Veranstaltung: | Wahlprogrammprozess 2.0 |
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Antragsteller*in: | LaVo |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.03.2021, 10:48 |
A22: Wir sichern die Freiheit und bewahren die Vielfalt (Vorwärts in die Zukunft: Digitalisierung)
Antragstext
Die Covid19-Krise hat uns erneut gezeigt, dass Digitalisierung in Deutschland
vielerorts noch Neuland ist. Dabei sind wir mitten drin im digitalen Wandel:
Videotelefonie, Navigation im Auto oder der Einkauf im Netz sind spätestens
jetzt aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Internet of Things, Industrie
4.0 oder Künstliche Intelligenz sind die Bereiche, in denen heute Innovationen
stattfinden, die morgen unser Leben verändern werden. In allen Bereichen, in
denen Digitalisierung voranschreitet, eröffnet sie neue Möglichkeiten und neue
Horizonte, zeigen uns aber auch die Notwendigkeit von digitaler Bildung.
Wir sind uns bewusst, dass rasanter Wandel auch Verunsicherung hervorruft. Viele
Menschen sorgen sich auch um ihre Rechte und die Sicherheit ihrer Daten, sie
befürchten Onlinebetrug oder beobachten mit Sorge die Zunahme von Hass und Hetze
im Netz. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen den digitalen Wandel politisch gestalten,
Innovation fördern und Antworten auf die Sorgen der Bürger*innen geben.
Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung und Nachhaltigkeit – das sind die Werte,
die uns auch im Netz leiten, wobei der Mensch stets im Mittelpunkt steht. Wir
sind uns bewusst, dass rasanter Wandel auch Verunsicherung hervorruft. Deshalb
wollen wir mit unserer Politik Sorge tragen, dass die Nutzer*innen die volle
Kontrolle über ihre Daten haben. Dass sie ihre Geräte beherrschen und nicht von
ihren digitalen Helfern beherrscht werden. Wir wollen dieses Prinzip
einheitlicher Standards auch für große Kommunikationsplattformen und Soziale
Netzwerke etablieren, damit Nutzer*innen ihre Daten auch bei einem
Anbieterwechsel mitnehmen können. Auch auf Bundes- und EU-Ebene treten wir für
Netzneutralität, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und für höchste Standards beim
Datenschutz und bei der IT-Sicherheit ein. Wenn der Freistaat Thüringen
Softwareentwicklung beauftragt, soll diese den „Ethischen Leitlinien der
Gesellschaft für Informatik e.V.“ folgen. Das Land Thüringen braucht eigene
Softwareentwickler*innen, um das öffentliche Gut einer landesweiten IT-
Infrastruktur warten und erweitern zu können.
Digitale Infrastruktur
Ein gute digitale Infrastruktur ist das Fundament für die digitale Gesellschaft.
Ein gut ausgebautes Glasfaser- und Mobilfunknetz, nachvollziehbarer und
transparenter Zugriff auf Dienste der öffentlichen Verwaltung und IT-Sicherheit
sind dabei für uns von zentraler Bedeutung. Wir streben digitale Souveränität
an.
Der Zugang zum Internet ist ein elementarer Grundbaustein der Teilhabe im
digitalen Raum. Dafür ist der Breitbandausbau die Grundvoraussetzung und muss
deshalb quantitativ und qualitativ wesentlich stärker betrieben werden.
Ausreichende Up- und Download-Bandbreite muss gewährleistet werden. Es muss
selbstverständlich werden, dass bei Ein- und Umzügen die Internet-Konnektivität
ähnlich schnell hergestellt werden kann wie Anschlüsse für Strom und Wasser.
Noch schleicht der Breitbandausbau in Thüringen der technischen Entwicklung
hinterher. Deshalb wollen wir die flächendeckende Versorgung mittels Glasfaser
schleunigst vorantreiben, indem Kapazitäten für die Verlegung erhöht werden.
Dabei wollen wir Ausbaukonzepte wie etwa Verlegung in niedriger Tiefe oder das
Nutzen von Leerrohren evaluieren. Kommunen und Landkreise erhalten Unterstützung
bei Planung und Investition, zudem schaffen wir eine effektive
Landeskoordinierung zur Nutzung von Synergieeffekten bei Infrastrukturmaßnahmen.
Wir wollen außerdem, dass Funklöcher im Mobilfunknetz in Thüringen endlich der
Vergangenheit angehören! Das Mobilfunknetz muss schleunigst weiter ausgebaut
werden, prioritär entlang aller Thüringer Bahnstrecken.
Informationen sind nur dann tatsächlich frei, wenn sie sich jederzeit lesen,
verarbeiten oder in andere Formate umwandeln lassen. Oftmals ist das nicht der
Fall und Anbieter beschränken die Nutzungsmöglichen von Geräten, Apps und Daten.
Wir wollen den Nutzer*innen die Hoheit über Ihre Daten, Hard- und Software
zurück geben. Deshalb setzen wir bevorzugt auf Open-Source-Lösungen, bei denen
die Funktionsweisen offen nachvollziehbar sind. Der 2020 erstmals vergebene
Thüringer Open-Source-Preis steht beispielhaft für die Open-Source- Strategie
des Landes, die wir weiter ausbauen werden. Mit einem Förderschwerpunkt auf
quelloffener Software kann sich Thüringen zu einem attraktiven IT-Standort mit
überregionaler Ausstrahlung weiterentwickeln. Darüber hinaus wollen wir, dass
bei öffentlichen IT-Beschaffungen - zum Beispiel an Bildungseinrichtungen oder
in der Verwaltung - quelloffene Software mit offenen Lizenzen bevorzugt wird.
Wenn Künstliche Intelligenz (KI) oder Algorithmen eingesetzt werden, um
automatisiert Entscheidungen über Personen zu treffen, dann fordern wir, dass
solche Systeme auch ethische Kriterien einhalten müssen, um möglichst
vorurteilsfrei, verantwortlich und nachvollziehbar zu arbeiten. Während KI aus
dem Silicon Valley häufig mit personenbezogenen Daten arbeitet, sehen wir für
Thüringer Unternehmen enormes Potenzial, KI-Systeme zu entwickeln, die mit
Unternehmensdaten arbeiten, um beispielsweise Prozesse effizienter und
ressourcenschonender werden zu lassen.
Verwaltungshandeln und Datenschutz
Digitalisierung ermöglicht mehr Transparenz in Politik und Verwaltung. Die
Landesregierung hat unter unserer Mitwirkung das Thüringer E-Government-Gesetz
auf den Weg gebracht, mit dem bürokratische Hürden für Bürger*innen abgebaut und
mehr Behördengänge auch über das Internet möglich werden. Wir sind den Weg
weitergegangen und haben das Informationsfreiheitsgesetz zu einem
Transparenzgesetz (ehemals Informationsfreiheitsgesetz) weiterentwickelt.
Behördliche Dokumente sollen unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte
prinzipiell öffentlich in einem barrierefreien Format zugänglich sein. Freier
Zugang zu Informationen ist nicht nur Voraussetzung für politische und
gesellschaftliche Teilhabe, sondern auch für effiziente öffentliche Verwaltung
und kann enorme Impulse setzen. Wir sind überzeugt, dass alle Informationen, die
mit öffentlichen Geldern durch staatliche Stellen, Forschungseinrichtungen oder
private Unternehmen gewonnen wurden, der Allgemeinheit grundsätzlich frei und
kostenlos zur Verfügung stehen sollten. Auf Landesebene werden wir eine
einheitliche Open-Data- und Open-API-Strategie etablieren, die beispielsweise
auch die Daten des öffentlichen Nahverkehrs umfasst. Diese sind auch
Voraussetzungen für eine Datenökonomie. Wir wollen gesellschaftliche und
politische Teilhabe und demokratische Mitbestimmung über das Internet weiter
stärken und fördern Modellprojekte, die in diesen Bereichen neue Ansätze
erproben.
Wie im öffentlichen Leben wollen wir auch im Internet die Gewissheit haben, uns
frei und sicher bewegen zu können. Datenschutz ist deshalb wesentliche
Voraussetzung für die Nutzung des Netzes, für Wirtschaft und Handel genauso wie
für gesellschaftliche Partizipation und sozialen Austausch. Wir unterstützen
alle regulatorischen Bemühungen für mehr Datenschutz auf Bundes- und Europaebene
und wollen Thüringer Unternehmen mit Musterdokumenten und Klarstellungen bei der
Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung helfen. Um die Hoheit über die eigenen
Daten zu behalten, dürfen nicht alle IT-Dienste in eine Cloud ausgelagert
werden, insbesondere, wenn Daten von Behörden erhoben werden und sich der Cloud-
Anbieter nicht an die strengen lokalen rechtlichen Regelungen gebunden sieht.
Wir wollen thüringische Unternehmen dabei unterstützen, eigene und lokale
Softwarelösungen zu nutzen. Staatliche Stellen müssen in regelmäßigen Abständen
evaluieren, welche Daten sie von den Bürger*innen erheben und ob diese für ihre
Arbeit notwendig sind. Nicht benötigte Daten sind zu löschen, das Prinzip der
Datensparsamkeit soll stets Beachtung finden. Die technisch längst
durchführbare, durchgehende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll für die
Kommunikation zwischen Bürger*innen und Behörden (auch untereinander) zum
Standard werden. In diesem Zusammenhang sollen qualifizierte elektronische
Signaturen, wo immer möglich, handschriftliche Unterschriften ersetzen. Dies
spart Papier und schont die Umwelt.
Smartphones speichern heute höchst private Daten: Bewegungsprotokolle, Fotos,
Gesprächsverläufe, Tagebücher, besuchte Webseiten. Deshalb stehen Geräte wie
Smartphones im Kernbereich der privaten Lebensgestaltung und sollen vor dem
Zugriff des Staates besonders geschützt werden. Die Privatsphäre und das
verfassungsrechtliche IT-Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und
Integrität informationstechnischer Systeme muss stets gewahrt bleiben.
Früh übt sich… Digitale Bildung und Innovationsräume
Die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, setzt einen selbstbestimmten,
informierten und kritischen Umgang damit voraus. Sich nicht von der
Informationsflut im Beruf und im Privatleben hetzen zu lassen, Fake News zu
erkennen, Geräte und Anwendungen sicher zu nutzen – diese Fähigkeiten werden
immer mehr zu Schlüsselqualifikationen in unserem Alltag. Wir wollen die
generationsübergreifende Medienbildung vom Kindergarten bis zur
Erwachsenenbildung weiter fördern. Wir wollen die Ausbildung für Lehrkräfte in
Thüringen um eine medienpädagogische Grundkomponente ergänzen und für
Pädagog*innen im aktiven Dienst geeignete Fortbildungskonzepte entwickeln. Vor
allem aber müssen unsere Schulen zu einem Hort der Digitalisierung werden. Wir
setzen uns dafür ein, dass die kommunalen Medienzentren in Thüringen zu
digitalen Schnittstellen für Schulen weiterentwickelt werden, welche unter
anderem die IT-Administration und die Bereitstellung von Diensten. Wir
BÜNDNISGRÜNE setzen uns dafür ein, dass die Vermittlung von Technikkompetenz an
Schulen stärker ausgebaut wird. Das Fach Informatik soll verpflichtend
unterrichtet werden. Thüringen darf hier nicht länger das Schlusslicht unter den
Bundesländern bleiben.
Die digitale Welt lebt von Innovationsräumen, von Menschen, die Ideen
entwickeln, Neues erproben, dabei auch mal Fehler machen. Nicht selten entstehen
hier Start-Ups und Unternehmen von morgen. Wir wollen diese Innovationsräume,
seien es Hackerspaces, Makerfairs oder Co-Working-Orte, stärker begleiten und
fördern. Offene WLANs, die Freifunkbewegung und andere Mesh-Netzwerke
unterstützen wir BÜNDNISGRÜNE auch weiterhin und setzen uns beispielsweise dafür
ein, dass Freifunkvereine als gemeinnützig anerkannt werden und ihnen der Zugang
zu öffentlichen Gebäuden, Institutionen und Behörden ermöglicht wird.
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