Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Landtagswahlprogramm 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz in Jena vom 02. - 04. Februar 2024 |
Beschlossen am: | 08.02.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
A. Umwelt bewahren – nachhaltiges Wirtschaften: 4. Wir stellen unsere Wirtschaft zukunftssicher auf
Text
Wir stellen unsere Wirtschaft zukunftssicher auf
Wir treten ein für eine nachhaltige, zukunftssichere und klimaneutrale
Wirtschaft, die den Bedürfnissen der Menschen dient. Dafür setzen wir in der
Wirtschaftspolitik Rahmenbedingungen, mit denen das am besten gelingt. Wir
wollen, dass die Thüringer Wirtschaft international konkurrenzfähig ist, moderne
Arbeitsplätze bietet und den Beschäftigten gute Löhne garantiert, ohne auf
Kosten der Umwelt und der Menschenrechte zu agieren – auch über Thüringen
hinaus. Dafür brauchen die Unternehmen staatliche Unterstützung durch
Investitionsanreize, ein weltoffenes gesellschaftliches Umfeld und klare,
verlässliche Rahmenbedingungen. Für die Wirtschaftspolitik Thüringens ergeben
sich daraus drei zentrale Herausforderungen.
Erstens muss der Zugang zu ausreichend günstigen erneuerbaren Energiequellen
gesichert und Industrieprozesse so weit wie möglich auf Rohstoffkreisläufe
umgestellt werden. Damit machen wir uns unabhängig von fossilen Energien.
Zweitens wollen wir dem demographiebedingten Arbeits- und Fachkräftemangel
entgegenwirken. Dafür muss die Attraktivität von Thüringen als Lebens- und
Arbeitsort nachhaltig verbessert werden, durch faire Arbeitsbedingungen,
Familienfreundlichkeit, Weltoffenheit und den Abbau von Barrieren für den Zugang
zum Arbeitsmarkt.
Drittens wollen wir für ein Umfeld sorgen, das Innovationen anregt und fördert.
Kreative neue Ansätze und unternehmerisches Engagement müssen wertgeschätzt
werden und Raum zur Entfaltung bekommen.
Kernziele:
- Transformation der Thüringer Unternehmen und Betriebe durch Umstellung auf
erneuerbare Energien, Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft
vorantreiben
- Fach- und Arbeitskräftemangel reduzieren und Thüringens Attraktivität als
Arbeits- und Lebensort bekannt machen
- Verbesserte Rahmenbedingungen für die Innovationsfähigkeit der Thüringer
Wirtschaft schaffen
- Handwerk für Aufgaben des Strukturwandels stärken und Berufsausbildungen
attraktiver gestalten
Klimaneutrale Transformation vorantreiben
Damit Thüringens Industrie über eine dauerhaft sichere Wirtschaftsgrundlage
verfügt, muss die Versorgung mit verlässlicher, günstiger und erneuerbarer
Energie gewährleistet werden. Dies bedeutet, dass wir unsere Anstrengungen beim
Ausbau eigener erneuerbarer Energieerzeugungskapazitäten intensivieren müssen.
Deshalb fordern wir:
- Sicherung der Energieversorgung der Thüringer Unternehmen und Betriebe mit
ausreichend günstiger erneuerbarer Energie (siehe Kapitel Klima &
Energie)
- Priorisierte Ausweisung von Flächen für Wind- und Solaranlagen im Umfeld
von Industrieparks im Rahmen des Landesentwicklungsplans zur
Sicherstellung der Stromversorgung und Minimierung der Netzausbaukosten
- Anbindung von Betrieben, insbesondere der Industrie, an eine erneuerbare
Wärmeversorgung sicherstellen durch Ausbau und Umrüstung der Wärmenetze
- Das landeseigene Investitionsförderprogramm für kleine und mittlere
Unternehmen zur Umstellung von Produktionsprozessen auf erneuerbare
Energien und Energieeffizienz fortführen und um Klimaschutzverträge in
Form von Differenzverträgen ergänzen.
- Aufbau von grüner Wasserstoffinfrastruktur in Thüringen und Sicherstellung
der Anbindung an das europäische Wasserstoffnetz, priorisierte Lieferung
an Industriebetriebe mit besonderem Bedarf (siehe Kapitel Klima & Energie)
- Sicherung von gut bezahlten Arbeitsplätzen in von Transformation
betroffenen Industriezweigen durch Unterstützung von Aus- und
Weiterbildung
- Ausbau des Thüringer Nachhaltigkeitsabkommen (NAT) als
Vernetzungsplattform zur Verankerung von Nachhaltigkeitsprinzipien in der
Thüringer Wirtschaft
- Ausrichtung der Thüringer Landesgesellschaften und der
Unternehmensbeteiligungen des Landes nach Nachhaltigkeitskriterien
- Ausbau und Sicherung der notwendigen nachhaltigen Infrastrukturen wie
Bahn-, Mobilfunk- und Energienetzen in der Fläche (siehe Kapitel
Ländlicher Raum)
Arbeits- und Fachkräfte für Thüringen ausbilden, gewinnen
und halten
Neben der Energieversorgung sind ausreichend gut ausgebildete Arbeitskräfte die
wichtigste Grundlage für eine nachhaltige Wirtschaftsstruktur. Durch den
demographischen Wandel stehen wir in Thüringen hier jedoch mittelfristig vor
einem großen Problem. Gleichzeitig schränkt unter anderem das Problem des
Rechtsextremismus die Attraktivität Thüringens insbesondere für Zugezogene
wesentlich ein. Thüringen muss sich hier auf seine Stärken besinnen – wie
beispielsweise die Familienfreundlichkeit durch gute Betreuungsmöglichkeiten
oder die vielfältigen Möglichkeiten, die Thüringer Natur zu erleben. Wir sollten
diese Stärken nutzen und ausbauen, um das Anwerben von Fachkräften von außen
erfolgreicher zu machen und geschlechtsspezifische Arbeitsmarktbarrieren
abzubauen. Gleichzeitig müssen wir aber auch daran arbeiten, bestehende Probleme
wie den fehlenden Nachwuchs für handwerkliche Ausbildungsberufe zu lösen.
Deshalb fordern wir:
- Eine Reduzierung der Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss (siehe Schule
sozial gerecht und inklusiv)
- Berufsausbildung attraktiver machen, Erhalt von Berufsschulen in der
Fläche (siehe Kapitel Ausbildung)
- Mehr praxisbezogenes Lernen im Schulsystem (siehe Kapitel Schule)
- Unterstützung von Fortbildungen und Umschulungen (siehe Kapitel Arbeit)
- Thüringer Willkommenskultur stärken, u. a. durch konsequentes Vorgehen
gegen Rechtsextremismus und Einsatz für Weltoffenheit, Vielfalt und
Toleranz
- Ausbau der Fachkräftestrategie und von Anwerbeabkommen mit anderen
Ländern,
- Zugang von Zugewanderten zu Integrationsangeboten,
Unterstützungsstrukturen, Anlaufstellen, Sprachkursen, Berufsausbildungen
und Qualifizierungsangeboten fördern sowie interkulturelle Öffnung der
Thüringer Gesellschaft weiter voranbringen
- Einfachere und schnellere Anerkennung von ausländischen Abschlüssen,
Ausbildungen und Qualifikationen, Fokus auf praktische Kenntnisnachweise
statt Nachweis der formalen Bildungsabschlüsse
- Abbau von Hürden zur Arbeitsmarktintegration sowie Abschaffung von
Arbeitsverboten
- Abbau von Sprachbarrieren durch besseres Sprachkursangebot und Förderung
von Mehrsprachigkeit in Wirtschaft und Verwaltung (siehe Migration &
Integration)
- Ausweitung des Programms zum Anwerben von Pendler*innen und
Rückkehrer*innen der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung
- Ausweitung der Flexibilitätsoptionen für Arbeitnehmer*innen bei Wochen-
und Lebensarbeitszeiten
- Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land durch Ausbau und Erhalt
der öffentlichen Infrastruktur (soziale & kulturelle Angebote,
Nahverkehrsanbindung, Breitbandausbau etc.) schaffen, um die Attraktivität
des ländlichen Raums als Arbeits- und Lebensort zu sichern und zu stärken
(siehe Kapitel Ländlicher Raum)
- Strukturelle geschlechterspezifische Arbeitsmarktbarrieren abbauen u. a.
durch bessere Betreuungsmöglichkeiten und familienpolitische Reformen
(siehe Kapitel Gleichstellung)
Innovationsfähigkeit der Thüringer Wirtschaft sichern
Für den Aufbau nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen sind Innovationen unabdingbar.
Sie ermöglichen Neugründungen und neue Lösungen – und zwingen etablierte
Unternehmen immer wieder dazu, ihre Geschäftsmodelle zu hinterfragen. Es ist in
unseren Augen daher die Aufgabe der Politik, die Innovationsfähigkeit der
Thüringer Wirtschaft zu sichern und Freiraum zur Entfaltung neuer Ideen und
Geschäftsmodelle zu schaffen. Eine Aufgabe der öffentlichen Wirtschaftsförderung
kann es dabei nicht sein, bestehende Strukturen durch Subventionen bedingungslos
zu zementieren. Stattdessen wollen wir: eine klare strategische Priorisierung
auf die Themen der Zukunft.
Deshalb fordern wir:
- Vereinfachung von Start-up- und Unternehmensgründungen durch ein
bürokratiearmes Gründungsjahr mit flexiblen, vereinfachten und
digitalisierten Beratungs- und Förderangeboten sowie einheitlichen
Ansprechstellen („One-Stop-Shops“) in der Verwaltung für alle Anträge und
Genehmigungen
- Ausbau von Co-Working-Räumen und lokalen Gründungszentren in der Fläche
(siehe Kapitel Ländlicher Raum)
- Stärkere Förderung von Gründungskompetenz im Bildungssystem durch
projektbasiertes Lernen, insbesondere bei Frauen (siehe Kapitel Bildung)
- Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und der Wirtschaft zur
Förderung von Ausgründungen und Technologietransfers von der Forschung in
die Anwendung (siehe Kapitel Hochschule)
- Vereinfachung und konsequente Digitalisierung öffentlicher
Vergabeverfahren, um auch neugegründeten Unternehmen realistische
Zuschlagschancen einzuräumen
- Strategische Neuausrichtung der Unternehmensförderung auf bestehende
strukturelle Stärken und die Trends der Zukunft (Nachhaltigkeit,
Digitalität, Hochtechnologie), eine bessere Vernetzung mit anderen
Bundesländern und einen größeren Fokus auf den ländlichen Raum