Veranstaltung: | LDK Erfurt 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 10 Sonstige Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Soziales/Gesundheit (dort beschlossen am: 26.09.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.10.2025, 07:10 |
A7: Sicherung der flächendeckenden Geburtshilflichen Versorgung als staatliche Aufgabe – Intervention gegen den neuen Hebammenhilfevertrag
Antragstext
Der Landesverband Thüringen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert die
Bundesregierung und insbesondere das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf,
umgehend zu handeln und die existenzielle Bedrohung der Hebammenhilfe
abzuwenden.
I. Die Problemlage: Existenzielle Bedrohung der Geburtshilfe
Der neue Hebammenhilfevertrag, der am 01. November 2025 in Kraft tritt, stellt
durch den Schiedsstellenspruch vom Juli 2025 eine massive und existenzielle
Benachteiligung für freiberufliche Hebammen dar und gefährdet die qualitativ
hochwertige Versorgung der zu Betreuenden.
1. Reduzierung der Einnahmen statt Anpassung: Trotz jahrelanger Verhandlungen,
gestiegener Kosten (Mieten, Material, Fortbildung) und der Akademisierung des
Berufs sehen sich freiberufliche Hebammen mit Honorarkürzungen konfrontiert. Es
ist wahrscheinlich einmalig, dass eine Berufsgruppe nach jahrelangen
Verhandlungen und Akademisierung schlechter gestellt wird und nicht einmal den
Inflationsausgleich erhält. Der festgesetzte Stundensatz von 74,28 € liegt
deutlich unter dem Notwendigen. Pauschalen entfallen, und Zuschläge
(Nacht/Feiertag/Fahrt) werden gekürzt oder gestrichen. Zwar hat der Deutsche
Hebammenverband (DHV) Klage und ein Eilverfahren dagegen eingereicht, der
Ausgang ist jedoch ungewiss.
2. Gefährdung der Beleghebammen: Insbesondere Beleghebammen sind von massiven
Umsatzeinbußen (20% − 35%) betroffen – was für viele das Berufs-Aus bedeuten
wird. Die neue Abrechnungspraxis bei parallel betreuten Geburten geht zu Lasten
der Hebammen und missbraucht die berechtigte Forderung nach einer 1:1-Betreuung
im Kreißsaal, um Kosten zu senken. Viele Geburtskliniken befürchten nun das Aus
ihrer Kreißsäle, weil Beleghebammen ihre Arbeit aufgeben. Beleghebammen haben
bundesweit einen Anteil an den Geburten von etwa 25%, in einigen Bundesländern
über 50%.
3. Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze: Das Schiedsstellenverfahren
verletzte massiv demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze, da die
Interessen der Mehrheit er organisierten Hebammen (DHV mit über 80%) nicht
verhältnismäßig berücksichtigt wurden.
4. Verlust der flächendeckenden Versorgung: Die absehbaren Kürzungen führen
dazu, dass Hebammen Praxen schließen und den Beruf verlassen müssen. Dies steht
dem Nationalen Gesundheitsziel "Gesundheit rund um die Geburt" und dem Anspruch
von Schwangeren und Familien auf die freie Wahl des Geburtsortes und eine
bedarfsgerechte, kontinuierliche Betreuung (vor, während und nach der Geburt
sowie im 1. Lebensjahr) diametral entgegen. Trotz dieser akuten Bedrohungslage
verweigert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bisher die notwendige
Intervention und beruft sich auf die Selbstverwaltung, die mit dem vorliegenden
Schiedsspruch gescheitert ist.
II. Forderungen an die Bundesregierung
Der Landesverband Thüringen von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN stellt sich hinter die
berechtigten Interessen der freiberuflichen Hebammen und unterstützt diese
Forderungen:
1. Vergütungssatz existenzsichernd anpassen: Die Grundlegende Erhöhung der
Vergütung aller freiberuflichen Hebammen ist zu gewährleisten, die den
Anforderungen des § 134a SGB V zur wirtschaftlichen Sicherung freiberuflicher
Hebammen gerecht wird. Als Orientierung wird ein Stundensatz von mindestens
88,20 € gefordert.
2. Versorgung durch Beleghebammen sichern: Es darf keine Herabstufung der
Leistungen für Beleghebammen erfolgen, und die Abrechenbarkeit ambulanter
Leistungen für diese ist zu erhalten.
3. Intervention des BMG als Rechtsaufsicht: Das BMG wird aufgefordert, sich als
Rechtsaufsicht der Gesetzlichen Krankenversicherungen einzuschalten, da im
Schiedsstellenverfahren demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze massiv
verletzt wurden und drohende Versorgungslücken in der Geburtshilfe nur durch
eine Korrektur des Schiedsstellenergebnisses verhindert werden können.
4. Öffentliche Positionierung des BMG: Das BMG muss sich öffentlich zur
drohenden Versorgungslücke positionieren und die Vorgaben des Aktionsplanes zum
Nationalen Gesundheitsziel "Gesundheit rund um die Geburt" unter Einbeziehung
der freiberuflichen Hebammen umsetzen.
5. Anerkennung von DDR-Fachschulabschlüssen: Durch die neuen Tarifabschlüsse der
Gewerkschaft Verdi erleiden Hebammen mit DDR-Fachschulabschluss gegenüber
akademisierten Hebammen nicht nur Gehaltseinbußen (P8 versus P11), sondern auch
Verlust von Rentenansprüchen.
Begründung
Schwangere und Familien haben ein Recht auf die bestmögliche, bedarfsgerechte
Betreuung rund um die Geburt, losgelöst von wirtschaftlichen Erwägungen.
Hebammen leisten einen elementaren Beitrag zur Prävention von Komplikationen und
zur Gesundheitsversorgung der ganzen Familie.
Der Aktionsplan zum Nationalen Gesundheitsziel "Gesundheit rund um die Geburt"
von Juli 2024 unterstreicht die zentrale Rolle der Hebammen. Der Aktionsplan
verliert seine Wirkung, wenn Hebammen aufgrund unzureichender Vergütung
gezwungen sind, ihren Beruf aufzugeben.
Das Gesetzliche Krankenkassensystem darf nicht länger die Versorgungssicherheit
als Verhandlungsmasse missbrauchen. Die Verbände der freiberuflichen Hebammen
haben über sieben Jahre versucht, eine faire Lösung zu verhandeln. Nachdem das
Schiedsstellenverfahren zu einem unhaltbaren Ergebnis geführt hat, das die
flächendeckende Versorgung im ganzen Land gefährdet, ist die Intervention der
Politik als staatliche Aufgabe unabdingbar. Die Bundesregierung muss jetzt
handeln, um eine bundesweite Versorgungskrise in der Geburtshilfe zu verhindern.
Unterstützer*innen
- Tim Strähnz (KV Jena)
- Clara Käßner (KV Gera)
- Christoph Schnegg (KV Weimarer Land)
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