Antrag: | Wir bewahren unsere Umwelt und schützen das Klima (Gutes Leben: In Stadt und Land) |
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Antragsteller*in: | Jasper Robeck (KV Erfurt) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 20.04.2021, 09:51 |
Ä27 zu A9NEU: Wir bewahren unsere Umwelt und schützen das Klima (Gutes Leben: In Stadt und Land)
Antragstext
Von Zeile 199 bis 200 einfügen:
Energiestandards mit ökologischen Baumaterialien und urbane Gärten gehören für uns dazu. Die Verwendung ökologischer Baumaterialien wollen wir in der Thüringer Bauordnung vereinfachen.
Egal, wen man fragt, was Thüringen liebenswert macht: Man wird kaum die gleiche
Antwort zweimal bekommen. Thüringen lebt von seiner Vielfalt und seinen
Gegensätzen: Berg und Wald genauso wie Feld und Aue, Flüsse und Weinberge,
lebhafte Städte und liebenswerte Dörfer – all das sind keine Widersprüche,
sondern machen die Mannigfaltigkeit unseres Landes und seiner vielfältigen
Regionen aus. Diese zu erhalten, ist unser Ziel für Thüringen. Menschen sollen
da gut leben können, wo sie leben wollen. Sie sollen überall gleiche Chancen
haben, eine gute Arbeit für sich oder die richtige Schule für ihre Kinder zu
finden, die benötigte medizinische Versorgung zu erhalten, eine
Theatervorführung zu besuchen oder sich in intakter Natur zu erholen. Bezahlbare
Wohnungen, gute Verkehrsanbindungen, kurze Wege in die Natur: All diese Aspekte
entscheiden gemeinsam über die Lebensqualität heute und die Chancen einer Region
in der Zukunft.
Das Leben in unseren Dörfern und in unseren Städten könnte solch ein "buen
vivir" - ein gutes Leben im Einklang mit den Kapazitäten unserer Erde - sein,
und doch ist es das für viele aktuell nicht mehr. Denn auch in Thüringen
verlassen jüngere Menschen die ländlichen Regionen und ziehen in die Städte. Der
demografische Wandel trifft manche Landstriche hart. In den Städten hingegen
werden die Wohnungen knapp und steigen die Mieten. Was läuft falsch?
Der Abbau kleinteiliger, wirtschaftlicher Strukturen vor Ort, eine
kontinuierliche Intensivierung der Landwirtschaft, sowie der demografische
Wandel haben in den ländlichen Regionen Thüringens in den letzten Jahrzehnten
viele Probleme mit sich gebracht:
Die natürliche Bodenfruchtbarkeit und die Fähigkeit der Böden, sauberes
Trinkwasser zu generieren wie auch die natürliche Artenvielfalt nehmen durch die
flächendeckend hohe Mechanisierung und den intensiven Einsatz von Pestiziden und
chemischen Düngern in der Landwirtschaft kontinuierlich ab. Damit sind wichtige
Lebensgrundlagen gefährdet.
Zugleich gibt es immer weniger Arbeitsplätze vor Ort. Die Dorfbewohner*innen
müssen immer längere Wege zurücklegen, um einer Erwerbsarbeit nachgehen zu
können. Die Umsetzung eines nachhaltigen Lebensstils ist dadurch oft erschwert.
Die fehlenden Arbeits- und Einkaufsmöglichkeiten und die Ausdünnung sozialer
Infrastrukturen vor Ort führen zu einem Übergewicht des Individualverkehrs und
zu einer zunehmenden Abwanderung in die Städte und in die Stadtperipherie.
Hierdurch ergeben sich zunehmend Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung
lokaler und regionaler Wirtschaftskreisläufe und der Bewahrung der
Daseinsvorsorge im ländlichen Raum.
Durch die Abwanderung gibt es immer mehr leer stehende Immobilien, deren
Unterhaltungsaufwand oder deren notwendiger Abbruch Kommunen und private
Eigentümer*innen schwer belastet oder überfordert. Davon sind insbesondere auch
die kleinen und mittelgroßen Städte Thüringens betroffen.
Abwanderung und Überalterung der Bevölkerung erschweren aber auch zunehmend die
Aufrechterhaltung wichtiger Elemente der Daseinsvorsorge - etwa von Kidergärten,
Schulen, Arztpraxen u.a. - und damit letzlich auch eines lebendigen sozialen und
kulturellen Lebens. Es fehlen die Orte und die Anlässe zur Begegnung und zum
Austausch.
Diesen Fehlentwicklungen entgegen zu wirken und damit weiten Bevölkerungskreisen
wieder ein gutes Leben auf dem Land und in den vielen Kleinstädten Thüringens zu
ermöglichen ist unser Ziel. Damit einher geht eine Neu-Bewertung der Beziehung
von Stand und Land und damit ein frischer Blick auf die zunehmende Bedeutung von
regionalem Zusammenwirken. Den ländlichen Raum zu regenerieren wird letztlich
auch den Zuwanderungsdruck von den größeren Städten Mittelthüringens nehmen und
damit auch deren lebenswerte Entwicklung befördern.
Daseinsvorsorge im ländlichen Raum
Es lebe das Dorf! Wir BÜNDNISGRÜNE wollen die Menschen in den Dörfern darin
unterstützen, ihre Kulturlandschaft zu erhalten und wieder zu regenerieren,
regionale Wirtschaftskreisläufe und Beschäftigung vor Ort zu schaffen,
nachbarschaftliche und dorfübergreifende Unterstützungsnetzwerke aufzubauen und
ein reiches kulturelles Leben mit Angeboten für alle Generationen zu bewahren
und weiterzuentwickeln. Diese Strategie hat viele Bausteine:
Wir BÜNDNISGRÜNE unterstützen Bemühungen, Artenvielfalt zurück in den ländlichen
Raum zu holen: etwa durch den Anbau regional typischer Gemüse- und
Getreidesorten, durch die Wiederbelebung unserer Streuobstwiesen mit heimischen
Obstsorten, durch das Anlegen von Agroforstsystemen, wegbegleitenden Hecken oder
durch eine extensive Pflege gemeindlicher Grünflächen und privater Gärten,
welche bspw. Vögeln und Insekten wieder eine Überlebenschance geben.
Wir unterstützen Bemühungen, die durch Klimawandel, Übernutzung und eine
umweltschädigende Land- und Forstwirtschaft aus dem Gleichgewicht geratenen
Wasserkreisläufe zu regenerieren: durch angepasste Landbewirtschaftung, die
Vermeidung wassergefährdender Stoffe, durch Wassersparmaßnahmen und durch eine
dezentrale, umweltfreundliche Aufbereitung der Abwässer. Wir setzen uns ein für
den Erhalt und die Regeneration der Fruchtbarkeit unserer Böden und für eine
dezentrale Kompostierung und energetische Nutzung der organischen Stoffe.
Wir wollen dazu beitragen, Initiativen für ein regionales Wirtschaften zu
stärken: etwa Projekte der Solidarischen Landwirtschaft,
Bürgerenergiegenossenschaften, Waldgenossenschaften, Dorfläden, regionales
Handwerk und die Einführung innovativer, umweltgerechter Technologien - etwa von
Agrophotovoltaikanlagen, hölzernen Windrädern, kalten Nahwärmenetzen oder
nachwachsenden und umweltverträglichen Rohstoffen im Bauwesen (Holz, Stroh, Lehm
Hanf u.a.). Wir helfen beim Aufbau einer gemeinwohlorientierten
Kreislaufwirtschaft, bei der Entwicklung regionaler Währungen. Wir wollen, dass
die Wertschöpfung unserer Wirtschaft wieder den Menschen in der Region zugute
kommt und wir setzen uns ein für eine Vorbildwirkung der öffentlichen Hand in
ihren Praktiken von umweltfreundlicher Anschaffung und Auftragsvergabe.
Wir BÜNDNISGRÜNE stehen für eine Mobilitätsgarantie im ländlichen Raum und
wollen diese mit der flächendeckenden Einführung von Rufbussen, einem weiteren
Ausbau des Schienenverkehrs und guter Radwegeverbindungen befördern. Menschen,
die mit Carsharing-Modellen, Mitfahrbänken und Mitfahr-Apps zum Teilen von PKW
übergehen, werden wir darin unterstützen und den Ausbau der Elektromobilität
weiter voranbringen.
Schnelles Internet ist nicht nur ein Standortfaktor für Unternehmen, sondern
auch Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Zudem bietet die
Digitalisierung neue Chancen für das Leben auf dem Land – sei es durch Arbeit im
Homeoffice, Telemedizin oder beim Carsharing. Gute Versorgung gehört dazu, nicht
für jeden Einkauf will und muss man in die Stadt fahren. Der Aufbau solidarisch
unterstützter Landwirtschaftsbetriebe, kleinteiliger Dorfläden und die bessere
Unterstützung von Direktvermarkter*innen können die Versorgung mit Brot, Gemüse,
Obst, Fleisch, Milch und Käse übernehmen. Örtliche Gaststätten könnten durch die
Integration von Catering-Angeboten für Senior*innen und für die lokalen
Kindergärten und Schulen eine bessere Auslastung und Überlebenschance erhalten.
Dann kommt das Essen von der Gärtnerei über das Catering direkt zu den Menschen
vor Ort.
Kurze Wege für kleine Füße muss auch gelten, wenn es um die Kindergärten und die
Schulen im ländlichen Raum geht. Ganztägige Kinderbetreuung und
jahrgangsübergreifendes Lernen gehören auch in den dünner besiedelten Gebieten
dazu. Kindergärten und Schulen in Freier Trägerschaft zeigen bereits, dass sich
dies auch in kleinteiligen Maßstäben mit guter sozialer Einbettung und
wirtschaftlicher Tragfähigkeit umsetzen lässt. Wenn Arztpraxen schließen, werden
die Wege zum Arzt länger, ist gesundheitliche Versorgung nicht mehr
selbstverständlich. Deshalb setzen wir uns für Anreize für Hausärzt*innen auf
dem Land ein, zum Beispiel durch die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten.
Nicht zuletzt benötigt Gemeinwohl Unterstützung durch bürgerschaftliches
Engagement. Wir BÜNDNISGRÜNE stehen für eine Kultur des Mitmachens. Jede und
jeder ist wichtig und wird gebraucht, sei es bei der Erstellung einer
Ortschronik, der Alltags-Unterstützung von Senior*innen, in Sport- und
Kulturvereinen oder bei der Organisation von Maibaumsetzen und Kirmes.
Engagement für das Gemeinwohl bedarf eines zentralen Treffpunkts, an dem
alltägliche Besorgungen gemacht werden können, Menschen sich begegnen und
gegenseitig unterstützen. Das stärkt die dörfliche Gemeinschaft und damit das
Leben im ländlichen Raum. Daher setzen wir uns für die Förderung und Etablierung
multifunktional nutzbarer Orte der Daseinsvorsorge in kleinen Ortschaften ein.
Kern des „Dorfgemeinschafthauses“ als einem lebendigen Dorfmittelpunkt können
Schulhort, Praxisräume für Hausärzt*innen beziehungsweise Gemeindeschwestern
oder ein kleiner Laden sein. Mit einer Anbindung ans Breitbandinternet schaffen
wir die Voraussetzung für Telemedizin und E-Learning inklusive kostenlosem WLAN.
Darüber hinaus bietet dieses Dorfgemeinschaftshaus die Möglichkeit einer
Poststation und eines Geldautomaten oder eine Bücherbox für die regionale
Bücherei. Vereine finden hier Räume für Versammlungen und Feste und auch die
selbstorganisierte freie Jugendkulturszene hat hier ihren Platz. In
Zusammenarbeit mit den regionalen Aktionsgruppen (RAG) wollen wir Pilotprojekte
dazu mit Fördermitteln unterstützen. Dabei legen wir den Fokus auf die
Unterstützung von Initiativen, die sich vor Ort aktiv einbringen, auf kreative
Nutzungskonzepte sowie die Umnutzung von Bestandsgebäuden. Auch die bis zum Jahr
2023 laufende IBA bietet eine Reihe von Anknüpfungspunkten für einen
lebenswerten ländlichen Raum, von denen wir lernen wollen, beispielsweise durch
das Projekt „UmbauLeergut“.
Klar ist aber auch, dass nicht an jedem Ort jede öffentliche Infrastruktur
vorgehalten werden kann. Zusammenarbeit und Kooperation zwischen den Städten und
dem Umland ist deswegen unerlässlich. Egal ob Busfahrpläne, Schulnetzplanung
oder Wirtschaftsförderung - es gibt viele Möglichkeiten der Kooperation zum
Wohle der Menschen vor Ort und in der Region. Wir wollen diese freiwilligen
Formen der Zusammenarbeit und bürger*innenschaftlichen Mitgestaltung befördern
und mitinitiieren - etwas in der Form von Nachhaltigkeitsbeiräten in Gemeinden
oder von regionalen Bürger*innenräten in unseren Landkreisen.
Wohnungspolitik und Bauen in der Stadt
Und in der Stadt? Jeder Mensch soll nach der eigenen Vorstellung glücklich und
selbstbestimmt leben können. Unsere Städte sollen vielfältig sein, Orte der
Begegnung und des Austauschs zwischen den unterschiedlichsten Menschen. Orte der
Kommunikation, mit einem reichhaltigen kulturellen Angebot. Sie sollen sicher
sein und die Menschen sollen sich sicher fühlen. Aber für viele Städter*innen -
insbesondere für Familien - ist die Suche nach einer bezahlbaren, geeigneten
Wohnung längst zur Herausforderung geworden. Wir wollen, dass die Mieten und das
Eigentum an selbst bewohntem Wohnraum auch in wachsenden Städten bezahlbar
bleiben. Andere Städte wiederum kämpfen mit der Abwanderung von Einwohner*innen
und benötigen nach wie vor Unterstützung beim Umbau ganzer Quartiere. Das
Förderprogramm „Soziale Stadt“ muss auch durch die Landesebene weiter finanziert
werden, um beispielsweise öffentliche Räume oder Stadtteilbüros finanzieren zu
können. Ortskerne und Zentren sollen lebenswert bleiben, Geschäfte sollen nicht
weiter vor die Tore der Städte auf die grüne Wiese verlagert werden. Für diese
Herausforderung braucht es leistungsfähige Kommunen, die über ausreichend und
gut qualifizierte Mitarbeiter*innen verfügen.
In Erfurt, Jena und einigen anderen Städten ist die Suche nach einer bezahlbaren
Wohnung für viele zu einer zeitraubenden Herausforderung geworden. Nicht nur
steigende Mieten schüren bei manchen die Sorge, sich die eigene Wohnung in
Zukunft vielleicht nicht mehr leisten zu können. Wohnen ist zu einer sozialen
Frage geworden. Bezahlbares Wohnen ist ein elementarer Bestandteil sozialer
Sicherung. Der Geldbeutel allein darf nicht darüber entscheiden, wo und wie wir
wohnen. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen eine Wohnungspolitik, die sich am Gemeinwohl
orientiert. In Städten mit stark umkämpften Wohnungsmarkt wollen wir sozial
gebundenen und bezahlbaren Wohnraum fördern. Das dafür existierende
Förderprogramm wollen wir fortsetzen, um Planungssicherheit zu gewährleisten. 75
Prozent des Wohnungsneubaus in Thüringen kommt von kommunalen und
genossenschaftlichen Unternehmen. Diesen Weg wollen wir weiter beschreiten,
dabei sind Kommunen, Wohnungsgesellschaften und Mieterbund, aber auch
Baugemeinschaften oder Bürger*innenenergiegenossenschaften unsere Partner. Statt
Flächen ausschließlich nach Höchstgebot zu vergeben, sollen durch Konzeptvergabe
vorrangig ökologische, soziale oder kulturelle Projekte berücksichtigt werden.
Die Landesebene hat hierbei eine Vorbildfunktion, wenn es um den Verkauf von
Landesliegenschaften geht. Diese sollen vorrangig im Erbbaurecht vergeben
werden. Baulandmodelle und ähnliche bodenpolitische Instrumente wollen wir
fördern, um zum Beispiel einen Sozialwohnungsanteil von mindestens 20 Prozent
bei Neubauten festzuschreiben und für diese Wohnungen Bindungsfristen und
Mietpreisbindung zu verlängern. Spekulationen mit Bauland werden wir begegnen,
indem wir Kommunen beim Erwerb von Bauland unterstützen, insbesondere bei der
Nutzung des Vorkaufsrechts, und die Erarbeitung von langfristigen
Entwicklungsstrategien fördern. Zum Mieter*innenschutz unterstützen wir die
Kommunen bei der Erstellung von qualifizierten Mietpreisspiegeln und mit
schnelleren und schärferen Eingriffsmöglichkeiten bei Zweckentfremdungen. Wir
wollen die Einführung eines Mietpreisdeckels prüfen, um Sicherheit für
Mieter*innen in großen Städten zu schaffen. Drohende Obdachlosigkeit soll schon
vor dem Verlust der Wohnung abgewendet werden. Wir setzen uns für die Stärkung
der kommunalen Fachstellen für Wohnungssicherung ein, die bereits präventiv und
beratend mit sozialpädagogischer Hilfe tätig werden. Wir wollen ökologisches
Bauen forcieren, sozialen Wohnraum schaffen und dabei für die Einhaltung hoher
städtebaulicher Qualität sorgen. Innenentwicklung vor Außenentwicklung, kurze
Wege, die ein Leben ohne eigenes Auto begünstigen, barrierefreie Wohnungen, eine
nachhaltige Quartiersentwicklung mit Kindergarten und Anwohnertreff, die
Anbindung an soziale und kulturelle Infrastruktur, zukunftsweisende
Energiestandards mit ökologischen Baumaterialien und urbane Gärten gehören für
uns dazu. Die Verwendung ökologischer Baumaterialien wollen wir in der Thüringer Bauordnung vereinfachen.
In den Wohngebieten werden wir Modellprojekte für autofreies Wohnen fördern.
Eine kinderfreundliche Wohnumfeldgestaltung kann Voraussetzung für Förderungen
werden. Wir werden Thüringens Innenstädte neu denken, die Aufenthalts- und
Lebensqualität deutlich stärken und den Menschen wieder mehr Begegnungsraum
geben. Dafür werden wir die Kernbereiche der Innenstädte autofrei machen und die
Durchfahrtsmöglichkeiten einschränken.
Von Zeile 199 bis 200 einfügen:
Energiestandards mit ökologischen Baumaterialien und urbane Gärten gehören für uns dazu. Die Verwendung ökologischer Baumaterialien wollen wir in der Thüringer Bauordnung vereinfachen.
Egal, wen man fragt, was Thüringen liebenswert macht: Man wird kaum die gleiche
Antwort zweimal bekommen. Thüringen lebt von seiner Vielfalt und seinen
Gegensätzen: Berg und Wald genauso wie Feld und Aue, Flüsse und Weinberge,
lebhafte Städte und liebenswerte Dörfer – all das sind keine Widersprüche,
sondern machen die Mannigfaltigkeit unseres Landes und seiner vielfältigen
Regionen aus. Diese zu erhalten, ist unser Ziel für Thüringen. Menschen sollen
da gut leben können, wo sie leben wollen. Sie sollen überall gleiche Chancen
haben, eine gute Arbeit für sich oder die richtige Schule für ihre Kinder zu
finden, die benötigte medizinische Versorgung zu erhalten, eine
Theatervorführung zu besuchen oder sich in intakter Natur zu erholen. Bezahlbare
Wohnungen, gute Verkehrsanbindungen, kurze Wege in die Natur: All diese Aspekte
entscheiden gemeinsam über die Lebensqualität heute und die Chancen einer Region
in der Zukunft.
Das Leben in unseren Dörfern und in unseren Städten könnte solch ein "buen
vivir" - ein gutes Leben im Einklang mit den Kapazitäten unserer Erde - sein,
und doch ist es das für viele aktuell nicht mehr. Denn auch in Thüringen
verlassen jüngere Menschen die ländlichen Regionen und ziehen in die Städte. Der
demografische Wandel trifft manche Landstriche hart. In den Städten hingegen
werden die Wohnungen knapp und steigen die Mieten. Was läuft falsch?
Der Abbau kleinteiliger, wirtschaftlicher Strukturen vor Ort, eine
kontinuierliche Intensivierung der Landwirtschaft, sowie der demografische
Wandel haben in den ländlichen Regionen Thüringens in den letzten Jahrzehnten
viele Probleme mit sich gebracht:
Die natürliche Bodenfruchtbarkeit und die Fähigkeit der Böden, sauberes
Trinkwasser zu generieren wie auch die natürliche Artenvielfalt nehmen durch die
flächendeckend hohe Mechanisierung und den intensiven Einsatz von Pestiziden und
chemischen Düngern in der Landwirtschaft kontinuierlich ab. Damit sind wichtige
Lebensgrundlagen gefährdet.
Zugleich gibt es immer weniger Arbeitsplätze vor Ort. Die Dorfbewohner*innen
müssen immer längere Wege zurücklegen, um einer Erwerbsarbeit nachgehen zu
können. Die Umsetzung eines nachhaltigen Lebensstils ist dadurch oft erschwert.
Die fehlenden Arbeits- und Einkaufsmöglichkeiten und die Ausdünnung sozialer
Infrastrukturen vor Ort führen zu einem Übergewicht des Individualverkehrs und
zu einer zunehmenden Abwanderung in die Städte und in die Stadtperipherie.
Hierdurch ergeben sich zunehmend Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung
lokaler und regionaler Wirtschaftskreisläufe und der Bewahrung der
Daseinsvorsorge im ländlichen Raum.
Durch die Abwanderung gibt es immer mehr leer stehende Immobilien, deren
Unterhaltungsaufwand oder deren notwendiger Abbruch Kommunen und private
Eigentümer*innen schwer belastet oder überfordert. Davon sind insbesondere auch
die kleinen und mittelgroßen Städte Thüringens betroffen.
Abwanderung und Überalterung der Bevölkerung erschweren aber auch zunehmend die
Aufrechterhaltung wichtiger Elemente der Daseinsvorsorge - etwa von Kidergärten,
Schulen, Arztpraxen u.a. - und damit letzlich auch eines lebendigen sozialen und
kulturellen Lebens. Es fehlen die Orte und die Anlässe zur Begegnung und zum
Austausch.
Diesen Fehlentwicklungen entgegen zu wirken und damit weiten Bevölkerungskreisen
wieder ein gutes Leben auf dem Land und in den vielen Kleinstädten Thüringens zu
ermöglichen ist unser Ziel. Damit einher geht eine Neu-Bewertung der Beziehung
von Stand und Land und damit ein frischer Blick auf die zunehmende Bedeutung von
regionalem Zusammenwirken. Den ländlichen Raum zu regenerieren wird letztlich
auch den Zuwanderungsdruck von den größeren Städten Mittelthüringens nehmen und
damit auch deren lebenswerte Entwicklung befördern.
Daseinsvorsorge im ländlichen Raum
Es lebe das Dorf! Wir BÜNDNISGRÜNE wollen die Menschen in den Dörfern darin
unterstützen, ihre Kulturlandschaft zu erhalten und wieder zu regenerieren,
regionale Wirtschaftskreisläufe und Beschäftigung vor Ort zu schaffen,
nachbarschaftliche und dorfübergreifende Unterstützungsnetzwerke aufzubauen und
ein reiches kulturelles Leben mit Angeboten für alle Generationen zu bewahren
und weiterzuentwickeln. Diese Strategie hat viele Bausteine:
Wir BÜNDNISGRÜNE unterstützen Bemühungen, Artenvielfalt zurück in den ländlichen
Raum zu holen: etwa durch den Anbau regional typischer Gemüse- und
Getreidesorten, durch die Wiederbelebung unserer Streuobstwiesen mit heimischen
Obstsorten, durch das Anlegen von Agroforstsystemen, wegbegleitenden Hecken oder
durch eine extensive Pflege gemeindlicher Grünflächen und privater Gärten,
welche bspw. Vögeln und Insekten wieder eine Überlebenschance geben.
Wir unterstützen Bemühungen, die durch Klimawandel, Übernutzung und eine
umweltschädigende Land- und Forstwirtschaft aus dem Gleichgewicht geratenen
Wasserkreisläufe zu regenerieren: durch angepasste Landbewirtschaftung, die
Vermeidung wassergefährdender Stoffe, durch Wassersparmaßnahmen und durch eine
dezentrale, umweltfreundliche Aufbereitung der Abwässer. Wir setzen uns ein für
den Erhalt und die Regeneration der Fruchtbarkeit unserer Böden und für eine
dezentrale Kompostierung und energetische Nutzung der organischen Stoffe.
Wir wollen dazu beitragen, Initiativen für ein regionales Wirtschaften zu
stärken: etwa Projekte der Solidarischen Landwirtschaft,
Bürgerenergiegenossenschaften, Waldgenossenschaften, Dorfläden, regionales
Handwerk und die Einführung innovativer, umweltgerechter Technologien - etwa von
Agrophotovoltaikanlagen, hölzernen Windrädern, kalten Nahwärmenetzen oder
nachwachsenden und umweltverträglichen Rohstoffen im Bauwesen (Holz, Stroh, Lehm
Hanf u.a.). Wir helfen beim Aufbau einer gemeinwohlorientierten
Kreislaufwirtschaft, bei der Entwicklung regionaler Währungen. Wir wollen, dass
die Wertschöpfung unserer Wirtschaft wieder den Menschen in der Region zugute
kommt und wir setzen uns ein für eine Vorbildwirkung der öffentlichen Hand in
ihren Praktiken von umweltfreundlicher Anschaffung und Auftragsvergabe.
Wir BÜNDNISGRÜNE stehen für eine Mobilitätsgarantie im ländlichen Raum und
wollen diese mit der flächendeckenden Einführung von Rufbussen, einem weiteren
Ausbau des Schienenverkehrs und guter Radwegeverbindungen befördern. Menschen,
die mit Carsharing-Modellen, Mitfahrbänken und Mitfahr-Apps zum Teilen von PKW
übergehen, werden wir darin unterstützen und den Ausbau der Elektromobilität
weiter voranbringen.
Schnelles Internet ist nicht nur ein Standortfaktor für Unternehmen, sondern
auch Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Zudem bietet die
Digitalisierung neue Chancen für das Leben auf dem Land – sei es durch Arbeit im
Homeoffice, Telemedizin oder beim Carsharing. Gute Versorgung gehört dazu, nicht
für jeden Einkauf will und muss man in die Stadt fahren. Der Aufbau solidarisch
unterstützter Landwirtschaftsbetriebe, kleinteiliger Dorfläden und die bessere
Unterstützung von Direktvermarkter*innen können die Versorgung mit Brot, Gemüse,
Obst, Fleisch, Milch und Käse übernehmen. Örtliche Gaststätten könnten durch die
Integration von Catering-Angeboten für Senior*innen und für die lokalen
Kindergärten und Schulen eine bessere Auslastung und Überlebenschance erhalten.
Dann kommt das Essen von der Gärtnerei über das Catering direkt zu den Menschen
vor Ort.
Kurze Wege für kleine Füße muss auch gelten, wenn es um die Kindergärten und die
Schulen im ländlichen Raum geht. Ganztägige Kinderbetreuung und
jahrgangsübergreifendes Lernen gehören auch in den dünner besiedelten Gebieten
dazu. Kindergärten und Schulen in Freier Trägerschaft zeigen bereits, dass sich
dies auch in kleinteiligen Maßstäben mit guter sozialer Einbettung und
wirtschaftlicher Tragfähigkeit umsetzen lässt. Wenn Arztpraxen schließen, werden
die Wege zum Arzt länger, ist gesundheitliche Versorgung nicht mehr
selbstverständlich. Deshalb setzen wir uns für Anreize für Hausärzt*innen auf
dem Land ein, zum Beispiel durch die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten.
Nicht zuletzt benötigt Gemeinwohl Unterstützung durch bürgerschaftliches
Engagement. Wir BÜNDNISGRÜNE stehen für eine Kultur des Mitmachens. Jede und
jeder ist wichtig und wird gebraucht, sei es bei der Erstellung einer
Ortschronik, der Alltags-Unterstützung von Senior*innen, in Sport- und
Kulturvereinen oder bei der Organisation von Maibaumsetzen und Kirmes.
Engagement für das Gemeinwohl bedarf eines zentralen Treffpunkts, an dem
alltägliche Besorgungen gemacht werden können, Menschen sich begegnen und
gegenseitig unterstützen. Das stärkt die dörfliche Gemeinschaft und damit das
Leben im ländlichen Raum. Daher setzen wir uns für die Förderung und Etablierung
multifunktional nutzbarer Orte der Daseinsvorsorge in kleinen Ortschaften ein.
Kern des „Dorfgemeinschafthauses“ als einem lebendigen Dorfmittelpunkt können
Schulhort, Praxisräume für Hausärzt*innen beziehungsweise Gemeindeschwestern
oder ein kleiner Laden sein. Mit einer Anbindung ans Breitbandinternet schaffen
wir die Voraussetzung für Telemedizin und E-Learning inklusive kostenlosem WLAN.
Darüber hinaus bietet dieses Dorfgemeinschaftshaus die Möglichkeit einer
Poststation und eines Geldautomaten oder eine Bücherbox für die regionale
Bücherei. Vereine finden hier Räume für Versammlungen und Feste und auch die
selbstorganisierte freie Jugendkulturszene hat hier ihren Platz. In
Zusammenarbeit mit den regionalen Aktionsgruppen (RAG) wollen wir Pilotprojekte
dazu mit Fördermitteln unterstützen. Dabei legen wir den Fokus auf die
Unterstützung von Initiativen, die sich vor Ort aktiv einbringen, auf kreative
Nutzungskonzepte sowie die Umnutzung von Bestandsgebäuden. Auch die bis zum Jahr
2023 laufende IBA bietet eine Reihe von Anknüpfungspunkten für einen
lebenswerten ländlichen Raum, von denen wir lernen wollen, beispielsweise durch
das Projekt „UmbauLeergut“.
Klar ist aber auch, dass nicht an jedem Ort jede öffentliche Infrastruktur
vorgehalten werden kann. Zusammenarbeit und Kooperation zwischen den Städten und
dem Umland ist deswegen unerlässlich. Egal ob Busfahrpläne, Schulnetzplanung
oder Wirtschaftsförderung - es gibt viele Möglichkeiten der Kooperation zum
Wohle der Menschen vor Ort und in der Region. Wir wollen diese freiwilligen
Formen der Zusammenarbeit und bürger*innenschaftlichen Mitgestaltung befördern
und mitinitiieren - etwas in der Form von Nachhaltigkeitsbeiräten in Gemeinden
oder von regionalen Bürger*innenräten in unseren Landkreisen.
Wohnungspolitik und Bauen in der Stadt
Und in der Stadt? Jeder Mensch soll nach der eigenen Vorstellung glücklich und
selbstbestimmt leben können. Unsere Städte sollen vielfältig sein, Orte der
Begegnung und des Austauschs zwischen den unterschiedlichsten Menschen. Orte der
Kommunikation, mit einem reichhaltigen kulturellen Angebot. Sie sollen sicher
sein und die Menschen sollen sich sicher fühlen. Aber für viele Städter*innen -
insbesondere für Familien - ist die Suche nach einer bezahlbaren, geeigneten
Wohnung längst zur Herausforderung geworden. Wir wollen, dass die Mieten und das
Eigentum an selbst bewohntem Wohnraum auch in wachsenden Städten bezahlbar
bleiben. Andere Städte wiederum kämpfen mit der Abwanderung von Einwohner*innen
und benötigen nach wie vor Unterstützung beim Umbau ganzer Quartiere. Das
Förderprogramm „Soziale Stadt“ muss auch durch die Landesebene weiter finanziert
werden, um beispielsweise öffentliche Räume oder Stadtteilbüros finanzieren zu
können. Ortskerne und Zentren sollen lebenswert bleiben, Geschäfte sollen nicht
weiter vor die Tore der Städte auf die grüne Wiese verlagert werden. Für diese
Herausforderung braucht es leistungsfähige Kommunen, die über ausreichend und
gut qualifizierte Mitarbeiter*innen verfügen.
In Erfurt, Jena und einigen anderen Städten ist die Suche nach einer bezahlbaren
Wohnung für viele zu einer zeitraubenden Herausforderung geworden. Nicht nur
steigende Mieten schüren bei manchen die Sorge, sich die eigene Wohnung in
Zukunft vielleicht nicht mehr leisten zu können. Wohnen ist zu einer sozialen
Frage geworden. Bezahlbares Wohnen ist ein elementarer Bestandteil sozialer
Sicherung. Der Geldbeutel allein darf nicht darüber entscheiden, wo und wie wir
wohnen. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen eine Wohnungspolitik, die sich am Gemeinwohl
orientiert. In Städten mit stark umkämpften Wohnungsmarkt wollen wir sozial
gebundenen und bezahlbaren Wohnraum fördern. Das dafür existierende
Förderprogramm wollen wir fortsetzen, um Planungssicherheit zu gewährleisten. 75
Prozent des Wohnungsneubaus in Thüringen kommt von kommunalen und
genossenschaftlichen Unternehmen. Diesen Weg wollen wir weiter beschreiten,
dabei sind Kommunen, Wohnungsgesellschaften und Mieterbund, aber auch
Baugemeinschaften oder Bürger*innenenergiegenossenschaften unsere Partner. Statt
Flächen ausschließlich nach Höchstgebot zu vergeben, sollen durch Konzeptvergabe
vorrangig ökologische, soziale oder kulturelle Projekte berücksichtigt werden.
Die Landesebene hat hierbei eine Vorbildfunktion, wenn es um den Verkauf von
Landesliegenschaften geht. Diese sollen vorrangig im Erbbaurecht vergeben
werden. Baulandmodelle und ähnliche bodenpolitische Instrumente wollen wir
fördern, um zum Beispiel einen Sozialwohnungsanteil von mindestens 20 Prozent
bei Neubauten festzuschreiben und für diese Wohnungen Bindungsfristen und
Mietpreisbindung zu verlängern. Spekulationen mit Bauland werden wir begegnen,
indem wir Kommunen beim Erwerb von Bauland unterstützen, insbesondere bei der
Nutzung des Vorkaufsrechts, und die Erarbeitung von langfristigen
Entwicklungsstrategien fördern. Zum Mieter*innenschutz unterstützen wir die
Kommunen bei der Erstellung von qualifizierten Mietpreisspiegeln und mit
schnelleren und schärferen Eingriffsmöglichkeiten bei Zweckentfremdungen. Wir
wollen die Einführung eines Mietpreisdeckels prüfen, um Sicherheit für
Mieter*innen in großen Städten zu schaffen. Drohende Obdachlosigkeit soll schon
vor dem Verlust der Wohnung abgewendet werden. Wir setzen uns für die Stärkung
der kommunalen Fachstellen für Wohnungssicherung ein, die bereits präventiv und
beratend mit sozialpädagogischer Hilfe tätig werden. Wir wollen ökologisches
Bauen forcieren, sozialen Wohnraum schaffen und dabei für die Einhaltung hoher
städtebaulicher Qualität sorgen. Innenentwicklung vor Außenentwicklung, kurze
Wege, die ein Leben ohne eigenes Auto begünstigen, barrierefreie Wohnungen, eine
nachhaltige Quartiersentwicklung mit Kindergarten und Anwohnertreff, die
Anbindung an soziale und kulturelle Infrastruktur, zukunftsweisende
Energiestandards mit ökologischen Baumaterialien und urbane Gärten gehören für
uns dazu. Die Verwendung ökologischer Baumaterialien wollen wir in der Thüringer Bauordnung vereinfachen.
In den Wohngebieten werden wir Modellprojekte für autofreies Wohnen fördern.
Eine kinderfreundliche Wohnumfeldgestaltung kann Voraussetzung für Förderungen
werden. Wir werden Thüringens Innenstädte neu denken, die Aufenthalts- und
Lebensqualität deutlich stärken und den Menschen wieder mehr Begegnungsraum
geben. Dafür werden wir die Kernbereiche der Innenstädte autofrei machen und die
Durchfahrtsmöglichkeiten einschränken.
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