Antrag: | Wir sichern die Freiheit und bewahren die Vielfalt (Ein Land, das allen gerecht wird: Demokratie) |
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Antragsteller*in: | Justus Heuer (KV Jena) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 23.04.2021, 20:55 |
Ä2 zu A19: Wir sichern die Freiheit und bewahren die Vielfalt (Ein Land, das allen gerecht wird: Demokratie)
Antragstext
Von Zeile 44 bis 48:
für direktdemokratische Beteiligungsformate senken, um diese einfacher zu ermöglichen. Die „Fridays For Future“-Demos und die Proteste gegen die europäische Urheberrechtsreform zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden. Deshalb setzen wir uns für ein Wahlrecht ab 14 Jahren auch auf Landesebene ein.Die verschiedenen Protestformen wie "Fridays for Future" oder die "Seebrücke" zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, das Mindestwahlalter für Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 Jahre abzusenken und langfristig ganz abzuschaffen.
30 Jahre ist es her, dass sich die Menschen im heutigen Thüringen Freiheit und
Demokratie erkämpft haben. Wir wissen, dass sie keineswegs selbstverständlich
sind, dass Freiheit immer wieder verteidigt, Demokratie jeden Tag neu gelebt
werden muss. Und zwar von Bürger*innen, die sich einmischen und für ihre Werte
und Ideen streiten. Von Menschen, die ihre Vorstellungen einbringen und nicht
allein am Wahltag über Politik abstimmen. Viele von ihnen scheitern oft an
bürokratischen Hürden und Vorgaben. Sich direkt, themenorientiert und ganz
konkret in politische Diskussionen und in Entscheidungen einzumischen, muss
einfacher werden. Hürden, die dieser Beteiligung entgegenstehen, wollen wir
weiter abbauen und das zivilgesellschaftliche Engagement stärken. Dabei mangelt
es oft noch an öffentlicher Erörterung und gründlicher Beratung der öffentlichen
Angelegenheiten mit allen Betroffenen. Wir wollen in dialogorientierten
Verfahren Bürger*innen sowie Akteur*innen aus Politik und Verwaltung frühzeitig
in Entscheidungsprozessen zusammenbringen. Denn eine qualitätsvolle
Öffentlichkeitsbeteiligung hilft, Konflikte zwischen den Bürger*innen, den
Volksvertreter*innen und der Verwaltung zu vermindern.
Beteiligung
Wir BÜNDNISGRÜNE werden Qualität und Professionalität von
Bürger*innenbeteiligungen durch die Vorgabe verbindlicher Rahmenbedingungen
sichern. Dazu gehört auch der Aufbau entsprechender Kompetenzen in Ministerien
und Behörden.
Wir wollen, dass zukünftig wichtige Gesetzgebungs- und Entscheidungsverfahren
durch umfassende, institutionalisierte und obligatorische Konsultationen mit der
Bürger*innenschaft in geeigneten Dialogverfahren ergänzt werden.
Bürger*innenräte, wie das erfolgreiche BürgerForum „Gemeinsame Wege zur
Bewältigung von COVID-19 und künftiger Pandemien“ sollen das Engagement der
Menschen in der Gemeinschaft sowie das gegenseitige Vertrauen zwischen Politik,
Verwaltung und Zivilgesellschaft stärken.
Wir wollen klären, ob ein ständiger Bürger*innenrat auf Landesebene, dessen
Mitglieder durch Los bestimmt werden, als "Bürger*innenkammer" etabliert werden
kann. Er soll Themen beraten, die Bürger*innen, Abgeordnete oder die Regierung
vorschlagen. Das Landesparlament wäre dann verpflichtet, auf die Ergebnisse zu
reagieren. Wir BÜNDNISGRÜNE werden die repräsentative Demokratie mit
direktdemokratischen und dialogischen Beteiligungsformen besser verzahnen und
über die konkrete Ausgestaltung eine breite gesellschaftliche Debatte führen.Auf
kommunaler Ebene haben wir mit dem Thüringer Gesetz über das Verfahren bei
Einwohnerantrag, Bürger*innenbegehren und Bürger*innenentscheid bereits viel
erreicht. Diese Instrumente werden wir auch auf Landesebene stärken. Das Verbot
von Volksbegehren zum Landeshaushalt, wie es in der Thüringer Verfassung
festgeschrieben ist, kann zur Verhinderung von fast allen Initiativen aus der
Bevölkerung herangezogen werden, da so gut wie jedes Gesetz haushaltswirksam
ist. Wir werden deshalb dieses sogenannte Finanztabu deutlich entschärfen,
sodass Volksbegehren einfacher möglich werden. Außerdem wollen wir die Quoren
für direktdemokratische Beteiligungsformate senken, um diese einfacher zu
ermöglichen. Die „Fridays For Future“-Demos und die Proteste gegen die
europäische Urheberrechtsreform zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes
politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden.
Deshalb setzen wir uns für ein Wahlrecht ab 14 Jahren auch auf Landesebene ein.Die verschiedenen Protestformen wie "Fridays for Future" oder die "Seebrücke" zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, das Mindestwahlalter für Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 Jahre abzusenken und langfristig ganz abzuschaffen.
Das Versammlungsrecht ist für uns ein hohes Gut. Deshalb erteilen wir
BÜNDNISGRÜNE jeder Initiative für ein Versammlungsverhinderungsgesetz eine klare
Absage sondern werden eine solche Initiative nur mittragen, wenn die
Zielstellung ein liberales Versammlungsfreiheitsgesetz ist. In einem solchen
Gesetz wollen wir mindestens friedliche Blockaden regeln, Vermummungen zu
Ordnungswidrigkeiten abstufen und die Behörden zur stärkeren Kooperation
verpflichten. Dies betrifft sowohl die Kommunikation der Behörden mit den
Versammlungsanmelder*innen und -teilnehmer*innen, als auch die Kommunikation
zwischen der Polizei und den Versammlungsbehörden. Den Einsatz von körperlichem
Zwang, Waffen, Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt nach Auflösung, Verbot oder
im Umfeld einer Versammlung wollen wir klar regeln. Insbesondere den Einsatz von
chemischen Reizstoffen werden wir stark einschränken. Die Kommunen stehen häufig
insbesondere bei Rechts-Rock-Veranstaltungen, die als politische Versammlungen
angemeldet werden, vor vielen Fragen. Um die Kommunen sowie die
zivilgesellschaftlichen Akteur*innen bei diesen Fragen zu unterstützen, wurde
beim Thüringer Innenministerium die Taskforce Versammlungslagen eingerichtet,
die diese juristisch berät. Diese soll insbesondere personell gestärkt werden
und vertiefend unterstützend wirken, bei jeder Versammlung soll mindestens ein*e
Kommunikationsbeamte*r anwesend sein. Die Anzahl ist der erwarteten
Gefährdungsstufe anzupassen. Entsprechende Aus- und Fortbildungen werden den
Beamt/innen bereitgestellt.
Auf der kommunalen Ebene haben wir zwar bisher viel erreicht, dennoch gibt es
auch hier noch Handlungsbedarf. So werden wir dieThüringer Kommunalordnung
transparenter und bürger*innenfreundlicher gestalten. In der aktuellen
Legislaturperiode haben wir dazu bereits einen ersten Gesetzentwurf eingereicht,
leider fehlten uns aber die Mehrheiten, um diese Änderungen umzusetzen. Wir
werden uns weiter an diesem Entwurf orientieren und ihn erweitern. Dies bedeutet
unter anderem die Einführung sowie konzeptioneller und finanzieller
Unterstützung zu Beginn von Kinder- und Jugend- oder Schüler*innen-Parlamenten,
die Öffentlichkeit von Ausschüssen, die Ermöglichung von rechtssicheren
Gremiensitzungen per Videokonferenz in Katastrophen- und Pandemiesituationen und
stärkere Rechte der kommunalen Parlamente bei der Kontrolle kommunaler
Unternehmen und Beteiligungen. Außerdem werden wir die Möglichkeit von
Scheinkandidaturen unterbinden. Bisher ist es möglich, dass (Ober-
)Bürgermeister*innen und Landrät*innen für kommunale Parlamente kandidieren,
obwohl sie das Mandat absehbar nicht annehmen werden. Dies verzerrt
Wahlergebnisse und ist eine Form der Täuschung der Wähler*innen.
Wir werden die politischen Beteiligungsmöglichkeiten von Thüringer*innen ohne
deutschen Pass stärken und setzen uns hierbei auch für den Ausbau des Wahlrechts
und der Beiräte ein. Bei Europa- und Kommunalwahlen haben hier lebende EU-
Ausländer*innen bereits das Wahlrecht, wir wollen das auch auf Landesebene
ermöglichen. Darüber hinaus werden wir prüfen, wie die politische Partizipation
von formalrechtlichen Ausländer*innen in Thüringen erweitert werden kann.
Die Praxis hat gezeigt, dass die Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse
ein erfolgreicher Ansatz für die Modernisierung der Gebietsstrukturen in
Thüringen ist. Diese Möglichkeit soll weiterhin bestehen bleiben. Wir sind
überzeugt, dass die Gebietsreform – freiwillig und mit starker
Bürger*innenbeteiligung – fortgesetzt werden muss. Eine Verwaltungs- und
Gebietsreform wird nur Erfolg haben, wenn die Bürger*innen intensiv in diese
Prozesse einbezogen werden. Wir sind überzeugt, dass regionale
Bürger*innengutachten, Transparenz in den Zielen und ein gut kommuniziertes
Vorgehen den Schlüssel zu zukunftsfähigen Strukturen darstellen. Dabei muss der
alleinige Fokus nicht auf Fusionen liegen, vielmehr wollen wir auch die
interkommunale Zusammenarbeit, vor allem auch auf Kreisebene, gezielt fördern.
Für eine bürger*innennahe Verwaltung ist es unerheblich, wo sich der
Verwaltungssitz befindet, solange die Verwaltung einfach und unkompliziert vor
Ort ansprechbar ist. Deshalb fördern wir die flächendeckende Einrichtung von
Bürger*innenservicebüros und -terminals. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass
das Angebot von Verwaltungsleistungen im Internet zügig stark ausgebaut wird.
Dazu wollen wir Kooperationen mit anderen Bundesländern bei der Bereitstellung
von Software prüfen und die Kommunen bei der Einführung unterstützen. Bei der
Ansiedelung neuer Landesbehörden oder -einrichtungen verfolgen wir die Strategie
einer gleichmäßigen Verteilung über das gesamte Land.
Finanzen
Wir BÜNDNISGRÜNE verfolgen eine nachhaltige Finanzpolitik – wirtschaftlich
sinnvoll, ökologisch verantwortlich und sozial ausgewogen. Eine immer größere
Schuldenaufnahme entspricht diesen Prinzipien ebenso wenig wie das Kaputtsparen
von Bildung, Daseinsvorsorge und Infrastruktur. Denn beides geht zulasten
unserer Kinder und Enkel. Wir haben es in dieser Legislatur geschafft, mehr als
eine Milliarde Euro an Altschulden abzubauen und keine neuen Schulden
aufzunehmen. Mit uns wurde die Schuldentilgung sogar gesetzlich in Thüringen
verankert. Erstmals läuft die Schuldenuhr rückwärts.
Gleichzeitig haben wir BÜNDNISGRÜNE stark in Klimaschutz und Umwelt, Bildung,
Kinder, Integration und Infrastruktur investiert und werden diese Schwerpunkte
auch weiterhin setzen. Nur wer in den Erhalt der Umwelt investiert, wer sich um
gute Bildung kümmert und unsere Infrastruktur nicht verfallen lässt, handelt
nachhaltig und generationengerecht. Wir planen eine ehrliche Bestandsaufnahme
über den Sanierungsbedarf der Infrastruktur im Freistaat. Unser Schwerpunkt
liegt jetzt und künftig auf Baumaßnahmen und Zuschüssen, die eine „doppelte
Rendite“ erwirtschaften. Wir fördern Zukunftsinvestitionen, die mittel- oder
langfristig Einsparungen für das Land bedeuten, zum Beispiel durch die
energetische Sanierung von landeseigenen Gebäuden. Das ist ein Beitrag zur
strukturellen Entlastung des Haushalts und schafft so langfristig auch wieder
finanzielle Spielräume. Dagegen setzen wir uns weiter für den Abbau von
klimaschädlichen Subventionen auf Landes-, Bundes- und auf EU-Ebene ein.
Mit einem modernen sozial-ökoligischenkommunalen Finanzausgleich, der besonders
die Bereiche Klima, Digitalisierung und Bildung berücksichtigt, stärken wir die
Daseinsvorsorge in den Städten und Gemeinden. Wir werden gemeinsam mit den
Kommunen darüber beraten, wie hochverschuldete Städte und Gemeinden auf dem Weg
der Haushaltskonsolidierungen weiter finanziell unterstützt und mittelfristig
entschuldet werden und die Auswirkungen der Corona-Pandemie bewältigt werden
können.
Für nachhaltige Investitionen auch in Zeiten knapper Kassen braucht es breite
Zustimmung. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen die Bürger*innen stärker als bisher an der
Gestaltung ihrer Städte und Gemeinden und der dafür erforderlichen
Ausgabenplanung beteiligen, unter anderem indem wir ihnen mehr Mitspracherechte
bei der Haushaltsplanung einräumen. Deshalb setzen wir uns für eine Ausweitung
der Bürger*innenhaushalte in Thüringer Kommunen ein. Auch auf der Landesebene
ist eine stärkere Beteiligung der Bürger*innen in Haushaltsfragen wünschenswert.
Wir wollen daher das Finanztabu bei Volksentscheiden abschaffen.
Aufarbeitung
Die politisch-historische Bildung ist angesichts unserer deutschen Vergangenheit
im 20. Jahrhundert und einer verstärkt aufkeimenden Zustimmung zu national-
autoritären Strukturen wichtiger denn je. Erschrecken muss auch, wie wenig
Wissen um unsere Vergangenheit gerade in der jüngeren Generation tatsächlich
vorhanden ist. Wir wollen daher die Bildungs- und Erinnerungsarbeit in unseren
Schulen und öffentlichen Institutionen konsequent fördern.
In der aktuellen Legislatur ist es uns BÜNDNISGRÜNEN gelungen, die Gedenkstätten
der Stiftung Buchenwald und Mittelbau-Dora mit ihren Außenstellen zu stärken und
ihre Finanzierung abzusichern. Das wollen und werden wir fortsetzen. Gleiches
gilt für Einrichtungen wie die Gedenkstätte Topf und Söhne, aber auch das
Deserteursdenkmal am Fuße des Petersberges in Erfurt und die ehemalige Haftzelle
im Abgeordnetenhaus des Thüringer Landtags, in dem einmal das sogenannte
Judenreferat seinen Sitz hatte und von wo aus die Deportationen der Thüringer
Jüd*innen organisiert wurden. Wir unterstützen konsequent zivilgesellschaftliche
Initiativen, die sich mit der Aufarbeitung des
Nationalsozialismusauseinandersetzen. Die Verfolgung von Sinti und Roma im
Nationalsozialismus ist gesamtgesellschaftlich wenig aufgearbeitet. Als
BÜNDNISGRÜNE werden wir uns weiterhin für eine Aufarbeitung und Sichtbarmachung
in Thüringen einsetzen. Der Antiziganismus ist auch in der Thüringer
Gesellschaft weit verbreitet. Deswegen gilt es die Zusammenarbeit mit dem
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sowie mit Opferhilfeeinrichtungen zu
intensivieren und für betroffene Sinti und Sintize sowie Rom*nja ein
angemessenes Beratungsangebot zu schaffen. Den 8. Mai als Tag der Befreiung
haben wir bewusst zum Gedenktag in Thüringen gemacht.
Knapp 30 Jahre nach der friedlichen Revolution ist die Aufarbeitung dieses Teils
der deutschen Geschichte und des SED-Unrechts noch immer nicht abgeschlossen.
Wir BÜNDNISGRÜNE wollen Menschen helfen und unterstützen, denen in der DDR
Unrecht widerfahren ist und die noch heute unter den Folgen leiden. Wir sind
davon überzeugt, dass die Aufarbeitung des hier begangenen und erlittenen
Unrechts und die Erinnerung daran das Fundament legen für unsere demokratische
Kultur heute und in Zukunft.
Thüringens Aufarbeitungslandschaft ist dezentral und heterogen. Diese
vielschichtigen Wege bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte der SED-
Diktatur und ihren Folgen müssen in Wissenschaft, Kultur und insbesondere der
Schul- und Erwachsenenbildung weiter verankert werden. Das Land Thüringen sollte
auf den sich abzeichnenden Umbau der Behörde des Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes adäquat reagieren und dort Strukturen
schaffen, wo sich der Bundesbeauftragte zurückzieht. An diesen Orten müssen die
Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und die Demokratiebildung an
außerschulischen Lernorten gewährleistet bleiben. Für die rechtliche Beratung im
Sinne der Rehabilitierungen und für psychosoziale Betreuung von Betroffenen des
SED-Unrechts ist es dabei unabdingbar, ein nachhaltiges, verlässliches, klar
strukturiertes und dadurch deutlich wahrnehmbares Angebot zu schaffen. Dabei
sollte die bereits vorhandene Struktur des Landesbeauftragten zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur genutzt und ausgebaut werden.
Wir sprechen uns dafür aus, die existierenden drei Außenstellen des
Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen in Thüringen als Orte, an denen
Akteneinsicht beantragt und genommen werden kann, weiter zu erhalten. Das sind
wir auch denen schuldig, die diese 1989 besetzt haben und dadurch die Akten vor
der Vernichtung bewahren konnten. Diese authentischen Erinnerungsorte an
Demokratie- und Diktaturerfahrungen in Erfurt, Gera und Suhl sowie die
Grenzlandmuseen wollen wir erhalten. Die Zusammenarbeit mit den lokalen
Zeitzeug*innen-Initiativen werden wir stärken. Die wissenschaftliche
Aufarbeitung der Verfolgung von Christ*innen in der DDR werden wir
sicherstellen. Auf Bundesebene machen wir uns weiter dafür stark, auch bisher
nicht bedachte Opfergruppen, wie verfolgte Schüler*innen, bei der Rehabilitation
mit aufzunehmen, anderen wie den ehemaligen Heimkindern wollen wir die
Anerkennung als Opfer der SED-Diktatur erleichtern. Die Entfristung der
Rehabilitierungsgesetze ist ein erster wichtiger Schritt. Fakt ist aber, dass
noch immer viele Betroffene keinerlei Entschädigung oder Unterstützung bekommen
und aufgrund ihrer Geschichte, Enteignungen oder gebrochenen Biografien erneut
von Armut bedroht sind. Dazu gehören auch viele Frauen, die in sogenannten
venerologischen Stationen eingesperrt und fürchterlichsten Misshandlungen
ausgesetzt waren. Das nehmen wir nicht hin und machen uns auf allen Ebenen für
spürbare Verbesserungen und umfassende Aufarbeitung stark.
Um insbesondere die soziale Lage der SED-Opfer heute genauer zu analysieren,
unterstützen wir das Vorhaben des Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur, eine erneute Studie zur sozialen Lage der Betroffenen auf den
Weg zu bringen, da letzte Daten bereits mehr als zehn Jahre alt sind. Zur
Verbesserung der sozialen Lage der SED-Opfer machen wir uns dafür stark, dass
Entschädigungsleistungen für erlittenes SED-Unrecht von Bedürftigkeitsprüfungen
und Partner*inneneinkommen entkoppelt werden. Wir werden prüfen, welche Mittel
zur Kompensation der durch Bedürftigkeitsprüfungen und Einbeziehung von
Partner*inneneinkommen reduzierten Entschädigungsleistungen eingesetzt werden
können.
Von Zeile 44 bis 48:
für direktdemokratische Beteiligungsformate senken, um diese einfacher zu ermöglichen. Die „Fridays For Future“-Demos und die Proteste gegen die europäische Urheberrechtsreform zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden. Deshalb setzen wir uns für ein Wahlrecht ab 14 Jahren auch auf Landesebene ein.Die verschiedenen Protestformen wie "Fridays for Future" oder die "Seebrücke" zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, das Mindestwahlalter für Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 Jahre abzusenken und langfristig ganz abzuschaffen.
30 Jahre ist es her, dass sich die Menschen im heutigen Thüringen Freiheit und
Demokratie erkämpft haben. Wir wissen, dass sie keineswegs selbstverständlich
sind, dass Freiheit immer wieder verteidigt, Demokratie jeden Tag neu gelebt
werden muss. Und zwar von Bürger*innen, die sich einmischen und für ihre Werte
und Ideen streiten. Von Menschen, die ihre Vorstellungen einbringen und nicht
allein am Wahltag über Politik abstimmen. Viele von ihnen scheitern oft an
bürokratischen Hürden und Vorgaben. Sich direkt, themenorientiert und ganz
konkret in politische Diskussionen und in Entscheidungen einzumischen, muss
einfacher werden. Hürden, die dieser Beteiligung entgegenstehen, wollen wir
weiter abbauen und das zivilgesellschaftliche Engagement stärken. Dabei mangelt
es oft noch an öffentlicher Erörterung und gründlicher Beratung der öffentlichen
Angelegenheiten mit allen Betroffenen. Wir wollen in dialogorientierten
Verfahren Bürger*innen sowie Akteur*innen aus Politik und Verwaltung frühzeitig
in Entscheidungsprozessen zusammenbringen. Denn eine qualitätsvolle
Öffentlichkeitsbeteiligung hilft, Konflikte zwischen den Bürger*innen, den
Volksvertreter*innen und der Verwaltung zu vermindern.
Beteiligung
Wir BÜNDNISGRÜNE werden Qualität und Professionalität von
Bürger*innenbeteiligungen durch die Vorgabe verbindlicher Rahmenbedingungen
sichern. Dazu gehört auch der Aufbau entsprechender Kompetenzen in Ministerien
und Behörden.
Wir wollen, dass zukünftig wichtige Gesetzgebungs- und Entscheidungsverfahren
durch umfassende, institutionalisierte und obligatorische Konsultationen mit der
Bürger*innenschaft in geeigneten Dialogverfahren ergänzt werden.
Bürger*innenräte, wie das erfolgreiche BürgerForum „Gemeinsame Wege zur
Bewältigung von COVID-19 und künftiger Pandemien“ sollen das Engagement der
Menschen in der Gemeinschaft sowie das gegenseitige Vertrauen zwischen Politik,
Verwaltung und Zivilgesellschaft stärken.
Wir wollen klären, ob ein ständiger Bürger*innenrat auf Landesebene, dessen
Mitglieder durch Los bestimmt werden, als "Bürger*innenkammer" etabliert werden
kann. Er soll Themen beraten, die Bürger*innen, Abgeordnete oder die Regierung
vorschlagen. Das Landesparlament wäre dann verpflichtet, auf die Ergebnisse zu
reagieren. Wir BÜNDNISGRÜNE werden die repräsentative Demokratie mit
direktdemokratischen und dialogischen Beteiligungsformen besser verzahnen und
über die konkrete Ausgestaltung eine breite gesellschaftliche Debatte führen.Auf
kommunaler Ebene haben wir mit dem Thüringer Gesetz über das Verfahren bei
Einwohnerantrag, Bürger*innenbegehren und Bürger*innenentscheid bereits viel
erreicht. Diese Instrumente werden wir auch auf Landesebene stärken. Das Verbot
von Volksbegehren zum Landeshaushalt, wie es in der Thüringer Verfassung
festgeschrieben ist, kann zur Verhinderung von fast allen Initiativen aus der
Bevölkerung herangezogen werden, da so gut wie jedes Gesetz haushaltswirksam
ist. Wir werden deshalb dieses sogenannte Finanztabu deutlich entschärfen,
sodass Volksbegehren einfacher möglich werden. Außerdem wollen wir die Quoren
für direktdemokratische Beteiligungsformate senken, um diese einfacher zu
ermöglichen. Die „Fridays For Future“-Demos und die Proteste gegen die Die verschiedenen Protestformen wie "Fridays for Future" oder die "Seebrücke" zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, das Mindestwahlalter für Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 Jahre abzusenken und langfristig ganz abzuschaffen.
europäische Urheberrechtsreform zeigen uns, dass junge Menschen ein starkes
politisches Bewusstsein haben und einfordern, von der Politik gehört zu werden.
Deshalb setzen wir uns für ein Wahlrecht ab 14 Jahren auch auf Landesebene ein.
Das Versammlungsrecht ist für uns ein hohes Gut. Deshalb erteilen wir
BÜNDNISGRÜNE jeder Initiative für ein Versammlungsverhinderungsgesetz eine klare
Absage sondern werden eine solche Initiative nur mittragen, wenn die
Zielstellung ein liberales Versammlungsfreiheitsgesetz ist. In einem solchen
Gesetz wollen wir mindestens friedliche Blockaden regeln, Vermummungen zu
Ordnungswidrigkeiten abstufen und die Behörden zur stärkeren Kooperation
verpflichten. Dies betrifft sowohl die Kommunikation der Behörden mit den
Versammlungsanmelder*innen und -teilnehmer*innen, als auch die Kommunikation
zwischen der Polizei und den Versammlungsbehörden. Den Einsatz von körperlichem
Zwang, Waffen, Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt nach Auflösung, Verbot oder
im Umfeld einer Versammlung wollen wir klar regeln. Insbesondere den Einsatz von
chemischen Reizstoffen werden wir stark einschränken. Die Kommunen stehen häufig
insbesondere bei Rechts-Rock-Veranstaltungen, die als politische Versammlungen
angemeldet werden, vor vielen Fragen. Um die Kommunen sowie die
zivilgesellschaftlichen Akteur*innen bei diesen Fragen zu unterstützen, wurde
beim Thüringer Innenministerium die Taskforce Versammlungslagen eingerichtet,
die diese juristisch berät. Diese soll insbesondere personell gestärkt werden
und vertiefend unterstützend wirken, bei jeder Versammlung soll mindestens ein*e
Kommunikationsbeamte*r anwesend sein. Die Anzahl ist der erwarteten
Gefährdungsstufe anzupassen. Entsprechende Aus- und Fortbildungen werden den
Beamt/innen bereitgestellt.
Auf der kommunalen Ebene haben wir zwar bisher viel erreicht, dennoch gibt es
auch hier noch Handlungsbedarf. So werden wir dieThüringer Kommunalordnung
transparenter und bürger*innenfreundlicher gestalten. In der aktuellen
Legislaturperiode haben wir dazu bereits einen ersten Gesetzentwurf eingereicht,
leider fehlten uns aber die Mehrheiten, um diese Änderungen umzusetzen. Wir
werden uns weiter an diesem Entwurf orientieren und ihn erweitern. Dies bedeutet
unter anderem die Einführung sowie konzeptioneller und finanzieller
Unterstützung zu Beginn von Kinder- und Jugend- oder Schüler*innen-Parlamenten,
die Öffentlichkeit von Ausschüssen, die Ermöglichung von rechtssicheren
Gremiensitzungen per Videokonferenz in Katastrophen- und Pandemiesituationen und
stärkere Rechte der kommunalen Parlamente bei der Kontrolle kommunaler
Unternehmen und Beteiligungen. Außerdem werden wir die Möglichkeit von
Scheinkandidaturen unterbinden. Bisher ist es möglich, dass (Ober-
)Bürgermeister*innen und Landrät*innen für kommunale Parlamente kandidieren,
obwohl sie das Mandat absehbar nicht annehmen werden. Dies verzerrt
Wahlergebnisse und ist eine Form der Täuschung der Wähler*innen.
Wir werden die politischen Beteiligungsmöglichkeiten von Thüringer*innen ohne
deutschen Pass stärken und setzen uns hierbei auch für den Ausbau des Wahlrechts
und der Beiräte ein. Bei Europa- und Kommunalwahlen haben hier lebende EU-
Ausländer*innen bereits das Wahlrecht, wir wollen das auch auf Landesebene
ermöglichen. Darüber hinaus werden wir prüfen, wie die politische Partizipation
von formalrechtlichen Ausländer*innen in Thüringen erweitert werden kann.
Die Praxis hat gezeigt, dass die Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse
ein erfolgreicher Ansatz für die Modernisierung der Gebietsstrukturen in
Thüringen ist. Diese Möglichkeit soll weiterhin bestehen bleiben. Wir sind
überzeugt, dass die Gebietsreform – freiwillig und mit starker
Bürger*innenbeteiligung – fortgesetzt werden muss. Eine Verwaltungs- und
Gebietsreform wird nur Erfolg haben, wenn die Bürger*innen intensiv in diese
Prozesse einbezogen werden. Wir sind überzeugt, dass regionale
Bürger*innengutachten, Transparenz in den Zielen und ein gut kommuniziertes
Vorgehen den Schlüssel zu zukunftsfähigen Strukturen darstellen. Dabei muss der
alleinige Fokus nicht auf Fusionen liegen, vielmehr wollen wir auch die
interkommunale Zusammenarbeit, vor allem auch auf Kreisebene, gezielt fördern.
Für eine bürger*innennahe Verwaltung ist es unerheblich, wo sich der
Verwaltungssitz befindet, solange die Verwaltung einfach und unkompliziert vor
Ort ansprechbar ist. Deshalb fördern wir die flächendeckende Einrichtung von
Bürger*innenservicebüros und -terminals. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass
das Angebot von Verwaltungsleistungen im Internet zügig stark ausgebaut wird.
Dazu wollen wir Kooperationen mit anderen Bundesländern bei der Bereitstellung
von Software prüfen und die Kommunen bei der Einführung unterstützen. Bei der
Ansiedelung neuer Landesbehörden oder -einrichtungen verfolgen wir die Strategie
einer gleichmäßigen Verteilung über das gesamte Land.
Finanzen
Wir BÜNDNISGRÜNE verfolgen eine nachhaltige Finanzpolitik – wirtschaftlich
sinnvoll, ökologisch verantwortlich und sozial ausgewogen. Eine immer größere
Schuldenaufnahme entspricht diesen Prinzipien ebenso wenig wie das Kaputtsparen
von Bildung, Daseinsvorsorge und Infrastruktur. Denn beides geht zulasten
unserer Kinder und Enkel. Wir haben es in dieser Legislatur geschafft, mehr als
eine Milliarde Euro an Altschulden abzubauen und keine neuen Schulden
aufzunehmen. Mit uns wurde die Schuldentilgung sogar gesetzlich in Thüringen
verankert. Erstmals läuft die Schuldenuhr rückwärts.
Gleichzeitig haben wir BÜNDNISGRÜNE stark in Klimaschutz und Umwelt, Bildung,
Kinder, Integration und Infrastruktur investiert und werden diese Schwerpunkte
auch weiterhin setzen. Nur wer in den Erhalt der Umwelt investiert, wer sich um
gute Bildung kümmert und unsere Infrastruktur nicht verfallen lässt, handelt
nachhaltig und generationengerecht. Wir planen eine ehrliche Bestandsaufnahme
über den Sanierungsbedarf der Infrastruktur im Freistaat. Unser Schwerpunkt
liegt jetzt und künftig auf Baumaßnahmen und Zuschüssen, die eine „doppelte
Rendite“ erwirtschaften. Wir fördern Zukunftsinvestitionen, die mittel- oder
langfristig Einsparungen für das Land bedeuten, zum Beispiel durch die
energetische Sanierung von landeseigenen Gebäuden. Das ist ein Beitrag zur
strukturellen Entlastung des Haushalts und schafft so langfristig auch wieder
finanzielle Spielräume. Dagegen setzen wir uns weiter für den Abbau von
klimaschädlichen Subventionen auf Landes-, Bundes- und auf EU-Ebene ein.
Mit einem modernen sozial-ökoligischenkommunalen Finanzausgleich, der besonders
die Bereiche Klima, Digitalisierung und Bildung berücksichtigt, stärken wir die
Daseinsvorsorge in den Städten und Gemeinden. Wir werden gemeinsam mit den
Kommunen darüber beraten, wie hochverschuldete Städte und Gemeinden auf dem Weg
der Haushaltskonsolidierungen weiter finanziell unterstützt und mittelfristig
entschuldet werden und die Auswirkungen der Corona-Pandemie bewältigt werden
können.
Für nachhaltige Investitionen auch in Zeiten knapper Kassen braucht es breite
Zustimmung. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen die Bürger*innen stärker als bisher an der
Gestaltung ihrer Städte und Gemeinden und der dafür erforderlichen
Ausgabenplanung beteiligen, unter anderem indem wir ihnen mehr Mitspracherechte
bei der Haushaltsplanung einräumen. Deshalb setzen wir uns für eine Ausweitung
der Bürger*innenhaushalte in Thüringer Kommunen ein. Auch auf der Landesebene
ist eine stärkere Beteiligung der Bürger*innen in Haushaltsfragen wünschenswert.
Wir wollen daher das Finanztabu bei Volksentscheiden abschaffen.
Aufarbeitung
Die politisch-historische Bildung ist angesichts unserer deutschen Vergangenheit
im 20. Jahrhundert und einer verstärkt aufkeimenden Zustimmung zu national-
autoritären Strukturen wichtiger denn je. Erschrecken muss auch, wie wenig
Wissen um unsere Vergangenheit gerade in der jüngeren Generation tatsächlich
vorhanden ist. Wir wollen daher die Bildungs- und Erinnerungsarbeit in unseren
Schulen und öffentlichen Institutionen konsequent fördern.
In der aktuellen Legislatur ist es uns BÜNDNISGRÜNEN gelungen, die Gedenkstätten
der Stiftung Buchenwald und Mittelbau-Dora mit ihren Außenstellen zu stärken und
ihre Finanzierung abzusichern. Das wollen und werden wir fortsetzen. Gleiches
gilt für Einrichtungen wie die Gedenkstätte Topf und Söhne, aber auch das
Deserteursdenkmal am Fuße des Petersberges in Erfurt und die ehemalige Haftzelle
im Abgeordnetenhaus des Thüringer Landtags, in dem einmal das sogenannte
Judenreferat seinen Sitz hatte und von wo aus die Deportationen der Thüringer
Jüd*innen organisiert wurden. Wir unterstützen konsequent zivilgesellschaftliche
Initiativen, die sich mit der Aufarbeitung des
Nationalsozialismusauseinandersetzen. Die Verfolgung von Sinti und Roma im
Nationalsozialismus ist gesamtgesellschaftlich wenig aufgearbeitet. Als
BÜNDNISGRÜNE werden wir uns weiterhin für eine Aufarbeitung und Sichtbarmachung
in Thüringen einsetzen. Der Antiziganismus ist auch in der Thüringer
Gesellschaft weit verbreitet. Deswegen gilt es die Zusammenarbeit mit dem
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sowie mit Opferhilfeeinrichtungen zu
intensivieren und für betroffene Sinti und Sintize sowie Rom*nja ein
angemessenes Beratungsangebot zu schaffen. Den 8. Mai als Tag der Befreiung
haben wir bewusst zum Gedenktag in Thüringen gemacht.
Knapp 30 Jahre nach der friedlichen Revolution ist die Aufarbeitung dieses Teils
der deutschen Geschichte und des SED-Unrechts noch immer nicht abgeschlossen.
Wir BÜNDNISGRÜNE wollen Menschen helfen und unterstützen, denen in der DDR
Unrecht widerfahren ist und die noch heute unter den Folgen leiden. Wir sind
davon überzeugt, dass die Aufarbeitung des hier begangenen und erlittenen
Unrechts und die Erinnerung daran das Fundament legen für unsere demokratische
Kultur heute und in Zukunft.
Thüringens Aufarbeitungslandschaft ist dezentral und heterogen. Diese
vielschichtigen Wege bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte der SED-
Diktatur und ihren Folgen müssen in Wissenschaft, Kultur und insbesondere der
Schul- und Erwachsenenbildung weiter verankert werden. Das Land Thüringen sollte
auf den sich abzeichnenden Umbau der Behörde des Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes adäquat reagieren und dort Strukturen
schaffen, wo sich der Bundesbeauftragte zurückzieht. An diesen Orten müssen die
Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und die Demokratiebildung an
außerschulischen Lernorten gewährleistet bleiben. Für die rechtliche Beratung im
Sinne der Rehabilitierungen und für psychosoziale Betreuung von Betroffenen des
SED-Unrechts ist es dabei unabdingbar, ein nachhaltiges, verlässliches, klar
strukturiertes und dadurch deutlich wahrnehmbares Angebot zu schaffen. Dabei
sollte die bereits vorhandene Struktur des Landesbeauftragten zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur genutzt und ausgebaut werden.
Wir sprechen uns dafür aus, die existierenden drei Außenstellen des
Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen in Thüringen als Orte, an denen
Akteneinsicht beantragt und genommen werden kann, weiter zu erhalten. Das sind
wir auch denen schuldig, die diese 1989 besetzt haben und dadurch die Akten vor
der Vernichtung bewahren konnten. Diese authentischen Erinnerungsorte an
Demokratie- und Diktaturerfahrungen in Erfurt, Gera und Suhl sowie die
Grenzlandmuseen wollen wir erhalten. Die Zusammenarbeit mit den lokalen
Zeitzeug*innen-Initiativen werden wir stärken. Die wissenschaftliche
Aufarbeitung der Verfolgung von Christ*innen in der DDR werden wir
sicherstellen. Auf Bundesebene machen wir uns weiter dafür stark, auch bisher
nicht bedachte Opfergruppen, wie verfolgte Schüler*innen, bei der Rehabilitation
mit aufzunehmen, anderen wie den ehemaligen Heimkindern wollen wir die
Anerkennung als Opfer der SED-Diktatur erleichtern. Die Entfristung der
Rehabilitierungsgesetze ist ein erster wichtiger Schritt. Fakt ist aber, dass
noch immer viele Betroffene keinerlei Entschädigung oder Unterstützung bekommen
und aufgrund ihrer Geschichte, Enteignungen oder gebrochenen Biografien erneut
von Armut bedroht sind. Dazu gehören auch viele Frauen, die in sogenannten
venerologischen Stationen eingesperrt und fürchterlichsten Misshandlungen
ausgesetzt waren. Das nehmen wir nicht hin und machen uns auf allen Ebenen für
spürbare Verbesserungen und umfassende Aufarbeitung stark.
Um insbesondere die soziale Lage der SED-Opfer heute genauer zu analysieren,
unterstützen wir das Vorhaben des Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur, eine erneute Studie zur sozialen Lage der Betroffenen auf den
Weg zu bringen, da letzte Daten bereits mehr als zehn Jahre alt sind. Zur
Verbesserung der sozialen Lage der SED-Opfer machen wir uns dafür stark, dass
Entschädigungsleistungen für erlittenes SED-Unrecht von Bedürftigkeitsprüfungen
und Partner*inneneinkommen entkoppelt werden. Wir werden prüfen, welche Mittel
zur Kompensation der durch Bedürftigkeitsprüfungen und Einbeziehung von
Partner*inneneinkommen reduzierten Entschädigungsleistungen eingesetzt werden
können.
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