Veranstaltung: | LDK Erfurt 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 10 Sonstige Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Digitales & Medien (dort beschlossen am: 16.09.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 18.09.2025, 20:52 |
A1: Digitale Souveränität als Leitprinzip grüner Politik in Thüringen – Für eine unabhängige, nachhaltige und gemeinwohlorientierte Digitalisierung
Antragstext
Die Landesdelegiertenkonferenz möge beschließen:
1. Grundsatzbekenntnis zur digitalen Souveränität
Der Landesverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen bekennt sich zur digitalen
Souveränität als Leitprinzip seiner Digitalpolitik.
Wir verstehen darunter die Fähigkeit selbstbestimmt, unabhängig und sicher
digitale Technologien zu nutzen und weiterzuentwickeln unter der Wahrung
demokratischer, sozialer und ökologischer Standards.
Digitale Souveränität bedeutet für uns nicht Abschottung, sondern resiliente
Handlungsfähigkeit in einer vernetzten Welt.
2. Verpflichtungen für den Landesverband
Der Landesvorstand verpflichtet sich einen Arbeitskreis "Digitale Souveränität"
einzurichten, um eine Strategie zur digitale Souveränität zu entwickeln, die
folgendes beinhaltet:
Bei der parteiinternen Beschaffung von Software und IT-Dienstleistungen
ist dem Grundsatz "Public Money? Public Code!" zu folgen und dies in den
Beschaffungsrichtlinien festzuschreiben, sodass ab 01.01.2026 bei allen
IT-Beschaffungen und Softwareentscheidungen vorrangig Freie und Open
Source Software (FOSS) einzusetzen ist
Bis Ende 2026 ist ein vollständiger Migrationsplan für die IT-
Infrastruktur und Kommunikationskanäle des Landesverbands entwickelt, der
die Abhängigkeit von proprietären Lösungen großer Tech-Konzerne reduziert
und als Antrag auf der LDK 2027 eingebracht wird
Regelmäßige Schulungen für Mitarbeitende, Funktionsträger*innen und
Parteimitglieder zu FOSS, Datenschutz und IT-Sicherheit sind anzubieten
Berichte zur Digitalisierung insbesondere unter dem Aspekt der digitalen
Souveränität werden in den Rechenschaftsbericht des Landesvorstandes
aufgenommen
Diese Liste stellt das Mindestziel dar und kann durch den Arbeitskreis erweitert
werden.
3. Konkrete Handlungsfelder
Der Landesverband setzt sich des Weiteren politisch ein für:
Den Aufbau öffentlicher IT-Kompetenzzentren zur Entwicklung und Pflege
eigener Softwarelösungen, die keine Insellösungen darstellen
Eine Cloud- und Plattformstrategie für Thüringen, die auf europäischen
bzw. gemeinwohlorientierten Alternativen basiert (z. B. Gaia-X, Nextcloud,
Matrix)
Die Förderung dezentraler, kontrollierbarer Netzinfrastrukturen in
kommunaler Hand
Die Verankerung von Open Educational Resources (OER) und kritischer
Medienbildung in allen Bildungseinrichtungen
Die Entwicklung verbindlicher Nachhaltigkeitskriterien für die
Digitalisierung (Energieeffizienz, Reparierbarkeit, digitale
Kreislaufwirtschaft)
4. Evaluierung und Weiterentwicklung
Der Landesvorstand berichtet auf einer LDK 2027 über die Umsetzung dieser
Strategie und die Arbeit des Arbeitskreises.
Begründung
Die digitale Souveränität ist eine zentrale Herausforderung für die
demokratische Selbstbestimmung im 21. Jahrhundert.
Während Bund, Länder und Kommunen sich bereits zum Ziel gesetzt haben, die
digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung zu stärken (vgl. IT-
Planungsrat), fehlt es oft an konkreten Umsetzungsschritten und verbindlichen
Vorgaben.
Die Abhängigkeit von einzelnen Tech-Konzernen wie Microsoft, Google oder Amazon
Web Services schränkt die Handlungsfähigkeit öffentlicher Institutionen ein,
gefährdet den Datenschutz und führt zu erheblichen finanziellen Belastungen
durch Lizenzkosten und Vendor Lock-in-Effekte. Die Machtfülle einzelner Tech-
Konzerne ist dabei längst nicht nur ein theoretisches Risiko, sondern Realität.
Deutlich wurde dies etwa, als Microsoft den E-Mail-Account von Karim Khan, dem
Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, blockierte. Ebenso
alarmierend ist die Aussage des Chefjustiziars von Microsoft Frankreich, dass
Daten europäischer Bürger*innen in der Microsoft-Cloud nicht vor dem Zugriff US-
amerikanischer Behörden geschützt seien. Diese Beispiele machen klar: Fehlende
digitale Souveränität gefährdet nicht nur den Datenschutz oder verursacht
Mehrkosten, sondern stellt eine ernsthafte Bedrohung für Rechtsstaatlichkeit,
Demokratie und internationale Handlungsfähigkeit dar.
Der Deutsche Städtetag und die KGSt haben in ihrer gemeinsamen Initiative
"Digitale Souveränität" bereits 2020 auf die Notwendigkeit eines strategischen
Ansatzes hingewiesen.
Experten fordern konkrete Maßnahmen, um die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern
zu verringern und die Digitalisierung souveräner zu gestalten.
Unser Antrag greift den Beschluss "Digitaler Aufbruch" der
Bundesdelegiertenkonferenz sowie das Positionspapier der Bundestagsfraktion zu
FOSS auf und konkretisiert diese für Thüringen, insbesondere für die
parteiinterne Arbeit.
Mit einem strategischen Multi-Cloud-Ansatz, hohen Sicherheitsstandards und
konsequenter Nutzerorientierung kann Thüringen, ähnlich wie IT.NRW, die Basis
für eine zukunftssichere digitale Infrastruktur schaffen. Cloud-Technologien
sind dabei ein Schlüssel, um die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung
voranzutreiben und mit innovativen Technologien Schritt zu halten. Dies können
wir als Partei leben und so als Beispiel vorangehen, um in einer zukünftigen
Landtagsfraktion direkt in diesem Thema weiterhin schlagkräftig zu sein.
Die vorgeschlagene Strategie verbindet Gemeinwohlorientierung, Nachhaltigkeit
und Unabhängigkeit. Sie stärkt lokale IT-Kompetenzen, will die regionale
Wirtschaft durch Investitionen in offene Technologien fördern und trägt zur
digitalen Teilhabe aller Bürger*innen bei.
Durch die explizite Verpflichtung des Landesverbandes zum Handeln stellen wir
sicher, dass wir unsere Werte nicht nur nach außen vertreten, sondern auch
innerparteilich leben.
Unser Antrag knüpft dabei ausdrücklich an das von der Landesdelegiertenkonferenz
beschlossene Positionspapier „Forward to the Future – Grüne Leitideen für eine
digitale Zukunft“ aus dem Jahr 2018 an. Schon dort wurde die digitale
Souveränität als Querschnittsthema definiert – verbunden mit einer klaren Vision
für Open Source, digitale Resilienz, Datenschutz und Gemeinwohlorientierung in
der digitalen Transformation. Die in diesem Antrag formulierten Ziele
konkretisieren und aktualisieren die dort entwickelten strategischen Leitlinien
im Sinne einer praktischen Umsetzung.
Darüber hinaus verweisen wir auf die umfangreiche Studie „Linux-Arbeitsplatz für
die öffentliche Verwaltung“ aus Schleswig-Holstein (2022). Dort wurde in einem
breiten Pilotprojekt belegt, dass digitale Souveränität durch konsequente
Nutzung von Open Source sowohl technisch machbar als auch wirtschaftlich
tragfähig ist. Die dort entwickelte Open-Source-Strategie mit Multi-Vendor-
Prinzip, modularer IT-Infrastruktur, plattformsouveränen Fachanwendungen und
datensparsamen Arbeitsplatzlösungen bietet eine fundierte Blaupause für
Thüringen und auch den Landesverband.
Schleswig-Holstein zeigt, dass digitale Souveränität nicht nur eine politische
Willensfrage ist, sondern durch einen strukturierten, langfristigen Aufbau von
Kompetenz und Infrastruktur realisierbar wird. Besonders hervorzuheben ist, dass
auch die Risiken (z. B. Akzeptanzprobleme, Fachanwendungen) nicht ausgeblendet,
sondern lösungsorientiert adressiert werden. Die Studie zeigt zudem, dass ein
Open-Source-basierter Verwaltungsarbeitsplatz nicht nur ein technologisches
Projekt ist, sondern ein strategisches Signal für Selbstbestimmung,
Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung in der Digitalisierung.
QUELLEN:
[1] CIO Bund - Digitale Souveränität
https://www.cio.bund.de/Webs/CIO/DE/digitale-loesungen/digitale-
souveraenitaet/digitale-souveraenitaet-node.html
[2] Digitale Souveränität in der öffentlichen Verwaltung: Sieben ... - OSBA
https://osb-alliance.de/news/digitale-souveraenitaet-in-der-oeffentlichen-
verwaltung-sieben-schritte-die-jetzt-notwendig-sind
[4] PDF
https://angacom.de/fileadmin/Upload/2025/Pressefächer/Kommune21_05_2025.pdf [5]
Der digitale Wandel in der öffentlichen Verwaltung | EY - Deutschland
https://www.ey.com/de_de/insights/consulting/der-digitale-wandel-in-der-
offentlichen-verwaltung
[6] „Forward to the future“, LDK 2018,
[7] Studie „Linux-Arbeitsplatz für die öffentliche Verwaltung“, Schleswig-
Holstein, 2022
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