Veranstaltung: | Landesparteirat Stadtroda 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge |
Antragsteller*in: | Doreen Rath, KV Altenburg |
Status: | Verschoben |
Eingereicht: | 15.09.2020, 16:32 |
Globalalternative zu A6: Arten stärken statt Artensterben
Antragstext
Arten stärken statt Artensterben
Gemeinsame Wege für Artenschutz und Landwirtschaft
Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter des Anthropozän. Der Mensch ist zum
entscheidenden Einflussfaktor geworden. Unsere Erde verändert sich rasend
schnell. Wir sind dabei unsere eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören. Durch
menschlichen Einfluss haben wir das 6. globale Artensterben in der Geschichte
bewirkt. Expert*innen schätzen, dass jeden Tag weltweit rund 150 Arten
verschwinden und damit unwiderruflich verloren gehen. Das Aussterben von Tier
und Pflanzenarten schreitet dabei fast 1.000 mal schneller voran als die
Entstehung neuer Arten. Artenschutz ist dringender als jemals zuvor.
Auch vor Thüringen macht das Artensterben nicht halt. Durch Straßenbau und
Verstädterung wird Landschaft neugestaltet und Lebensräume
verschwinden.
Wir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern deshalb einen „Grüne Infrastruktur“. Für uns
Menschen gibt es eine vielfältige Infrastruktur, Umgehungsstraßen,
Straßenausbau, Gewerbegebiete, Einkaufszentren werden gebaut. Die Flächen gehen
damit in staatliches Eigentum über. Täglich werden in Deutschland 56 ha, ca. 79
Fußballfelder, neu ausgewiesen für Siedlungs- und Verkehrsflächen. Auf diesen
Flächen
- entstehen Hitzeinseln, die den Klimawandel beschleunigen
- findet kein Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre statt
- fließen Starkniederschläge schnell ab und führen örtlich zu
Überschwemmungen
- kann kein Regen die Grundwasservorräte auffüllen
- kann kein Wasser verdunsten, um das Klima abzukühlen
- können keine Pflanzen wachsen, die CO2 binden und Sauerstoff produzieren
- kann kein Baum wachsen, der Lebensraum ist und Schatten spendet
- kann nichts wachsen, was Menschen und Tieren Nahrung bringt.
Diese Flächen sind sowohl für die Landwirtschaft als auch für den Naturschutz
unwiederbringlich verloren.
Nicht nur die Natur auch wir Menschen brauchen ein Grüne Infrastruktur. So
sollen Naturschutzflächen, Flächen für den Biotopverbund, für Hecken und
Saumstrukturen etc., vom Land Thüringen erworben werden. Aktuell versteigert die
BVVG meistbietend Flächen die im Naturpark „Thüringer Wald“ liegen. Das muss
sofort gestoppt werden.
Die Veränderungen durch den Klimawandel und eine monotone Landschaft bilden für
viele Arten die größte Problematik. Wo Trockenheit und Dürrestress die
Pflanzenwelt belasten, verschwinden wichtige Lebensräume oder verändern sich in
einem Tempo, an dass sich die Natur nur schwer anpassen kann.
Wo Pflanzenschutzmittel und Giftköder regelmäßig zum Einsatz kommen, können
natürliche Kreisläufe empfindlich gestört werden. Wo riesige Felder sind, fehlen
die Landschaft strukturierende Elemente wie Hecken, die Rückzugsraum für viele
Tiere bieten.
Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen wir eine Landwirtschaft ermöglichen, die Arten
stärkt. Die Landwirtschaft als größte Bewirtschafterin im ländlichen Raum und
vor allem die Flächeneigentümer tragen einenentscheidenden Anteil, um wieder
vielfältige Lebensräume in der Fläche und Biotopverbünde zu ermöglichen. Der
ökonomische Druck zu immer intensiverer Produktion, unter dem viele
landwirtschaftliche Betriebe stehen, stellt allerdings ein großes Hindernis für
die Umsetzung von Artenschutzmaßnahmen dar. Von zentraler Bedeutung ist deshalb,
dass wir als Gesellschaft landwirtschaftlichen Akteur*innen ihren Einsatz für
Artenschutz auch angemessen vergüten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die
Umlagerung der EU-Mittel in die 2. Säule, hin zu einer nachhaltigen und
umweltschonenden Bewirtschaftung. Der größere Aufwand für Naturschutz und der
geringere Ertrag muss den Betrieben langfristig vergütet werden. Natur- und
Umweltschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie ist nicht die
alleinige Aufgabe der Landwirtschaft.
Für eine erfolgreiche Verbindung von Landwirtschaft und Naturschutz müssen
Förderbedingungen flexibler werden, um sich verändernde Bedingungen in der Natur
angemessen zu berücksichtigen. Fest vorgeschriebene Zeiten, wie z.B. für die
Mahd sind in Zeiten des Klimawandels, in denen Vegetationsperioden sich immer
weiter nach vorne verschieben, kritisch. Ebenso kritisch für Landwirt*innen ist
die komplette Rückzahlung der Fördermittel am Ende des Förderzeitraumes bei nur
geringsten Abweichungen dieser Vorgaben. Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen wir
uns daher dafür ein, dass Förderbedingungen individueller und flexibler auf die
Bedingungen vor Ort ausgerichtet sind. Denn Natur ist vielfältig und jedes Jahr
anders, sie funktioniert nicht nach Schema F.
Eine weitere zentrale Rolle spielt die Landwirtschaft mit ihrem Einfluss auf die
Zusammensetzung und Struktur des Bodens. Nur ein gesunder, wenig verdichteter
und humusreicher Boden mit hoher Bioaktivität kann Niederschlagswasser schnell
aufnehmen und speichern. Dafür sind die Bodenlebewesen und der Humus wesentliche
sich gegenseitig bedingende Elemente. Zusätzlich bindet Humus in hohem Maße CO2.
Aufgrund der symbiotischen Abhängigkeit von Humus und Biodiversität in den Böden
ist das Artensterben auch hier ein relevantes Problem. Um diesen
Herausforderungen zu begegnen, fordern wir Grüne, landwirtschaftliche Maßnahmen,
die den Humusaufbau
begünstigen zu fördern. Um diese Maßnahmen im Land zu etablieren fordern wir ein
zusätzliches Landesförderprogramm für Humusaufbau hin zu einer ökologischen
Flächeneffizienz in der Landwirtschaft.
Unsere Natur ist ein vielfältig miteinander verbundenes Ökosystem, das durch
Eingriffe von außen schnell aus dem Gleichgewicht kommt. Wir sprechen uns als
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN daher für eine naturverträgliche Landwirtschaft aus, die
weitestgehend ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auskommt.
Die Mäuseplage sorgt gerade in diesem Jahr wieder für deutliche Verluste der
Ernteerträge. Die letzte große Mäuseplage war 2015 (Mäusezyklus). Diese
Situation
betrifft sowohl konventionelle als auch Biobetriebe gleichermaßen. Wir müssen
gemeinsam mit den Landwirt*innen flexible und umweltverträgliche Lösungen für
solche Problemlagen finden. Wir brauchen einen engen Dialog zwischen
Landwirt*innen und Naturschutzorganisationen, z.B. mit den örtlichen Natura2000
Stationen, um in Gesprächen auf Augenhöhe Lösungen zu finden. Debatten
konfrontativ über die Presse auszufechten ist nicht zielführend. Für uns als
Grüne steht fest, dass eine Reduzierung der Hamster-Schutz-Flächen keine Lösung
ist. Thüringen besitzt nur noch kleine Hamsterbestände, die vom Aussterben
bedroht sind. Es braucht umweltverträgliche Lösungen, um nicht an anderer Stelle
zu schaden. Wir müssen Beutegreifern wieder mehr Lebensräume gewähren. Dies kann
durch natürliche
Flächenbegrenzungen, unter anderem durch Hecken, die Lebensräume für
Beutegreifer wie Fuchs und Greifvögel bieten, erreicht werden. Daher fordern wir
ein Hecken-Programm das die Heckenpflege in Thüringen wieder aktiv finanziell
unterstützt. Wir brauchen eine Bereitschaft für diese wichtigen Elemente in
unserer Kulturlandschaft.
Angesichts der Dramatik des Artenschwunds muss auch der Naturschutzbereich
weiter gestärkt werden. Viele Maßnahmen, wie z.B. die Pflege von
Streuobstwiesen, hängen von Ehrenamtlichen ab. Dieses unerlässliche Engagement
sollten wir als Gesellschaft stärker würdigen. Als Grüne setzen wir uns deshalb
dafür ein, dass für Maßnahmen wie beispielsweise die Kartierung von Arten auch
in Thüringen wenigstens kleine Aufwandsentschädigungen nach dem Vorbild anderer
Bundesländer gezahlt werden.
Gleichzeitig wollen wir hauptamtliche Strukturen im Naturschutzbereich weiter
verstetigen. Das von uns Grünen in der Landesregierung 2016 initiierte, in
Deutschland einmalige, Netzwerk der Natura-2000-Stationen soll weiter gestärkt
werden. Aus der Befristung bis 2023 müssen dauerhafte Strukturen entstehen.
Befristete Arbeitsverhältnisse, die im Naturschutz leider meist noch der
Standard sind, wollen wir durch langfristige berufliche Perspektiven ersetzen
und so auch im Naturschutz gesicherte Arbeitsplätze ermöglichen. Die Fluktuation
wird verringert und nachhaltiges Wissensmanagement ermöglicht. Eine gestärkte
Personalausstattung in Form von mind. 4 Vollzeitäquivalenten pro Station ist aus
unserer Sicht notwendig, um die intensivere Betreuung ihrer Gebiete, die
Beratung der Landwirt*innen und vielfältigen Aufgaben zu ermöglichen. Den
Stationen muss die Möglichkeit gegeben und ausreichend finanziert werden,
Außenstationen zu unterhalten, um die Fläche besser erfassen zu können und lokal
vernetzt zu sein.
Des Weiteren machen wir uns für ein Maßnahmen-Budget stark, das jede Natura2000-
Station jährlich erhält. Dadurch können sie kleinere Maßnahmen effektiv und
zeitnah umsetzen - und der hohe bürokratische Aufwand in den Stationen wird auf
ein
angemessenes Maß reduziert.
Um sicherzustellen, dass beim Artenschutz zeitnah reagiert wird, soll geprüft
werden, wie die unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Sichtungen bedrohter
und geschützter Arten zügiger an die Landesämter weitergeben können.
Damit Arten sich erholen und wieder ausbreiten können, ist es darüber hinaus
ganz zentral, dass wir in Thüringen zusammenhängende Lebensraumkorridore
schaffen. Dafür werden wir als Grüne für zusammenhängende Biotopverbünde
Offenland, Wald wie auch Gewässerlandschaften sorgen. Außerdem werden wir die
Renaturierung von Flüssen in den Blick nehmen, um dynamische Lebensräume wie sie
z.B. für die Gelbbauchunke zentral sind, wieder zu ermöglichen.
Nicht zuletzt ist für uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN klar: eine Zerstörung
naturschutzfachlich höchst bedeutender Vorkommen, wie z.B. der Schuderbachswiese
darf nicht passieren. Artenschutz muss über kurzfristig gedachten Profit- und
Wirtschaftsinteressen stehen. Denn sind Arten einmal verschwunden ist ihr
Verlust unwiderruflich.
In unserer Verantwortung für zukünftige Generationen fordern wir für Thüringen,
das grüne Herz Deutschlands, eine grüne Infrastruktur.
Unterstützer*innen
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