Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02. - 04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 04.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
A. Umwelt bewahren – nachhaltiges Wirtschaften 10. Wir stellen Landwirtschaft regional und nachhaltig auf
Text
Wir stellen Landwirtschaft regional und
nachhaltig auf
Landwirtschaft und Naturschutz müssen aus unserer Sicht Hand in Hand gehen. Wir
stehen für eine Landwirtschaft, von der Landwirt*innen gut leben können, die im
Einklang mit dem Naturschutz und artgerechter Tierhaltung auch für die nächsten
Generationen noch Attraktivität und Sicherheit bietet.
Denn der Landbau versorgt uns mit der leckeren, frischen Tomate im Salat, dem
Kohl im Eintopf und der Kartoffel, aus der wir sonntags dampfende Klöße formen.
Diese Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten, die wir in Thüringen produzieren,
können wir nur erhalten, wenn wir nachhaltig mit unseren Böden und Gewässern
umgehen. Deshalb wollen wir die Bewirtschaftung stärken, welche den Boden
schützt und den Eintrag von Schadstoffen kontinuierlich verringert. Es ist uns
ein Herzensanliegen, den Stellenwert von Landwirt*innen und ihrer Produkte zu
erhöhen und sie weitaus angemessener für ihre wichtigen gesellschaftlichen
Leistungen zu vergüten.
Nicht nur für uns Menschen sind landwirtschaftliche Flächen besonders und
wichtig. Sie bieten auch unzähligen Tierarten wie Vögeln, Kleinsäugern und
Insekten einen Lebensraum, den wir erhalten müssen. Landwirt*innen wollen wir
auf diesem Weg dabei unterstützen, naturverträglicher zu wirtschaften.
Da wir Menschen immer mehr Platz einnehmen, geraten wir auch in der
Landwirtschaft in Flächenkonflikte. Und damit unsere Kinder und Kindeskinder
auch noch intakte Felder erleben können, müssen auch die Höfe Nachfolger*innen
finden und landwirtschaftliche Flächen langfristig als solche gesichert werden.
Um den Ausverkauf der Landwirtschaft zu verhindern, machen wir uns daher auch
für ein Agrarstrukturgesetz stark.
Doch Landwirtschaft besteht nicht nur aus Obst, Gemüse, Feldfrüchten und
Lebensräumen – sie umfasst auch die Tierhaltung. Für uns gilt, dass alle Tiere
artgerecht gehalten werden müssen, auch in der Landwirtschaft. Qualzuchten in
der Nutztierhaltung lehnen wir ab. Wir setzen uns dafür ein, dass Tiere keine
unnötigen Medikamente und Antibiotika verabreicht bekommen, genügend Platz haben
und ihnen der Weidegang ermöglicht wird.
Kernziele:
- Natur- und Artenschutz in den Landwirtschaften stärken und mehr
Lebensräume schaffen
- Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln reduzieren
- Landwirtschaftsförderung stärker auf Gemeinwohlleistungen wie Natur- und
Bodenschutz ausrichten
- Sicherung der Hofnachfolge
- Vorrang für gemeinwohlorientierte Betriebe bei Zugang zu
landwirtschaftlichen Flächen
- Beendigung der industriellen Massentierhaltung und Reduktion der
ressourcenintensiver Fleischproduktion
- Regionale Produzent*innen und Vermarktung ihrer Produkte stärken
- Öko-Landbau fördern und als Leitbild etablieren
Ausbau des Thüringer Öko-Landbaus
Öko-Landbau schont den Boden, bietet bessere Haltungsbedingungen für Tiere und
reduziert den Schadstoffeintrag in Boden und Gewässer. Er schont Ressourcen,
minimiert unseren ökologischen Fußabdruck und schützt die Biodiversität in hohem
Maße. Unser Ziel ist es, den Öko-Landbau in Thüringen noch stärker zu
etablieren. Aktuell befindet sich der ökologische Landbau in Thüringen im
Aufwind.
Dies ist eine wichtige Entwicklung, für die wir in Thüringen jedoch noch
deutliches Ausbaupotenzial sehen. Denn für uns ist die Stärkung des ökologischen
Landbaus eine essenzielle Antwort auf die aktuellen Herausforderungen in der
Landwirtschaft.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Eine Erhöhung des Ökoflächenanteils bis 2030 auf 25 Prozent Anbaufläche in
Thüringen
- Anhebung der Flächenprämie für Ökoumstellbetriebe und Ausbau der
Umstellberatung
- Bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugte Berücksichtigung
gemeinwohlorientierter und bestenfalls ökologisch wirtschaftender Betriebe
- Ausbau der „ÖkoInvest“-Förderung
- Existenzgründung von Biobetrieben stärker fördern und Bio-
Junglandwirt*innen stärker unterstützen
- Stärkere Förderung der Vermarktung und Verarbeitung von Thüringer Bio-
Spezialitäten
- Landeseigenes Lehr-, Prüf- und Versuchsgut Buttelstädt durch Themen der
ökologischen Landwirtschaft erweitern
- Themen der ökologischen Landwirtschaft in der Ausbildung von
Landwirt*innen, Tierwirt*innen und Gärtner*innen und Hochschulen ausbauen
- Landwirtschaftliche Subventionen stärker auf Maßnahmen zum Boden-, Umwelt-
, Natur und Artenschutz ausrichten
Äcker als Lebensraum stärken
Landwirtschaftliche Flächen sind nicht nur zur Bewirtschaftung da. Sie dienen
darüber hinaus auch als Lebensräume für zahlreiche Arten. Wir werden deshalb auf
Landesebene darauf hinarbeiten, die Nutzung von Pestiziden so weit wie möglich
einzudämmen.
Denn wir wollen nicht nur den Lebensraum von Insekten erhalten, sondern ihn
sogar vergrößern. Dieser beschränkt sich dabei nicht nur auf Felder, sondern
umfasst auch Hecken, Streuobstwiesen und Saumstrukturen an Feldrändern.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Erarbeitung einer Thüringer Totalherbizid-Reduzierungs-Strategie
- Unterstützung der Bäuer*innen und Betriebe beim Aufbau und Umsetzung von
Pestizidreduktionsplänen
- Erarbeiten eines Insektenschutz-Sofortprogramms gegen den dramatischen
Verlust an Insekten
- Anlage und Erhalt von Habitaten für Insekten, Kleinsäuger und Vögel sowie
Neuanpflanzung und Pflege von Bäumen auf Weiden zum neuen Standard machen
und entsprechend fördern
- Auflegen eines „Heckenprogramms“ zur Förderung der Planung, Pflanzung,
Pflege und Eigentümerentschädigung bei der Neupflanzung von Hecken, um
Vögeln, Kleinsäugern und Beutegreifern mehr Lebensräume zu schaffen
- Förderprogramm zur Biotopvernetzung und Landschaftsgestaltung (z.B.:
Agroforst oder auch Reaktivierung ehemaliger Wege) für Kommunen
- gemeinsam mit Landwirt*innen praktikable und umweltverträgliche Lösungen
für Schädlingspopulationen finden
- Ablehnung des Einsatzes von Giftködern und Festhalten an der Gutachter-
Lösung für den Schutz bedrohter Arten
- Avisieren der Schädlingsbekämpfung durch Fruchtfolgen und kleinere
Flächenstrukturen
- Entwicklung einer Strategie gegen Verdrängung von Streuobstwiesen,
Saumstrukturen und Hecken an Feldrändern sowie eines Programms für deren
Nutzung und Pflege
Nachhaltige Flächenbewirtschaftung
Unsere Flächen sind endlich. Uns ist es daher wichtig, dass landwirtschaftliche
Flächen klug und nachhaltig genutzt werden. Auch die Doppelnutzung von einigen
Agrarflächen für die Energieproduktion wird zunehmend wichtiger – denn
Energiewende und die Landwirtschaft von Morgen funktionieren nur gemeinsam.
Öffentliche Flächen durch die Thüringer Landesgesellschaft wollen wir deshalb
zuerst an gemeinwohlorientierte Betriebe und Betriebe, die nach Öko-Kriterien
wirtschaften, vergeben. Diese Flächen sollen nachhaltig bewirtschaftet werden.
Bei den Böden setzen wir den Fokus auf einen humusreichen Boden mit vielen
Nährstoffen, der Wasser speichern kann und in dem der Nährstoffkreislauf
geschlossen ist.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Förderung von Agroforst-Systemen zum Bodenschutz, als Biotopverbund und
Lebensraum
- Unterstützung von Maßnahmen zum Humus-Aufbau auf landwirtschaftlichen
Flächen
- Reduzierung des Stickstoffüberschuss sowie des Eintrags von Phosphor und
Nitrat durch neue Düngeverordnungen und entsprechende Förderprogramme
- Fokussierung geschlossener Nährstoff- und Betriebskreisläufe und
Vermeidung der Einfuhr von Gülle („Gülle-Tourismus“) aus anderen Regionen
- GAK und KULAP-Förderung erhalten, ausbauen und stärker auf Grünland
ausrichten
- Agri-Photovoltaik mit Pilotprojekten vorantreiben und auf Anpassung der
bundesrechtlichen Rahmenbedingungen hinwirken
- Förderung der Produktion lokaler, pflanzlicher, eiweißreicher und
klimaneutraler Lebensmittel in der Thüringer Landwirtschaft
- Ausbau und Förderung moderner Techniken in der Landwirtschaft wie „Smart
Farming“ als digitale Lösung und wirtschaftliche Unterstützung von Klima-
und Naturschutz unter Beachtung der Datensouveränität
Zukunft und Tradition in Landwirtschaft
Auch Landwirt*innen in Thüringen haben zunehmend Probleme, Nachfolger*innen für
ihre Höfe zu finden. Wir wollen dafür sorgen, dass Hofnachfolge besser gefördert
und der Einstieg erleichtert wird. Bei Schüler*innen möchten wir aktiv für den
Beruf des*der Landwirt*in werben, sodass sie durch außerschulische Praktika
einen ersten Einblick in die Tätigkeiten dieser Arbeit erhalten. Zudem wollen
wir die Information und Beratung zu neuen, bodenschonenderen Anbaumethoden
ausweiten, damit Landwirt*innen ihre Wirtschaftsweise stetig fortentwickeln
können.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Bessere Unterstützung von Hofnachfolger*innen und Existenzgründer*innen
durch einen besseren Zugang zu Land, Beratung und gezielte finanzielle
Förderung
- Agrarstrukturgesetz auf den Weg bringen, um Thüringer
Landwirtschaftsflächen vor Ausverkauf zu schützen
- Stärkere Beratung der Landwirt*innen zur Verbesserung ihrer Anbaumethoden
mit Blick auf Bodenschutz und Artenvielfalt
- Kooperation für außerschulisches Lernen oder Praktika für einen
unmittelbaren Eindruck der Arbeit in konventionell und ökologisch
wirtschaftenden Betrieben der Landwirtschaft unterstützen
- Stärkere Würdigung der Pflege von Streuobstwiesen und Zahlung von
Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Maßnahmen wie die Kartierung von
Arten
- Förderung von nachhaltigen Bewässerungssystemen fortsetzen und ausbauen
- Erhalt der Versuchsstationen in Thüringen, um neue Anbaumethoden zu testen
und einzuführen
Industrielle Massentierhaltung beenden
Schweine, Rinder, Hühner, Schafe: Alle Tiere in der Landwirtschaft verdienen ein
artgerechtes Leben. Die Haltungsbedingungen müssen sich an die Bedürfnisse der
Tiere anpassen, nicht umgekehrt. Dabei unterstützen wir die Landwirt*innen mit
einem Pakt für artgerechte Tierhaltung, der die Maxime in der Landwirtschaft
werden soll. Denn tiergerechte Landwirtschaft soll sich für die Landwirt*innen
auch lohnen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Weiterentwicklung der „Thüringer Tierwohlstrategie“
- „Pakt für artgerechte Tierhaltung“ gemeinsam mit Erzeuger*innen auf den
Weg bringen, u. a. mit mehr Platz und Auslauf, stärkere Versorgung mit
regionalen, strukturreichen Futtermitteln und Beschäftigungsmöglichkeiten
- Förderung für Betriebe, die im Sinne einer artgerechten Haltung umbauen
durch ein Stallumbau-Programm
- Förderungen des Landes an Tierschutzkriterien im „Pakt für artgerechte
Tierhaltung“ koppeln
- Weitere Förderung für Weidegang von Milchkühen und Mastrindern sowie
Stroheinstreu für Mastschweine als weitere Schritte für eine artgerechtere
Tierhaltung
- Konsequentes Umsetzen des Kupierverbots bei Ferkelschwänzen
- Maßnahmen zur Verhinderung der Enthornung von Rindern unterstützen
- Reduzierung des hohen Medikamenten- und Antibiotikaeinsatzes
- Höchstgrenze für Lebendtiertransporte von vier Stunden oder 150 Kilometern
- Ausbau der Tierschutzkontrollen (siehe Kapitel Tierschutz)
- Finanzielle Unterstützung kleiner regionaler oder mobiler bzw. teil-
mobiler Schlachtstätten sowie befristete Übernahme der Kosten für die
Ökokontrolle, um zusätzliche Bio-Schlachtkapazitäten zu schaffen
- Prekäre Beschäftigung von Saisonarbeiter*innen in Landwirtschaft und
Schlachtstätten durch Kontrollen vorbeugen
Lebensmittel mit kurzen Wegen
Regionale Lebensmittel aus Thüringen schmecken und schützen die Umwelt. Mit der
Erzeugung und Vermarktung in der Region sparen wir uns weite Anfahrtswege und
vermeiden im gleichen Moment unnötige Emissionen.
Wir wollen daher die regionale Wertschöpfung erhöhen und gezielt fördern. Dafür
braucht es auch ein stärkeres Regionalmarketing für gute Erzeuger*innenpreise –
mit mehr Bio sowie regionalen Lebensmitteln in Mensen, Schulen und der
Außerhausverpflegung. Das ist nicht nur gesund, sondern hilft am Ende auch
unseren heimischen Landwirt*innen.
Deshalb setzen wir uns ein für:
- Stärkung regionaler Produkte und Produzent*innen sowie der
Direktvermarktung und weiterer kurzer Vertriebswege
- Unterstützung der Produzent*innen, um Voraussetzungen für die
Vorverarbeitung ihrer Produkte zu schaffen
- Stärkere Unterstützung des Regionalmarketings durch die Gründung einer
Regional-Marketing-Agentur
- Wiedereinführung eines Qualitätssiegels für Thüringer Produkte, die in der
Region produziert sind
- Öffentliche Kampagne zur Unterstützung von regionalen Lebensmitteln
- Aktionsplan für Erhöhung des Bio-Anteils in der Außerhausverpflegung
- Vorangehen der öffentlichen Hand mit einer Quote für regionale sowie
Biolebensmittel in Mensen, Kantinen, Schulen, Kindergärten
- Gezielte Unterstützung für Großküchen in der schrittweisen Umstellung auf
Bio-Lebensmittel
- Gemeinsam mit Lebensmittelproduktion, Handel, Beratung von
Verbraucher*innen und den zivilgesellschaftlichen Initiativen einen
Thüringer Maßnahmenplan zur Lebensmittelrettung entwickeln (siehe Kapitel
Verbraucherschutz, Umwelt- und Naturschutz)