Veranstaltung: | LDK Jena 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Leitantrag |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz Jena 02. bis 04. Februar 2024 |
Antragshistorie: | Version 4 |
Starke Kommunen: für Zukunft, Demokratie und Gemeinschaft
Beschlusstext
Kommunen sind das Fundament und die Grundlage unserer Demokratie. In den Städten
und Gemeinden spielt sich das Leben ab, hier werden politische Entscheidungen in
die Realität umgesetzt und vermittelt, hier machen Menschen die meisten
Erfahrungen mit Mitbestimmung und Demokratie. Hier finden die Daseinsvorsorge,
der Arbeits- und Lebensalltag, die Bildung unserer Kinder und das Miteinander
der Generationen statt. Hier wird Thüringen zu unsererm Zuhause.
Unsere Kommunen stehen vor großen Herausforderungen, heute mehr denn je. Die
Kommunen sind es, die maßgeblich für unsere Infrastruktur sorgen – sichere
Mobilitätsangebote, bezahlbare Wohnungen, sanierte Schulen und Kindergärten,
Wasser und Abwasser, häufig auch Strom und Wärme. Sie garantieren ein
funktionierendes Gemeinwesen, das zu häufig als viel zu selbstverständlich
angenommen wird – dafür gebührt ihnen große Anerkennung. Doch sie leisten weit
mehr als das. Schwimmbäder, Theater, Bibliotheken, Parks und Spielplätze -
Kommunen sorgen für das, was Orte lebenswert macht. Die Klimakrise ist für die
kommunale Ebene eine weitere Herausforderung mit dringendem Handlungsbedarf.
Umso wichtiger ist es, dass unsere Kommunen gut aufgestellt sind, all diesen
Aufgaben nachzukommen.
Bei der Unterstützung der Kommunen von Landesseite haben wir unter grüner
Regierungsbeteiligung bereits große Schritte nach vorn gemacht – unter rot-rot-
grün hat sich die finanzielle Situation der Kommunen so gut entwickelt wie noch
nie in unserem Freistaat. Diesen Weg wollen wir weitergehen und einen modernen
sozial-ökologischen kommunalen Finanzausgleich etablieren, der die aktuellen
Investitions- und Finanzierungsbedarfe besonders in den Blick nimmt. Denn es ist
klar, dass die wachsenden Anforderungen unsere Kommunen auch finanziell fordern.
Daher muss sich auch der Bund stärker an der Kommunalfinanzierung beteiligen.
Für uns gilt dabei: wer bestellt, der zahlt – Aufgaben, die den Kommunen von
anderen Ebenen übertragen werden, müssen ausfinanziert sein. Dieses sogenannte
“Konnexitätsprinzip” wollen wir konsequent umsetzen. Klar ist aber auch: alle
Ebenen mussen tun, was sie können, um ihren Teil beizutragen.
Denn es geht eben nicht nur ums Geld. Probleme lösen wir nur, wenn sich jede
Ebene zuständigt fühlt. Die vor uns liegenden Aufgaben sind umfassend und
komplex. Sie müssen von allen Ebenen gemeinsam angegangen werden. Kommunen, Land
undBund müssen viel stärker noch als bisher auf Kooperation und Kreativität
setzen. Die nötigen Maßnahmen über die verschiedenen Ebenen klug zu
koordinieren, wird dabei eine zunehmend wichtige politische Aufgabe. Denn es
gibt etliche Themenbereiche, in denen gemeinsames und entschlossenes Handeln
gefragt ist. Und dennoch: auf kommunaler Ebene wird Politik konkret!
Aktuelles Beispiel: Hochwasser
In der Klimakrise sorgen Extremwetterereignisse immer stärker für große
Herausforderungen. Diese reichen von Starkregenereignissen über Dürre und
Niedrigwasserprobleme bis hin zu winterlichen Hochwasservorkommen wie Ende des
Jahres 2023/Anfang 2024. Hier hat sich einerseits gezeigt, wie wichtig
Katastrophenschutz ist. Nur durch das Engagement und den Einsatz hunderter
Einsatzkräfte, viele auch im Ehrenamt, konnten schlimmere Folgen verhindert
werden. Wir bedanken uns ausdrücklich bei den vielen Einsatzkräfte für ihre
engagierte und wichtige Arbeit auch über die Feiertage, die nicht
selbstverständlich ist! Andererseits wird auch deutlich, dass vorbeugendes
Handeln im Sinne einer Klimaanpassung große Bedeutung zukommt. Mit den
Gewässerunterhaltungsverbänden, den Wasserwehren und dem Landesprogramm
Hochwasserschutz sind wir in Thüringen bereits gut aufgestellt. Der bisher
umgesetzte technische Hochwasserschutz gemeinsam mit den
Renaturierungsmaßnahmen, die wir GRÜNEN in den letzten Jahren vorangebracht
haben, konnten Schlimmeres verhindern. Das gute Management der aktuellen
Hochwassersituation hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit von Landesebene und
Katastrophenschutz auf Landkreisebene außerordentlich wichtig ist und weiter
gefestigt werden sollte. Besonders die von unserem Umweltministerium
durchgeführten, Schulungen der auf Landkreisebene angesiedelten Krisenstäbe hat
dazu beigetragen.
Den Kommunen kommt beim Brand- und Katastrophenschutz eine wichtige Rolle zu:
bei der Bereitstellung der Fahrzeuge, Ausrüstung und Gebäude. Doch das alles
nützt nichts, wenn die Menschen fehlen. Gerade Brand- und Katastrophenschutz
funktionieren nicht ohne Ehrenamtliche. Vielerorts mangelt es bereits an
Freiwilligen, die dieses wichtige Ehrenamt ausführen wollen und können. Das Land
muss daher nicht nur finanziell unterstützen, die Digitalisierung der
Wehrorganisation und Einsatzalarmierung sowie die Ausbildungsmöglichkeiten
bereitstellen. Es ist auch die Verantwortung des Landes, Ehrenamt attraktiver zu
machen, besonders in der Feuerwehr. Hierauf muss die lange überfällige
Ehrenamtsstrategie des Landes eine Antwort finden, aber auch Kommunen müssen
neue und kreative Wege gehen. Ansätze könnten beispielsweise die Zahlung von
Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Einsatzkräfte, eine vereinfachte Aus-
und Weiterbildung und attraktive Vergünstigungen sein.
Die Feuerwehren sind jedoch nicht der einzige Bereich, in dem es zunehmend an
Personal fehlt. Der demografische Umbruch gepaart mit der ländlich geprägten
Struktur Thüringens bergen die große Gefahr eines Infrastrukturrückgangs, unter
anderen im medizinischen Sektor. Es ist Aufgabe von Bund und Land, über eine
kluge Struktur die Versorgung auch in ländlicheren Gebieten abzusichern, damit
alle Menschen die medizinische Hilfe bekommen, die sie benötigen. Dafür müssen
auch neue Versorgungsstrukturen stärker in den Blick genommen werden. Die
Zukunft der medizinischen Versorgung ist sektorübergreifend und gut vernetzt.
Hierbei können auch Kommunen ihren Anteil leisten, bespielsweise mit der
Initiierung von kommunalen Versorgungszentren, die gemeinwohlorientiert
arbeiten. Hier können Ärzt*innen verschiedener Disziplinen angestellt und
unterschiedliche Gesundheitsberufe unter einem Dach vereint werden. Regional
klug gesteuert und im richtigen Ort angesiedelt, werden so Versorgungslücken
verhindert, Anreize für Ärzt*innen geschaffen und Leistungen aus einer Hand für
Patient*innen angeboten, eine win-win-Situation für alle. Hilfreiche Angebote,
um Versorgungslücken gerade in ländlichen Kommunen zu schließen, sind auch
Gesundheitskioske und sogenannte Community Health Nurses, ähnlich der früheren
Gemeindeschwestern, die im kommunalen Setting als erste Ansprechpartner*innen in
Ergänzung zu Hausärzt*innen agieren und sich vor Ort besonders um die Betreuung
von Menschen mit chronischen oder Mehrfacherkrankungen, Behinderung oder
Pflegebedarf kümmern.
Damit Menschen auch zur Ärztin, zur Schule oder zur Arbeit gelangen können,
müssen die Mobilitätsangebote stimmen. Während es bei Straßen wie
selbstverständlich ein durchgängiges Netz durchs Land gibt, enden Buslinien und
Fahrradwege viel zu häufig an der Gemeinde- oder Kreisgrenze. Das muss der
Vergangenheit angehören, denn Menschen müssen eine echte Wahl haben, wie sie
mobil sein können. Es ist essentiell, dass die Kommunen auch untereinander
stärker kooperieren und durchgängige Buslinien und Radwege schaffen. Die
Schaffung von Radverkehrsbeauftragten in jedem Kreis, gefördert durch das Land,
kann hierfür ein erster wichtiger Schritt sein, genauso wie die flächendeckende
Planung und Umsetzung von Radwegenetzen. Auch hierbei ist ein verstärkte
Aufgabenübernahme durch die Kreise sinnvoll.
Für die Bekämpfung der Klimakrise und die Stärkung unserer Unabhängigkeit muss
auch der Ausbau der Erneuerbaren weiter vorangebracht werden. Die
Bundesregierung, allen voran Bundesminister Robert Habeck haben in den letzten
Jahren zahlreiche bürokratische Hürden abgebaut und Planungs- und
Genehmigungsverfahren beschleunigt, um den Ausbau von Windkraft, Solar und Co.
voranzubringen. Das Land muss entsprechend seine Verwaltungsstrukturen anpassen.
Die Kommunen sind weiter gefragt, für Projekte auf ihrem Gemeindegebiet
unkompliziert die Nutzung geeigneter Flächen zu ermöglichen, Hürden für den
Ausbau von Dachsolaranlagen auszuräumen und ihre eigenen Dächer zu bestücken.
Der Windausbau darf nicht mehr über die regionalen Planungsgemeinschaften
ausgebremst werden. Wir brauchen keine Debatte mehr über das ‘Ob’, sondern über
das ‘Wo’, und zwar sehr schnell, bevor ein steuerndes Eingreifen den Kommunen in
ein paar Jahren nicht mehr möglich ist. Mit dem Windenergiebeteiligungsgesetz
setzen wir noch mehr Anreize für de Ausbau der Windkraft, indem wir die Kommunen
und die Menschen vor Ort stärker an den Gewinnen beteiligen. Bei nötigen
Investitionskosten für Energie- und Wärmewende brauchen gerade Stadtwerke
mancherorts Unterstützung, die die Bundes- und Landesregierung bereits
bereitstellen. Diese wollen wir weiterführen, denn der Ausbau der Erneuerbaren
darf nicht am Geld scheitern.
Nicht am Geld scheitern, sollte auch die Unterbringung und Integration
Geflüchteter Menschen. Hier stehen die Kommunen vor besonders großen
Herausforderungen. Aufgrund der Klimakrise und der Anzahl der weltweit
bewaffneten Konflikte und Kriege ist in den nächsten Jahren nicht mit einer
abnehmenden Zahl an Geflüchteten zu rechnen. Kommunen und Land müssen besser aus
den größeren Ankunftsgeschehen der letzten Jahre lernen und flexible,
kurzfristig greifende Vorkehrungen treffen. Dazu gehört auch die ausreichende
Bereitstellung von geeignetem Wohnraum, was gerade in Städten mit angespannterem
Wohnungsmarkt eine Herausforderung ist. Über die neue
Flüchtlingskostenerstattung unterstützt die Landesregierung endlich auch die
Bereithaltung von Wohnraum finanziell. Die Pauschalen zur Herrichtung von
Wohnraum für Geflüchtete waren zwar ein guter Ansatz, aber zu niedrig und zu
bürokratisch. Wir wollen diese weitentwickeln und die Sanierung von Wohnraum
generell noch stärker fördern. Auch die Wohnungsbauförderung wollen wir
evaluieren und noch stärker auf die Förderung von bezahlbarem, barrierefreien
Wohnraum auch ohne Wohnberechtigungsschein ausrichten, damit die soziale
Wohnungsunternehmen auch in den Kommunen günstigen Wohnraum schaffen und
erhalten können. Zugleich ist uns bei der Förderung energiesparendes und
nachhaltiges Bauen und Sanieren von Wohnungen und Gebäuden wichtig.
Mit der Unterbringung von Geflüchteten ist es allerdings nicht getan, die
Integration ist eine weitere große Aufgabe. Es braucht genügend Sprach- und
Integrationskurse, Sozialbetreuung und Angebote zum Austausch mit der
Bevölkerung. Häufig unterstützen schon jetzt private Initiativen und
Ehrenamtliche die Kommunen bei diesen Aufgaben. Mit einem
Integrationsfördergesetz wollen wir die Kommunen zielgenauer unterstützen und
Planungssicherheit für die Integrationsaufgaben geben. Denn es ist unsere
gemeinsame Verantwortung und Verpflichtung, geflüchtete Menschen aufzunehmen und
in Sicherheit zu bringen, auch wenn es nicht immer konfliktfrei abläuft. Die Art
und Weise, wie Kommunen an diese Aufgabe herangehen, ist auch entscheidend für
die Akzeptanz von Geflüchteten in der Bevölkerung.
Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft. Nur wenn unser
Schulsystem endlich echte Chancengerechtigkeit bietet, kann unsere Gesellschaft
sozial gerechter und geeinter werden. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Die
Landesregierung hat in den vergangenen Jahren etliches auf den Weg gebracht, wie
den Ausbau der Gemeinschafts- und Ganztagsschulen, das Recht auf inklusive
Beschulung und die Aufwertung des Grundschul- und Regelschullehramts. Es wurden
so viele neue Lehrer*innen eingestellt wie noch nie, auch wenn noch immer viele
Stellen unbesetzt sind und der Fachkräftemangel auch im Lehramt neue Strategien
fordert. Wir wollen noch weiter gehen und multiprofessionelle Teams sowie
Verwaltungsassistenzen zum Standard machen, die Lehramtsausbildung weiter
reformieren und weg gehen vom starren Fächerdenken. Wir wollen die Kommunen noch
stärker darin unterstützen, digitale Endgeräte bereitzustellen, inklusive
Beschulung durch räumliche und personelle Voraussetzungen zu ermöglichen und die
Schulausstattung vor Ort ansprechend und modern zu gestalten. Doch all dies
funktioniert nur in einer Verantwortungsgemeinschaft mit den Kommunen als
Schulträger. Über ein “Sofortprogramm eigenständige Schule 2035” wollen wir es
allen Schulen ermöglichen, schnell die entsprechenden Ressourcen aufzubauen, um
sich selbst weiterzuentwickeln und ihre Unterrichtsmethoden zu modernisieren.
Das braucht auch die proaktive Unterstützung der Schulämter vor Ort. Besonders
bei der Digitalisierung der Schulen müssen Land und Kommunen noch stärker Hand
in Hand arbeiten, um Hardware, Software, Ausbildungsinhalte und Nutzung
digitaler Medien im Unterricht noch besser aufeinander abzustimmen.
In der Digitalisierung im Freistaat ist insgesamt noch viel Luft nach oben,
gerade in der Verwaltung. Denn die Bewältigung dieser vielen Aufgaben, gerade
vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, kann nur mit einer agilen, sich
stetig weiterentwickelnden und klug digitalisierten Verwaltung funktionieren.
Dafür braucht es Mut und Gestaltungswillen. Es ist nötig, kommunale Ressourcen
bei der Digitalisierung von Verwaltungen sinnvoll zu bündeln. Somit müssen
Lösungen und Werkzeuge für die gleichen Probleme nicht mehrfach entwickelt
werden. Das Land sollte über eine stärkere Bereitstellung von digitalen
Plattformen und Managementprozessen gezielt unterstützen. Wichtig ist aber auch,
die Verwaltungsstrukturen insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Unsere Zeiten
erfordern agile, flexible und kreative Verwaltungen, die Lösungen in den
Mittelpunkt stellen. Und vor allem: sie müssen sich den Menschen annehmen und
Unterstützung bieten. Nur dann fühlen sich Menschen ernst genommen und ‘vom
Staat’ unterstützt. Denn eine digitale Verwaltung ist immer auch Ausdruck für
einen funktionierenden Staat: kooperativ, über verschiedenen Ebenen vernetzt und
bürger*innenfreundlich. So lassen sich die Herausforderungen unserer Zeit
bewältigen.
Das Funktionieren unserer Kommunen steht auf den Schultern all derer, die sich
immer wieder und oft ehrenamtlich für ihre Kommune, für ihre Mitmenschen
einsetzen und vor Ort Verantwortung übernehmen, sei es in kommunalen Gremien, in
der Verwaltung, in Vereinen und Initiativen. Wenn dieses Fundament bröckelt –
durch Überalterung, durch stetige Angriffe von rechts, durch ein fehlendes
Gefühl von Gemeinschaft und Verantwortung – gefährdet das nicht nur den sozialen
Zusammenhalt und die Lebensqualität der Kommune, sondern auch die Demokratie als
Ganzes. Es braucht die Menschen, die sich in ihrer Kommune für unser Gemeinwohl
engagieren. Es ist wichtig, sie zu unterstützen, statt ihnen Steine in den Weg
zu legen. Unsere Demokratie funktioniert nur, wenn Menschen in den kommunalen
Gremien Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen, nach Lösungen für Probleme
suchen und diese den Menschen vermitteln. Es ist unser daher ein
Herzensanliegen, die Bedingungen für das kommunalpolitische Engagement zu
verbessern und das Ehrenamt zu erleichtern.
Bei den Kommunalwahlen am 26. Mai wird sich auch in Thüringen entscheiden, ob
unsere kommunale Demokratie in ihrer Vielfalt erhalten bleibt. Demokratie kann
hier im Land nur dann funktionieren, wenn sie auch auf kommunaler Ebene durch
demokratische Kräfte gelebt wird. Daher appellieren wir an alle Einwohner*innen
in Thüringen: gehen Sie zur Kommunalwahl wählen und wählen Sie demokratisch, am
besten GRÜN!