Der Maßregelvollzug (auch: forensiche Psychiatrie, im Folgenden MRV) ist immer ein sensibles Thema. Nichtsdestotrotz steht Thüringen vor einer immensen Chance, den MRV neu aufzustellen, da jetzt gerade die Übertragung zurück in staatliche Verantwortung geschieht.
Oft stößt der MRV vor Ort auf starke Ablehnung, da Anwohner*innen in der Regel aus Unkenntnis und unprofessioneller Berichterstattung Ängste und Sorgen um ihre eigene Sicherheit haben. Beteiligungsformate schaffen hier Abhlfe, allen voran Nachbarschaftsbeiräte, die als Multiplikatoren in die Gesellschaft dienen. NRW hat eine starke Eigenvertretung des MRV durch die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland, in denen nicht nur ein Dezernat eigens dafür zuständig ist, sondern auch ein Ausschuss im Landschaftsverbandsparlament sich ausschließlich mit dem MRV beschäftigt. Die Folge ist ein attraktiver und moderner MRV, der kaum Personalprobleme hat, da einerseits wenig Fluktuation vorliegt und gleichzeitig viele Bewerb*innen aus anderen Bundesländern sich nach NRW bewerben, und der in den Ortschaften gut integriert ist.
Der Bereich MRV ist chronisch personell unterbesetzt, da die ärztlichen Stellen keine hohe Attraktivität für therapeutisches und auch pflegerisches Fachpersonal aufweisen, insbesondere durch die nötigen Sicherheitsvorkehrungen, die kontinuierlich in Therapie und Alltag eingreifen. Doch der MRV kann nicht einfach Stationen schließen, wenn der Krankenstand im Pflegepersonal zu hoch ist, da die Patient*innen nicht einfach entlassen oder an andere Krankenhäuser überwiesen werden können. Daher muss ein moderner MRV attraktiv für alle personellen Ebenen sein.
Die Gebäude des MRV sind große, krankenhausähnliche Einzelgebäude. In anderen Bundesländern ist man zu größeren Geländen mit kleineren Wohneinheiten übergegangen, auch hier kann Thüringen einen deutlicheren Akzent setzen.
Patient*innen im MRV sind einem besonderen Machtverhältnis unterworfen. Sie müssen die Therapie nicht aus Freiwilligkeit, sondern aufgrund richterlichen Anordnung durchführen, was den Heilungserfolg oft erschwert. Patient*innenrechte aber müssen, unter Beachtung der besonderen rechtlichen Situation, auch im MRV gelten! Insbesondere Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen, aber auch Zwang zur Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen wie Medikamenten, müssen von ärztlichem und richterlichem Fachpersonal als notwendig erachtet werden und dürfen nicht als Konsequenz einer Momentaufnahme in den Händen von Justizvollzugspersonal liegen.
Kaum eine Partei kümmert sich offen und laut um das Thema. Keine Partei wird das vermutlich im Wahlprogramm aufnehmen. Die Grünen hätten damit ein Alleinstellungsmerkmal und senden damit ein Signal an Angehörige von Patient*innen, das Personal im MRV und auch die Anwohner*innen vor Ort, dass sie gehört werden.
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