Veranstaltung: | Wahlprogrammprozess 2.0 |
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Antragsteller*in: | LaVo |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.03.2021, 10:24 |
A3: Wir bewahren unsere Umwelt und schützen das Klima - RPÄAMBEL
Antragstext
Unser Thüringen ist einzigartig schön. Wer den Blick von der Leuchtenburg bei
Kahla über das Saaletal schweifen lässt, entlang des Rennsteigs zum Großen
Beerberg wandert oder auf einer Radtour an der Weißen Elster unterwegs ist, kann
sich unserem Naturreichtum kaum entziehen. Ein Drittel der Gesamtfläche des
Landes nehmen allein die Nationalen Naturlandschaften ein, also der Nationalpark
Hainich, die beiden Biosphärenreservate Rhön und Thüringer Wald und die fünf
Naturparke. Hier tragen wir eine besondere Verantwortung für die Bewahrung der
Biodiversität, für Vielfalt und geschützte Naturräume. Gerade unser Nationalpark
zeigt unter dem Motto „Natur Natur sein lassen“, wie wertvoll ungestörte
Habitate und wie reizvoll unberührte Natur sein können. Er ist europäischer
Publikumsmagnet. Dazu kommen Hunderte Habitate und Vogelschutzgebiete, verwoben
im europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000. Hier werden wild lebende Tiere
geschützt und der Lebensraum seltener Pflanzen bewahrt, darunter viele, die vom
Aussterben bedroht sind. Schwarzstorch oder Bocksriemenzunge, Wildkatze oder
Rotbuche, Feuerschmied oder Besenheide finden Heimat und Rückzugsraum. In der
Hohen Schrecke leben inzwischen sogar wieder Urwaldreliktarten wie der
Knochenglanzkäfer. Natur, Kultur und Geschichte sind in Thüringen von jeher eng
verwoben. Hier gibt es den ältesten Fernwanderweg Deutschlands, hier hat Goethe
beim Anblick der hereinbrechenden Nacht gedichtet, hier haben Alfred und
Christian Brehm an „Brehms Tierleben“ gearbeitet und die europäische Vogelkunde
mitbegründet.
Es ist beachtlich, wie viel wir Thüringer*innen in den letzten 30 Jahren hier
erreicht haben. Die oppositionelle Umweltbewegung der DDR hatte in den 1980‑er
Jahren eine schier endlose Liste an Umweltsünden für den heutigen Thüringer Raum
zusammengetragen: Dicke Luft voller Schwefeldioxid und Smog gehörte zum Alltag,
durch den resultierenden sauren Regen waren über 50 Prozent des Baumbestandes in
den Wäldern beschädigt. In einigen Flüssen floss Chemiebrühe, die Werra war
aufgrund des Kalibergbaus so salzig wie das Meer und ihr Ökosystem völlig
zerstört. Die Intensivierung der Landwirtschaft hatte die Böden stark belastet.
Überreste von Uranbergbau und Teerproduktion im Osten des Landes vergifteten
Umwelt und Menschen.
Durch aktiven Schutz der Umwelt, durch Umbau des Waldes und Beseitigung
ökologischer Altlasten hat sich die Tier- und Pflanzenwelt in Teilen erholt und
kehren heimische Arten, wie die Wildkatze oder der Luchs, zurück in unsere
Wälder. Noch ist das Artensterben längst nicht gebannt, gibt es schon neue
Bedrohungen, denen unsere Natur trotzen muss.
Das vergangene Jahr war nicht nur das zweitwärmste seit Beginn der
Wetteraufzeichnungen in Deutschland, sondern auch das dritte Dürrejahr in Folge.
In den Thüringer Waldböden herrscht in den tieferen Bodenschichten extreme
Trockenheit. Nur noch 15 Prozent des Baumbestandes gelten als gesund.
Extremwetterereignisse wie diese sind keine fernen Bedrohungen mehr. Sie finden
statt. Hier, bei uns. Diesen Klimanotstand erkennen wir an. Für uns ist klar,
dass alle zukünftigen Gesetzesvorhaben und Haushaltsausgaben unter
Klimavorbehalt stehen müssen. Für uns heißt das konkret, dass Gesetzesentwürfe
und Haushaltsmittel auf daraus resultierende zusätzliche Treibhausgasemissionen
hin zu überprüfen sind. Dabei dürfen zusätzliche Emissionen nur mit Einsparungen
an anderer Stelle und unter gleichzeitiger Beachtung der Einsparvorgaben des
Thüringer Klimagesetzes möglich sein. So wollen wir jeglichen zusätzlich
drohenden, unnötigen Ausstoß von Treibhausgasen frühzeitig erkennen, um diesen
abwenden und entsprechend handeln zu können.
Und wir wollen handeln. Das Klimaabkommen von Paris 2015 war ein großer Schritt.
Die Länder dieser Erde haben erkannt, dass ein „Weiter so“ keine Lösung ist. Wir
haben das Wissen, die Technologien und die Kreativität, um die Klimakatastrophe
abzuwenden und die Folgen der Erderhitzung zu begrenzen. Deswegen unterstützen
wir die Forderungen von Klimaschutzbewegungen wie „Fridays for Future". Wir sind
die Generation, die die ersten Auswirkungen der globalen Erwärmung bereits
spürt, aber im Sinne dieser Jugendlichen, unserer Kinder und Enkelkinder müssen
wir Energie zu sparen, auf erneuerbare Energien für die Strom- und
Wärmeerzeugung und emissions- und schadstofffreie Mobilität setzen und die
Agrarwende einleiten. Wir können heute durch Vorsorge die Auswirkungen der
Klimaveränderungen abmildern, zum Beispiel durch Klimaanpassungsmaßnahmen wie
den Umbau der Nutzwälder zu natürlichen, widerstandsfähigeren Mischwäldern,
durch Verbesserungen beim Hochwasserschutz oder Hitzeschutz in den Städten.
Nichts aber ist wirksamer als aktiver und verbindlicher Klimaschutz, jetzt und
hier, mit überprüfbaren Maßnahmen in allen Handlungsfeldern, die Emissionen
verursachen.
Unsere Politik an den Erfordernissen der ökologischen Modernisierung
auszurichten, ist radikal, weil die Herausforderungen radikal sind. Aber sie ist
realistisch. Und vor allem ist sie vernünftig. Deshalb fordern wir, dass
Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in Thüringen Verfassungsrang erhalten. Eine
Politik, die Ökologie und das Soziale zusammendenkt und vor wirtschaftliche
Interessen stellt und technische wie soziale Innovationen zum Wohl der Umwelt
unter Anerkennung der ökologischen Systemgrenzen entschlossen fördert,
bereichert Wirtschaft und Gesellschaft. Eine solche ökologische Politik ist
sozial. Es sind oft die Menschen mit geringem Einkommen, die an den lautesten
Straßen leben und dort die dreckigste Luft atmen. Wir kämpfen dafür, dass auch
unsere Kinder und Enkel eine vielfältige Umwelt und Natur vorfinden. Aber es ist
eben auch klar, dass diese ökologische Politik nur gemeinsam mit den Menschen
vor Ort realisiert werden kann. Dabei gehen das Nutzen und das Schützen für uns
Hand in Hand. Wir BÜNDNISGRÜNE nehmen Sorgen ernst, diskutieren, argumentieren
und finden gemeinsame Lösungen. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen die ökologische
Modernisierung Thüringens gestalten.
Änderungsanträge
- Ä1 (Wahlprogrammgruppe KV Erfurt - Marcus Neumann, Jeanne Thon, Renate Wittmann, Malte Richter, Thomas Richter, Marie Möller, Anke Nettelroth, Eingereicht)
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