bei Einstellung gut qualifizierter IT-Mitarbeiter*innen
sowie bei Beschaffung und Betrieb der notwendigen Hard- und Software
- Stärkung der landespolitischen Verantwortung in der Digitalisierung der
Schulen (siehe Kapitel Schule)
Digitale Teilhabe, Barrierefreiheit und Transparenz
In unserer zunehmend digitalisierten Welt spielen die Themen Barrierefreiheit,
Transparenz und digitale Teilhabe eine zentrale Rolle. Diese Aspekte sind von
entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass alle Bürger*innen
uneingeschränkten Zugang zu Informationen und Dienstleistungen haben. In
Thüringen hat das Transparenzgesetz bereits eine Vorreiterrolle eingenommen.
Dennoch besteht weiteres großes Potenzial, um diese Prinzipien in der Praxis
effektiv umzusetzen.
In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um die Freigabe von Informationen, die
durch öffentliche Gelder gewonnen wurden – sondern auch um die Förderung von
Open-Source-Lösungen und die Gewährleistung von Datenschutz. Ebenso spielt die
Barrierefreiheit in der digitalen Landschaft eine zentrale Rolle. Ziel für uns
ist es, die Chancen der Digitalisierung für alle Bürger*innen zugänglich zu
machen und innovative Lösungen zu fördern.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Eine bessere Nutzung der Potenziale des Thüringer Transparenzgesetzes
- Transparenzbeauftragte in den Kommunen und Verwaltungen schaffen,
angelehnt an Datenschutzbeauftragte
- Alle Informationen, die mit öffentlichen Geldern durch staatliche Stellen,
Forschungseinrichtungen oder private Unternehmen gewonnen wurden, der
Allgemeinheit grundsätzlich frei und kostenlos zur Verfügung stellen
- Veröffentlichung der von öffentlichen Stellen beauftragten Software unter
quelloffener Softwarelizenz: public money, public code!
- Alle digitalen Angebot der öffentlichen Verwaltungen Thüringens müssen
entsprechend der Verordnung zur Schaffung barrierefreier
Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV 2.0)
barrierefrei sein
- Schnittstellen- und Open-Data-Strategie entwickeln
Resilienz und Nachhaltigkeit in der Digitalisierung
Auch im Bereich neuer Digitaltechnologien setzen wir uns für eine nachhaltige
Ressourcennutzung ein. Nachhaltigkeit sehen wir dabei eng verknüpft mit
digitaler Resilienz. Dies beschreibt den Zustand, die Kontrolle über die eigene
Soft- und Hardware zu haben und zu behalten. Open-Source-Lösungen erhöhen
hierbei die Nachnutzbarkeit, die Nachvollziehbarkeit sowie den Datenschutz.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Aufnahme und Bezifferung von Nachhaltigkeit als Kriterium in
Vergabeprozessen (Green IT)
- Investition in Forschung und Wissenschaft und technologische Möglichkeiten
ausschöpfen, um Nachhaltigkeit von Digitalisierung weiterzuentwickeln
- Verstärkter Einsatz von Open-Source-Lösungen (freie, quelloffene Software)
mit eigenem Landesförderprogramm unterstützen
Digitale Wirtschaft und Innovationsräume
Wirtschaftliche Akteur*innen profitieren genauso wie Bürger*innen von einer
transparenten und agilen Verwaltungsstruktur. Insbesondere die Nutzung
öffentlicher Daten auch zu kommerziellen Zwecken kann Entwicklungen
beschleunigen, wovon alle Bürger*innen profitieren können. Die digitale Welt
lebt von Innovationsräumen sowie von Menschen, die Ideen entwickeln, Neues
erproben und dabei auch einmal Fehler machen. Start-ups sind hierbei die
Innovationsmotoren der Digitalbranche. Sie funktionieren nicht nach den
bisherigen üblichen Schemata, sondern können auf das Prinzip von Trial-and-Error
(Versuch und Irrtum) ausgelegt sein. So wird nicht jedes Start-up am Ende
marktfertig oder kann sich am Markt durchsetzen. Dennoch schlagen sich die
Erfahrungen aus jedem einzelnen Projekt in der Gesellschaft nieder. Daher wollen
wir Start-ups gezielt unterstützen, um die Innovationsfähigkeit im Land weiter
voranzubringen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Unterstützung von Start-ups der Digitalbranche durch gezielte
Förderprogramme und Beratungsnetzwerke (siehe Kapitel Wirtschaft)
- Stärkung insbesondere von Start-ups, die durch Digitalisierung Teilhabe
für marginalisierte Gruppen erhöhen wollen (z.B. Gründer*innen im Tech-
Bereich, Vielsprachigkeit im digitalen Raum, Barrierefreiheit im Sinne
aller denkbaren Barrieren)
- Begleitung und Förderung von Innovationsräumen (z.B. Hackerspaces, Co-
Working-Orte, Makerfairs) insbesondere im ländlichen Raum
- Gezielte Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie
Handwerksbetrieben bei Digitalisierung
Medien: Vielfältig, seriös, gesichert
Pressefreiheit ist ein Grundrecht. Zugleich ist sie für die Meinungs- und
Willensbildung der Bürger*innen eine stimulierende und orientierende Kraft,
während sie das politische System kontrolliert und gleichzeitig zu Transparenz
und Anpassung nötigt. Eine Demokratie ohne Pressefreiheit und unabhängige Medien
ist unvorstellbar. Der Qualitätsjournalismus sieht sich gegenwärtig erheblichem
Veränderungsdruck ausgesetzt, vor allem mit Blick auf die anstehende
Digitalisierung.Derzeit fehlen im Journalismus jedoch innovative Digitalprojekte
und Neugründungen, sowohl in Thüringen als auch bundesweit. Durch einen
transformativen Forschungsansatz, wollen wir solche Innovationsprojekte während
ihrer Entstehung unterstützen. Besonders macht uns in diesem Zusammenhang die
schrumpfende Presse- und Medienvielfalt in Thüringen Sorgen. Die latente Gefahr,
dass durch Zusammenlegungen und Zentralredaktionen weitestgehend identische
Inhalte verbreitet werden, macht sich immer stärker bemerkbar. Für uns nehmen
die Bürgermedien in Thüringen eine besondere Stellung ein, wenn es darum geht
Medien- und Meinungsvielfalt zu erhalten und Wirksamkeitserfahrung bei
Bürger*innen zu ermöglichen.
Insgesamt wollen wir die Medienförderung nicht nur rein wirtschaftlich
aufstellen, sondern auch den Erhalt und den Ausbau von Medienfreiheit und
Medienvielfalt in den Fokus nehmen.
Populistische Stimmungsmache und Angriffe von rechter Seite setzen die
Pressefreiheit in Thüringen zusätzlich unter Druck. Hierauf haben wir eine
Antwort: Wir solidarisieren uns mit allen kritischen Journalist*innen, die
Hassbotschaften, Ressentiments und Verschwörungstheorien konfrontiert sind.
Wir stehen klar zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auch zum
Rundfunkbeitrag. Wir finden: Seriöse Informationen und kulturell anspruchsvolle
Inhalte werden in einer zunehmend fragmentierten Medienwelt mehr denn je
gebraucht. Wir unterstützen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk darin, noch
klarer als bisher Prioritäten zu setzen: gegen Quotendenken, für Qualität,
Kreativität und Zuverlässigkeit.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insbesondere mit Blick auf die
Besetzungsverfahren und Zusammensetzung von Rundfunkräten und deren
Professionalisierung, die Transparenz der Gremien, sowie die Deckelung der
Intendant*innengehälter
- Förderung und Stabilisierung der privaten lokalen Fernsehsender im Rahmen
des Aktionsplans Lokal-TV
- Förderung von lokal- und investigativem Journalismus
- Vielfaltsförderung auch für neue Formate (z.B. digitale Plattformen, die
Inhalte mehrerer Verlage anbieten)
- Förderung von Bürgermedien in Stadt und Land durch zusätzliche
Finanzmittel und professionelle Begleitung der Digitalisierung
- Förderung von Film & Produktionswirtschaft (Kreativwirtschaft)
- Förderung einer Transformative Forschung für den digitalen Journalismus
- Errichtung eines Kompetenzzentrums als Labor-, Erprobungs- und
Transferstelle innovativer Journalismusmodelle