Veranstaltung: | Wahlprogrammprozess 2.0 |
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Antragsteller*in: | LaVo |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.03.2021, 10:49 |
A23: Wir sichern die Freiheit und bewahren die Vielfalt (Unsere Zuhausse: ein weltoffenes Europa)
Titel
Antragstext
Die Europäische Union ist eine historisch einzigartige Errungenschaft, ein
Friedensprojekt, das Stück für Stück von Europäer*innen erkämpft wurde: Aus
verfeindeten Nationen wurden Partner*innen. Im geeinten und solidarischen Europa
liegt Thüringens Zukunft. Immer deutlicher wird auch, dass wir Europäer*innen
für unsere demokratischen und menschenrechtlichen Werte sowie berechtige
Interessen, etwa im Kampf gegen den Klimawandel, nur gemeinsam international
erfolgreich eintreten können. Thüringen soll deshalb in den kommenden Jahren für
ein stärkeres, demokratischeres und sozialeres Europa streiten. Die
Herausforderungen unserer Zeit wollen wir so gemeinsam lösen.
Im Sinne der europäischen Idee wollen wir die bestehenden europäischen
Regionalpartnerschaften Thüringens nutzen und eine weitere mit einer Region in
Europas Süden entwickeln. Wir wollen durch diese Partnerschaften mit und von
unseren Nachbarn lernen: wie wir gemeinsam den Europäischen Green Deal
voranbringen, wie wir Digitalisierung im Interesse der Bürger*innen gestalten,
wie wir Solidarität üben und uns gemeinsam gegen Nationalismus wehren. Das
wollen wir in Thüringen jährlich in der Europawoche im Mai landesweit zum Thema
machen. Der Landtag soll künftig auch in jährlichen Europadebatten die
europapolitische Arbeit bilanzieren und jeweils neue Vorhaben beraten. Die
Zukunft der EU ist zwar durchaus bedroht – durch Populismus, Nationalismus,
Egoismus, doch wir BÜNDNISGRÜNE sind und bleiben überzeugte Europäer*innen. Wir
setzen auf eine Politik, die europäische Solidarität zum Kompass hat – denn die
nutzt den Menschen in allen Mitgliedstaaten und ganz gewiss uns hier in
Thüringen.
Demokratie in Europa
Wir wollen Thüringens Gewicht in die Waagschale werfen, um die Europäische Union
transparenter, demokratischer und bürger*innennäher zu machen. Das gilt für die
Mitwirkung des Landtags an europäischer Gesetzgebung. Es gilt für Thüringens
Abgeordnete im Europäischen Parlament, das ein eigenes vollwertiges
Initiativrecht für europäische Gesetzgebungen erhalten soll. Es gilt für
regelmäßige Präsenz von Landesregierung und Landtag in Brüssel und unser
Mitwirken im Ausschuss der Regionen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die
Europäische Bürgerinitiative (EBI) als Instrument der direkten
Bürger*innenbeteiligung gestärkt und entbürokratisiert wird. Unionsbürger*innen
sollen an ihrem ständigen Wohnsitz das allgemeine Wahlrecht ausüben können. Wir
wollen die Europakompetenz der Verwaltung in Thüringen stärken und die EU-
Beratungsstellen ausbauen.
Europäische Fördermittel für Thüringen
Förderung durch die Europäischen Strukturfonds dient der Angleichung der
Lebensverhältnisse in Europa. Davon hat Thüringen in den vergangenen Dekaden
erheblich profitiert. Bei der Weiterentwicklung der EU-Förderpolitik soll sich
Thüringen für das Leitbild nachhaltiger Entwicklung und für ambitionierte
Klimaschutzziele der Europäischen Union einsetzen. Die Förderung regionaler
Wirtschaftskreisläufe, der Schutz der Umwelt, eine sich an den Menschen
orientierende digitale Innovation und der soziale Zusammenhalt gehören in das
Zentrum der Förderpolitik. Insgesamt muss der Verwaltungsaufwand der EU-
Förderprogramme, besonders für Kleinprojekte, erheblich reduziert werden. Wir
wollen mit vom Land finanzierten Europalotsen in jeder der vier Thüringer
Regionen als zentralen Anlaufstellen für Anliegen aus der Bürgerschaft und aus
der Wirtschaft in Thüringen dazu beitragen, dass Europa näher rückt.
Europa der Bürger*innen
Das Herz der Europäischen Union schlägt nur dann kräftig, wenn sich Bürgerinnen
und Bürger aktiv an der Gestaltung Europas beteiligen können. Deshalb wollen wir
uns in Thüringen engagiert an den europaweiten Diskussionen der Konferenz über
die Zukunft Europas beteiligen. Wir wollen auch Städtepartnerschaften dafür
nutzen. Es muss Anliegen des Landes sein, dass die ganze Gesellschaft
einschließlich von Stadt und Land, von großen und kleinen Gemeinden daran
teilhaben kann. Wir setzen uns auf europäischer Ebene dafür ein, dass das EU-
Programm „Erasmus+“ für den Austausch von Studierenden ausgebaut und die
Austauschangebote für Lehrlinge erweitert werden. Auf Landesebene wollen wir
Informationsangebote zu den Möglichkeiten eines Auslandsaufenthaltes für
Studierende und Auszubildende verbessern und über die Chancen des Europäischen
Freiwilligendienstes informieren. Wir unterstützen die annähernd 30
Europaschulen in Thüringen, werben um weitere und wollen durch spezielle
Angebote des Landes dazu beitragen, dass möglichst viele Schülerinnen und
Schüler die europäische Dimension in ihrer Vielfalt kennenlernen können.
Bürger*innen der einen Welt
Als Bürger*innen der Einen Welt wollen wir in Thüringen Globales Lernen,
nachhaltigen Konsum und Fairen Handelfördern. Das fängt bei den Kleinsten in
Kindergärten und Schulen an. Hier werden wichtige Grundsteine gelegt – für
Weltverstehen, Gerechtigkeitsempfinden und den respektvollen Umgang mit Vielfalt
und den endlichen Ressourcen in einer globalisierten Welt. Wir unterstützen
„Fairtrade-Schulen“ und „Fairtrade-Kitas“ und wollen neue Initiativen ins Leben
rufen, um Nachhaltigkeit für Kinder erlebbar zu machen. Eine-Welt-Arbeit,
kommunale Entwicklungszusammenarbeit und die Thematisierung von Flucht und
Migration im Rahmen von Städtepartnerschaften sollen die Entwicklungspolitik in
Thüringen stärken.
Handelsabkommen und Investitionsabkommen müssen menschenrechtliche und
ökologische Standards ebenso einhalten wie, die Rechte von Arbeitnehmer*innen
und den Schutz der Verbraucher*innen. Sonderklagerechte für Konzerne. lehnen wir
ab. Handel muss sich daran messen lassen, was er zur weltweiten ökologisch-
sozialen Transformation beiträgt. Wir lehnen aus diesen Gründen aktuell das
Mercosur-Abkommen und das Investitionsabkommen mit China in der vorliegenden
Form ab.
Koloniale Vergangenheit
Die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus sowie die stets neue
Vergewisserung über die daraus zu ziehenden Konsequenzen gehören für alle Zeiten
zur gesellschaftlichen Kernaufgabe der deutschen Kulturpolitik. Wir wollen
darüber hinaus aber auch den Blick für die europäische, insbesondere die
deutsche Kolonialgeschichte schärfen. Diese prägt bis heute das
Selbstverständnis unserer mehrheitlich weißen Gesellschaft und unseren Blick auf
die Welt. Wir wollen daher die weitreichenden Auswirkungen dieser Zeit ins
Bewusstsein rücken. Die Kolonialgeschichte muss ein integraler Bestandteil des
Lehrplans an Thüringer Schulen sein.
Darüber hinaus zählt zur Aufarbeitung für uns GRÜNE auch die Förderung von
künstlerischen und nichtkünstlerischen Projekten zur Zeitgeschichte. Auch
Thüringen hat zum Beispiel mit der NS-Rasseforschung an der Universität Jena
oder der „Kolonial- und Völkerschau“ in Johannistal bei Eisenach ein schweres
historisches Erbe. Dies muss wissenschaftlich und in der künstlerischen Praxis
aufgearbeitet werden. In den nächsten Jahren muss im Rahmen der
Provenienzforschung zudem ein Schwerpunkt von Kulturpolitik sein, dass die
ehemaligen Kolonialstaaten das Unrecht der kolonialen Ausbeutung, das sich zum
Beispiel auch im Raub von Kulturgütern dokumentiert, anerkennen und darüber eine
selbstkritische Auseinandersetzung auf Augenhöhe mit den Staaten führen, die
ihrer Schätze beraubt wurden. Zu einer Aufarbeitung der Kolonialgeschichte
gehört die Anerkennung des Völkermordes an den Herero und Nama. Wir werden die
Bundesregierung auffordern, hier ihrer Verantwortung nachzukommen. Gräuel in der
Geschichte können nicht totgeschwiegen werden. Straßennamen und öffentliche
Orte, deren Namen den deutschen Kolonialismus verharmlosen oder Menschen
würdigen, die mit Verbrechen im Kolonialismus in Verbindung stehen, sollen
partizipativ umbenannt werden. Hierfür soll die Landesregierung mit Expertise
zur Seite stehen und einen Fonds einrichten, der die Kommunen bei Umbenennungen
unterstützt.
Änderungsanträge
- Ä1 (Tim Strähnz, Eingereicht)
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