Veranstaltung: | Landesparteirat Stadtroda 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge |
Antragsteller*in: | Laura Wahl, KV Erfurt |
Status: | Verschoben |
Eingereicht: | 31.08.2020, 10:28 |
A6: Arten stärken statt Artensterben
Antragstext
Arten stärken statt Artensterben
Gemeinsame Wege für Artenschutz und Landwirtschaft
Als Gesellschaft werden wir in diesem Jahr besonders herausgefordert. Die
Corona-Pandemie hat für viele Menschen einschneidende Auswirkungen und wir alle
haben die negativen Begleiterscheinungen einer Krise erlebt. Gerade aus dieser
Erfahrung gilt es mehr denn je als Politik die großen Herausforderungen im Blick
zu haben, um die Weichen für eine krisenfestere Zukunft jetzt zu stellen.
Diese Zukunft haben wir als Menschen in der Hand. Das 21. Jahrhundert ist das
Zeitalter des Anthropozän. Darin ist der Mensch zum entscheidenden
Einflussfaktor dafür geworden, wie sich unsere Erde verändert. Die Natur braucht
uns nicht. Wir brauchen sie. Deutlich wird das durch die zwei großen,
hausgemachten Herausforderungen dieses Jahrhunderts: Der Klimakrise und dem
Artensterben. Durch menschlichen Einfluss haben wir das 6. globale Artensterben
in der Geschichte bewirkt. Expert*innen schätzen, dass jeden Tag weltweit rund
150 Arten verschwinden und damit unwiderruflich verloren gehen. Das Aussterben
von Tierund Pflanzenarten schreitet dabei fast 1.000 mal schneller voran als die
Entstehung neuer Arten. Artenschutz ist dringender als jemals zuvor.
Auch vor Thüringen macht das Artensterben nicht halt. Durch Straßenbau,
Verstädterung und Landwirtschaft wird Landschaft neu gestaltet und Lebensräume
können verschwinden. Die Veränderungen durch den Klimawandel und eine monotone
Landschaft bilden darunter für viele Arten die größte Problematik. Wo
Trockenheit und Dürrestress die Pflanzenwelt belasten, sterben wichtige
Lebensräume ab oder verändern sich in einem Tempo, an dass sich die Natur nur
schwer anpassen kann. Wo Pestizide und Giftköder zum regelmäßigen Einsatz
kommen, können natürliche Kreisläufe empfindlich gestört werden. Wo riesige
Felder sind, fehlen die Landschaft strukturierende Elemente wie Hecken, die
Rückzugsraum für viele Tiere bieten.
Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen wir eine Landwirtschaft ermöglichen, die Arten
stärkt. Als größte Landgestalterin im ländlichen Raum trägt sie einen
entscheidenden Anteil, um wieder vielfältige Lebensräume in der Fläche und
Biotopverbünde zu ermöglichen. Der ökonomische Druck zu immer intensiverer
Produktion, unter dem viele landwirtschaftliche Betriebe stehen, stellt
allerdings ein großes Hindernis für die Umsetzung von Artenschutzmaßnahmen dar.
Zentral ist deshalb, dass wir als Gesellschaft landwirtschaftlichen Akteur*innen
ihren Einsatz für Artenschutz auch angemessen vergüten. Deshalb machen wir uns
als Grüne auf europäischer Ebene für eine Umlagerung der beiden Fördersäulen in
der Agrarpolitik stark. Langfristig sollen diejenigen Betriebe höhere
Vergütungen erhalten, die auch einen größeren Aufwand für den Naturschutz in
Kauf nehmen. Aber bereits heute sollte auch die Förderkulisse des Freistaats so
ausgerichtet sein, dass möglichst nachhaltige Strukturvielfalt (z.B.
Heckenstrukturen, Blühstreifen, Tümpel) auf der Fläche gefördert wird. Als
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern wir die Landesregierung auf, die Pflege von
artenreichem Grünland besser zu vergüten: pro Hektar sollen 600€ als
Übergangslösung zu einem anderen Fördersystem der Standard werden.
Für eine erfolgreiche Verbindung von Landwirtschaft und Naturschutz ist es
darüber hinaus ganz zentral, dass Förderbedingungen flexibler werden, um sich
verändernde Bedingungen in der Natur angemessen zu berücksichtigen. Fest
vorgeschriebene Zeiten wie z.B. für die Mahd sind in Zeiten des Klimawandels, in
denen Vegetationsperioden sich immer weiter nach vorne verschieben, kritisch.
Dass Landwirt*innen bei geringen Abweichungen bei Prüfungen am Ende eines
Förderzeitraums die komplette Rückzahlung der Fördermittel fürchten müssen,
auch. Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen wir uns daher dafür ein, dass
Förderbedingungen individueller und flexibler auf die Bedingungen vor Ort
ausgerichtet sind. Denn Natur ist vielfältig und jedes Jahr anders, sie
funktioniert nicht nach Schema F.
Eine weitere zentrale Rolle spielt die Landwirtschaft mit ihrem Einfluss auf die
Zusammensetzung und Struktur des Bodens. Nur ein gesunder, wenig verdichteter
und humusreicher Boden mit hoher Bioaktivität kann Niederschlagswasser schnell
aufnehmen, speichern und gleichmäßig in die Fließgewässer wieder abgeben. Dafür
sind die Bodenlebewesen und Humus wesentliche sich gegenseitig bedingende
Elemente. Zusätzlich bindet Humus in hohem Maße CO2. Aufgrund der symbiotischen
Abhängigkeit von Humus und der Biodiversität in den Böden ist das Artensterben
auch hier ein relevantes Problem. Um diesen Herausforderungen zu begegnen,
fordern wir Grüne, landwirtschaftliche Maßnahmen, die den Humusaufbau
begünstigen auf gleiche Weise zu fördern wie die Produktionsbewirtschaftung. Um
diese Maßnahmen im Land zu etablieren fordern wir ein zusätzliches
Landesförderprogramm für Humusaufbau in der Landwirtschaft. Auch erhöhte
Bodenverdichtung und zu intensive Bewirtschaftung sind Faktoren, die die
Bioaktivität im Boden verringern. Deshalb fordern wir vom Artenschutz
gerechtfertigte geringere Bewirtschaftung einer Fläche auch auf gleiche Weise zu
vergüten.
Unsere Natur ist ein vielfältig miteinander verbundenes Ökosystem, das durch
Eingriffe von außen schnell aus dem Gleichgewicht kommen kann. Wir sprechen uns
als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN daher für eine naturverträgliche Landwirtschaft aus,
die ohne Gifteinsatz auskommt.
Die Mäuseplage sorgt gerade in diesem Jahr für deutliche Verluste der
Ernteerträge. Die Entwicklung der Mäusepopulation war schon länger vorher
absehbar, aufgrund der Wetterveränderungen der letzten Jahre entwickelten sich
die Bestände rasant und eine natürliche Dezimierung blieb aus. Diese Situation
betrifft - gleich ob konventionell oder öko - alle Betriebe. Wir müssen hierbei
gemeinsam mit den Landwirt*innen flexible und umweltverträgliche Lösungen auf
solche Problemlagen finden. Leider sind hierbei schnelle effektive Lösung nicht
in Aussicht. Wir brauchen daher zukünftig einen engen Dialog zwischen
Landwirt*innen und Naturschutzorganisationen, z.B. als runden Tisch, um im
stetigen Dialog Lösungen zu finden anstatt die Debatte konfrontativ über die
Presse auszufechten. Für uns als Grüne steht hierbei jedoch fest, das eine
Lockerung des Einsatzes von Giftködern ebenso wie die Reduzierung der Hamster-
Schutz-Flächen keine Lösung sein wird. Thüringen besitzt nur noch kleine
Hamsterbestände, deren Aussterben durch den Gifteinsatz noch mehr riskiert wird.
Auch wären die möglichen Folgen für Greifvögel und andere Fraßfeinde der Maus
dramatisch. Um die Mäuseschädlingspopulationen einzudämmen, müssen wir weiterhin
natürliche Wege gehen, um nicht an anderer Stelle zu schaden. Wir müssen
Beutegreifern wieder mehr Lebensräume gewähren. Dies kann durch natürliche
Flächenbegrenzungen, unter anderem durch Hecken die einen Lebensräume für
Beutegreifer wie Fuchs und Greifvögel bieten, erreicht werden. Daher fordern wir
ein Hecken-Programm das die Heckenpflege in Thüringen wieder aktiv finanziell
unterstützt. Wir brauchen eine Bereitschaft für diese wichtigen Elemente in
unserer Kulturlandschaft. Weiterhin muss die Schädlingsbekämpfung durch
Bodenbearbeitung, Fruchtfolgen und kleinere Flächenstrukturen visiert werden.
Angesichts der Dramatik des Artenschwunds muss auch der Naturschutzbereich
weiter gestärkt werden. Viele Maßnahmen, wie z.B. die Pflege von
Streuobstwiesen, hängen von Ehrenamtlichen ab. Dieses unerlässliche Engagement
sollten wir als Gesellschaft stärker würdigen. Als Grüne setzen wir uns deshalb
dafür ein, dass für Maßnahmen wie beispielsweise die Kartierung von Arten auch
in Thüringen wenigstens kleine Aufwandsentschädigungen nach dem Vorbild anderer
Bundesländer gezahlt werden.
Gleichzeitig wollen wir hauptamtliche Strukturen im Naturschutzbereich weiter
verstetigen. Das von uns Grünen in der Landesregierung 2016 initiierte, in
Deutschland einmalige, Netzwerk der Natura-2000-Stationen soll weiter gestärkt
und aus der bisherigen Befristung bis 2023, in dauerhafte Strukturen überführt
werden. Befristete Arbeitsverhältnisse, die im Naturschutz leider meist noch der
Standard sind, wollen wir durch langfristige berufliche Perspektiven ersetzen
und so auch im Naturschutz gesicherte Arbeitsplätze ermöglichen. Dadurch kann
die Fluktuation verringert und nachhaltiges Wissensmanagement ermöglicht werden.
Eine gestärkte Personalausstattung in Form von mind. 4 Vollzeitäquivalenten pro
Station ist aus unserer Sicht notwendig, um ihnen eine intensivere Betreuung
ihrer Gebiete und vielfältigen Aufgaben zu ermöglichen. Den Stationen muss die
Möglichkeit gegeben und ausreichend finanziert werden, Außenstationen zu
unterhalten um die Fläche besser erfassen zu können und lokal vernetzt zu sein.
Des Weiteren machen wir uns für ein Maßnahmen-Budget stark, das jede Natura
2000-Station jährlich erhält. Dadurch können sie kleinere Maßnahmen effektiv und
zeitnah umsetzen - und der hohe bürokratische Aufwand in den Stationen auf ein
angemessenes Maß reduziert.
Um sicherzustellen, dass beim Artenschutz zeitnah reagiert wird, soll geprüft
werden, wie die unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Sichtungen bedrohter
und geschützter Arten zügiger an die Landesämter weitergeben können.
Damit Arten sich erholen und wieder ausbreiten können, ist es darüber hinaus
ganz zentral, dass wir in Thüringen zusammenhängende Lebensraumkorridore
schaffen. Dafür werden wir als Grüne für zusammenhängende Biotopverbünde
Offenland, Wald wie auch Gewässerlandschaften sorgen. Außerdem werden wir die
Renaturierung von Flüssen in den Blick nehmen, um dynamische Lebensräume wie sie
z.B. für die Gelbbauchunke zentral sind, wieder zu ermöglichen.
Nicht zuletzt ist für uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN klar: eine Zerstörung
naturschutzfachlich höchst bedeutender Vorkommen, wie z.B. der Schuderbachswiese
darf nicht passieren. Artenschutz muss über kurzfristig gedachten Profit- und
Wirtschaftsinteressen stehen. Denn sind Arten einmal verschwunden ist ihr
Verlust unwiderruflich. Deshalb haben wir hier eine hohe Verantwortung gegenüber
zukünftigen Generationen.
Unterstützer*innen
- Max Reschke, KV Weimarer Land
- Mario Urbach, KV Schmalkalden-Meiningen-Suhl
- Beatrice Sauerbrey, KV Weimarer Land
- Michael Binek, RV Sonneberg-Hildburghausen
- Filip Heinlein, RV Sonneberg-Hildburghausen
- Babett Pfefferlein, KV Kyffhäuserkreis
- Matthias Schlegel, KV Ilmkreis
- Astrid Rothe-Beinlich, KV Erfurt