Veranstaltung: | LDK Leinefelde Juni 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LaVo |
Eingereicht: | 17.06.2022, 17:53 |
Antragshistorie: |
Leitantrag - Zeitenwende - Was Thüringen jetzt tun muss
Beschlusstext
Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen. Seit dem 24.02.2022 ist Frieden in
Europa kein Normalzustand mehr. Der aggressive Angriffskrieg von Russland gegen
die Ukraine bedeutet eine Zeitenwende in Europa und Deutschland, mit
weitreichenden Konsequenzen auf unser aller Leben, auf alle Felder der Politik.
Es braucht eine neue Sicherheitsarchitektur, die die Verteidigungs- und
Aussenpolitik ebenso umfasst, wie die Landwirtschafts, Energie- und
Wirtschaftpolitik.
Gleichzeitig ist die Corona-Pandemie nicht vorbei, so sehr wir uns das alle
wünschen würden. Die Expert*innen sind sich weitgehend einig, dass spätestens im
Herbst die Gefahren durch das mutierende Virus wieder ansteigen. Indizien dafür
gibt es bereits jetzt. Hier müssen wir verhältnismäßige, wirksame Werkzeuge
rechtzeitig zur Verfügung stellen, um keine Verschärfung der Krise herauf zu
beschwören. Wir müssen dabei mit Widerstand anderer Parteien in Land und Bund
rechnen. Und diese aktuellen Krisen finden auf dem Hintergrund der durch uns
Menschen verursachte Klimakrise und dem Artensterben statt, die manchmal kaum
merklich, aber unaufhaltsam dabei sind, die Lebensgrundlage auf unserem Planeten
unwiederbringlich zu zerstören.
Seit dem 24.02. stehen nun alle politischen Entscheidungen unter dem Eindruck
des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Dieser Krieg hat bereits
tausende Tote gefordert, Millionen müssen vor Tod und Folter aus ihrer Heimat
fliehen, ein Ende ist nicht abzusehen. Er stellt einen eklatanten Bruch des
Völkerrechts dar, ist ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht, auf die
Demokratie und auf die Menschenrechte. Die Kriegsverbrechen von Butscha und
Irpin beweisen, wie brutal, rücksichtlos und maßlos Putin seinen völkisch-
faschistischen Imperialismus durchsetzen will. Der Ukraine muss deshalb jede
Hilfe zur Selbstverteidigung ermöglicht werden. Wir unterstützen deshalb
ausdrücklich die klare, werteorientierte und bündnisorientierte Außenpolitik von
Annalena Baerbock ebenso wie die umfassenden Wirtschafts- und Finanzsanktionen
gegen Russland. Wir unterstützen die Bemühungen der Bundesregierung, allen voran
von Robert Habeck, möglichst schnell unabhängig von Kohle, Öl und Gas aus
Russland zu werden und die Energiewende unter Hochdruck voranzutreiben. Wir
können es uns nicht erlauben, uns wieder von den fossilen Rohstoffimporten
anderer Länder abhängig zu machen. Außerdem unterstützen wir alle Mittel für
humanitäre Hilfe vor Ort. Der Krieg wird aber nicht nur gegen die Ukraine
geführt, er ist auch ein Krieg gegen die Länder dieser Welt, die auf
Lebensmittelimporte angewiesen sind. Auch hier unterstützen wir ausdrücklich die
Bemühungen von Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem
Özdemir internationale Koalitionen zur Bekämpfung der entstehenden Hungerkrise
zu schmieden und die europäische Lebensmittelpolitik an den Engpässen durch den
Nahrungskrieg von Putin auszurichten und dabei vor allem auch die materiell
weniger wohlhabenden Länder mitzudenken.
Waffenlieferung ohne Aufrüstungsspirale
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind in Thüringen die Partei, die aus der Umwelt- und
Friedensbewegung der DDR und aus den Bürgerbewegungen der friedlichen Revolution
entstand. Dabei stand der Gedanke einer aktiven Friedenspolitik im Zentrum, die
das Ziel einer (Atom-)waffenfreien Welt im Blick hat . Die Entscheidung nun in
eine Krisenregion Waffen aller Art zu schicken, stellt uns vor schwierige
Abwägungen. Auch wenn wir angesichts der Lage in der Ukraine mehrheitlich zu
dieser Entscheidung gelangen, stellt es für viele von uns eine Zumutung dar.
Klar ist, dass wir diese Situation keinesfalls als Blaupause verstehen, um eine
Abkehr von unserer bisherigen Friedenspolitik einzuleiten. Vielmehr wird gerade
jetzt klar, wie wichtig eine wertegeleitete, weitsichtige, nicht nur an Handels-
und Territorialinteressen orientierte Außenpolitik ist. Und wir wissen welch
wichtigen Anteil für Friedensprozesse der Pazifismus in seinen verschiedenen
Erscheinungsformen spielt. Deutlich wird auch, dass die Vernachlässigung von
kluger Abrüstungspolitik bei nachlassender Wehrhaftigkeit unserer Bündnisse
keine guten Ergebnisse bringen. So stehen wir dazu der Ukraine all das zu
liefern, was sie braucht, um ihr Land effektiv zu verteidigen. Die Situation ist
im Gegensatz zu den meisten Konflikten klar und eindeutig: die militärische
Großmacht Russland überfällt, getrieben von einer imperialistischen
nationalistischen Ideologie völkerrechtswidrig einen kleineren Nachbarn mit dem
erklärten Ziel, dessen Existenz auszulöschen. Die Ukraine als souveräner,
demokratischer Staat nimmt lediglich ihr Selbstverteidigungsrecht wahr. Ein
Ausbleiben der Unterstützung würde global einen gefährlichen Präzedenzfall
schaffen, der völkerrechtliche Prinzipien aushebelt und anderen Großmächten als
Vorbild dienen kann, in ein anderes schwächeres Land einzumarschieren. Für die
Sicherheitslage in Europa wäre überdies ein russischer Sieg in diesem Krieg
fatal.
Auf der anderen Seite ist jedoch klar, dass es nicht zu einer
Aufrüstungsspirale, kommen darf. Deshalb stehen wir dem 100MRD Sondervermögen
kritisch gegenüber. Wir müssen zwar feststellen, dass die Bundeswehr, die in der
Lage sein muss ihren Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung wahrzunehmen,
in einem miserablen Zustand ist . Die Vergangenheit zeigt allerdings , dass
pauschale Geldbeträge nicht weiterhelfen. Die Finanzierung der Bundeswehr ist in
den letzten Jahren schon massiv gestiegen. Deutschland gibt bereits jetzt im
internationalen und europäischen Vergleich enorme Summen für Rüstung aus. Eine
deutliche Verbesserung der Bundeswehr, der Ausstattung und der
Handlungsfähigkeit blieb allerdings aus. Es muss daher sichergestellt werden,
dass weder das Sondervermögen noch ein höherer Wehretat in komplizierten
Beschaffungssystemen oder teuren Beraterverträgen versickert. Daher müssen
zuerst die Beschaffungsstrukturen der Bundeswehr massiv reformiert werden. Für
die nötigen Investitionen braucht es einen dezidierten mit den europäischen
Partnern gut abgestimmten Plan, um die notwendige Ausrüstung klug anzugehen.
Außerdem muss dringend mehr Geld in Katastrophenschutz und Cybersicherheit
geben. Sie sind bei der notwendigen Ausgestaltung der Landesverteidigung
essenziell .
Solidarität mit den Geflüchteten - Integration jetzt vorantreiben
Etwa 17.000 Menschen aus der Ukraine haben bis Mitte Mai in Thüringen Zuflucht
gefunden, größtenteils Ältere, Frauen und Kinder, und es ist wahrscheinlich,
dass es noch deutlich mehr werden. Die von Anfang an große Hilfsbereitschaft der
Thüringerinnen und Thüringer war und ist überwältigend.
Doch leider stellen wir fest, dass die Hilfsbereitschaft nicht allen
Geflüchteten gegenüber gleich groß ist.
Bundestag und Bundesrat haben für alle ukrainischen Geflüchteten den Wechsel vom
Asylbewerberleistungsgesetz in das Sozialgesetzbuch beschlossen. Das ist ein
wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Er darf aber nicht zu geflüchteten
Menschen 1. oder 2. Ordnung führen. Geflüchtete aus anderen Ländern haben immer
wieder mit starken alltäglichen Rassismen, geringerer finanzieller Unterstützung
und höheren Hürden beispielsweise bei der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse zu
kämpfen. Dabei verdienen alle Geflüchteten gleichermaßen bestmögliche
Unterstützung.
Das Ziel muss sein, die Großzügigkeit im behördlichen Umgang mit den
Ukrainegeflüchteten auf alle Geflüchteten auszuweiten und schnelle, dezentrale
Unterbringung, sofortige Arbeitserlaubnis und Bildungs- und Integrationsangebote
von Anfang anfür alle zu ermöglichen. Darum unterstützen wir im ersten Schritt
die Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechtes, wie wir es im Ampel-
Koalitionsvertrag festgelegt haben.
Durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Land, Kommunen und Ehrenamtlichen sind
viele ukrainische Geflüchtete inzwischen gut in Thüringen angekommen. Das wurde
auch durch den Strukturaufbau aufgrund der Erfahrungen der Jahre 2014/2015
möglich. Leider zeigt sich jetzt aber, dass die Kommunen noch nicht ausreichend
darauf vorbereitet sind, in kurzer Zeit viele Geflüchtete aufzunehmen. Mehr als
die Hälfte der ukrainischen Geflüchteten sind bei Verwandten, Freunden oder bei
Privatpersonen untergekommen. An vielen Orten kümmern sich Ehrenamtliche,
Landsleute, Tafeln, zivilgesellschaftliche Initiativen, Religionsgemeinschaften
oder Vereine um die Lebensmittelversorgung, die Vermittlung von Wohnraum, die
Beschaffung wichtiger Medikamente oder das Dolmetschen bei Behördengängen. Die
Ehrenamtlichen haben damit vor allem in den ersten Wochen bei der Aufnahme und
Versorgung von Geflüchteten einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Ehrenamtliches
Engagement kann dabei staatliche Strukturen immer nur unterstützen, nicht aber
ersetzen. Daher müssen wir nun alles daran setzen, die ehrenamtliche Arbeit mit
den Geflüchteten finanziell besser zu unterstützen und in möglichst
professionelle Strukturen zu überführen. Wir müssen die Kommunen durch
langfristige und konzeptgeleitete Förderung befähigen auf besondere
Ankunftsgeschehen reagieren zu können. Kommunen müssen sich vor dem Hintergrund
der aktuellen Erfahrungen fit machen, um in Zukunft auf hohe Zahlen von
Geflüchteten besser vorbereitet zu sein. So braucht es Notfallpläne für große
Fluchtbewegungen, schnellere Registrierungsverfahren, kommunale
Integrationskonzepte, ausreichend Personal in den Verwaltungen und kurzfristig
einzusetzende Freiwilligen- und Ehrenamtskoordinator*innen.
Niemand kann derzeit sagen, wie lange die ukrainischen Geflüchteten bei uns
bleiben werden. Trotzdem müssen nun die Bemühungen darauf fokussiert sein, die
Integration voranzubringen. Der Bund ist seinerseits aufgefordert, die Länder
und Kommunen verlässlich finanziell zu unterstützen und die Mittel für die
Integrationskurse, die Migrationsberatung aber auch die psychosoziale Beratung
deutlich auszubauen. Darüberhinaus sind die vielen Integrationsangebote der
vielfältigen Trägerlandschaft im Land wichtig. Sie brauchen dringend Sicherheit
für die Finanzierung ihrer Projekte. Diese wird durch die von der CDU erzwungene
globale Minderausgabe erschwert. Der Migrationsetat des Landes muss daher in der
aktuellen Situation durch ein Sondervermögen gestärkt werden. Durch ein
Integrationsfördergesetz wollen wir die Finanzierung dieser Projekte langfristig
sicherstellen.
Vor allem die ukrainischen Kinder und Jugendliche müssen nun zur Integration
schnell in die Kindergärten und Schulen aufgenommen werden. Das stellt die
Kommunen vor besondere Herausforderungen, die vielerorts schon volle Schulen und
Kindergärten haben. Es braucht dazu eine Ausweitung der Rahmenkapazitäten der
Kindergärten und zusätzliches Personal. Die Sprachförderung in "Deutsch als
Zweitsprache" und die muttersprachliche Bildung müssen ausgebaut werden.
Gleichzeitig gilt es, durch vereinfachte Anerkennungsverfahren den Einsatz
ukrainischer Erzieher*innen und Lehrkräfte einfacher zu ermöglichen. Den
ukrainischen Kindern und Jugendlichen soll zudem die Gelegenheit gegeben werden,
ergänzend am ukrainischen Onlineunterricht teilzunehmen.
Migration, Integration und die Aufnahme von Geflüchteten ist kein temporäres
Projekt, sondern in einer globalisierten Welt eine Daueraufgabe. Um dieser
Aufgabe zukunftsorientiert in hoher Qualität gerecht zu werden braucht Thüringen
ein eigenes Landesamt für Migration, das dem fachlich zuständigen Ministerium
zugeordnet ist. Wir wollen die rechtlichen, personellen und sächlichen
Grundlagen für dieses Amt schaffen. Dann können auch die dringend nötigen
Verbesserungen in den Erstaufnahmestellen des Landes ermöglicht werden.
Energiewende bedeutet Energiesicherheit
Der Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Implikationen hat eine
Bewusstsein für die Notwendigkeit einer schnellen Energiewende geschaffen. Aber
auch der neueste IPCC-Report sagt für Thüringen massive Auswirkungen der
Klimakrise vorher, u. a. Trockenheit, Hitzewellen und Ernteausfälle, welche die
Wasser- und Nahrungsmittelversorgung bedrohen - wir brauchen eine sichere,
günstige und saubere Energieversorgung! Deshalb müssen und wollen wir eine
Aufbruchstimmung erzeugen! Zusammen mit dem Handwerk und der Industrie, zusammen
mit den Kommunen, Stadtwerken und Bürgerinitiativen wollen wir Initiativen zur
schnelleren Umsetzung der Energiewende entwickeln. Dazu ist eine sofortige,
stärkere und dauerhafte Schwerpunktsetzung im Landeshaushalt auf Energiewende,
Energieeffizienz und Klimaschutz dringend notwendig.
Es rächt sich, dass die Große Koalition Deutschland ohne Not immer weiter in
eine energiepolitische Abhängigkeit von Russland getrieben haben. Bündnis90/die
Grünen haben fortlaufend vor dieser Entwicklung gewarnt, haben Nordstream II
nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern auch wegen der geostrategischen
Gefahr entschieden abgelehnt.
Treiber der hohen Preise in allen Bereichen, auch in der Nahrungsmittelindustrie
sind die teuren fossilen Energien, ist die fossile Inflation. Sie belastet vor
allem Menschen mit geringem Einkommen. Durch die Abhängigkeit von Russland,
künstliche Verknappung durch fossile Konzerne und Spekulationen schießen die
Preise in die Höhe. Sie sorgen für Rekordgewinne bei Öl-, Gas- und
Kohlekonzernen und finanzieren zusätzlich unerträglicherweise Putins Krieg. Die
Folgen dieser fehlgeleiteten Politik, die Folgen des Energiekrieges und des
Nahrungsmittelkrieges sind auch sehr deutlich in Thüringen zu spüren.
Deshalb gilt es, Importmengen fossiler Energieträger besonders aus russischen
Quellen so schnell wie möglich durch andere Importquellen zu ersetzen bzw. den
Verbrauch zu reduzieren, sowie Sondergewinnsteuern auf die Krisenprofite der
fossilen Wirtschaft einzuführen, mit denen eine echte Entlastung der
Bürger*innen finanziert werden kann. Mittel- und langfristig aber muss alle
Energie aus erneuerbaren Quellen, wie Sonne, Wind und Wasser gewonnen werden.
Thüringen zahlt jedes Jahr 2 Mrd. Euro für ausländische Energieimporte, die viel
besser in regionale Wertschöpfungsketten investiert wären.
Der Bund legt jetzt den Hebel um, so dass wir auch in Thüringen bessere
Rahmenbedingungen für den Ausbau der Erneuerbaren haben.
Das Osterpaket verankert den Grundsatz, dass die Nutzung erneuerbarer Energien
im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit
dient, und macht es für Bürgerenergiegemeinschaften einfacher und
unbürokratischer, Wind- und Solaranlagen zu bauen und profitabel zu
bewirtschaften (Akzeptanz). Außerdem weitet es die finanzielle Beteiligung von
Kommunen so aus, dass Windenergie- und Solaranlagen den Gemeindekassen
nachhaltige Erträge bringen.
Hemmnisse für den Ausbau von Sonnen- und Windstrom werden abgebaut. Mieterstrom
wird begünstigt, die Einspeisevergütung wieder attraktiver und die Industrie bei
der Transformation hin zur Klimaneutralität massiv unterstützt.
Unternehmen wie die Glasindustrie in Südthüringen drängen zu Recht auf den
schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Sie wollen die Weichen besser heute
als morgen auf Klimaneutralität stellen. Allein bei der Südthüringer
Glasindustrie sind 7.000 Menschen beschäftigt. Ihre Arbeitsplätze hängen davon
ab, ob es uns gelingt, die notwendige Transformation voranzubringen. Der Ausbau
der Erneuerbaren schafft Arbeitsplätze und bringt Wertschöpfung in die Regionen.
Erneuerbare Energien sind längst ein Standortvorteil. Genauso kommt es auf
Energieeffizienz und intelligente Energienutzung an. Beispielsweise könnte das
Stahlwerk Unterwellenborn künftig Abwärme für tausende Haushalte bereitstellen.
Weg vom Erdgas
Erdgas deckt ca. 26 Prozent des kompletten Energiebedarfs in Deutschland. Nahezu
die gesamte verbrauchte Erdgasmenge in Deutschland wird importiert, davon
derzeit immer noch 40 Prozent aus Russland. Eine schnelle Diversifizierung der
Gasversorgung ist notwendig. Dazu braucht es eine gezielte gemeinsame
Anstrengung der europäischen Gemeinschaft. Wir sehen die derzeitigen
Anstrengungen sofort LNG-Terminals in Deutschland zu errichten sehr kritisch,
erkennen jedoch an, dass diese notwendig sind, um der Abhängigkeit von
russischem Erdgas zu entkommen. Sie müssen jedoch H2-ready konstruiert sein,
sodass die Umstellung auf grünen Wasserstoff einfach möglich ist, um bis
spätestens 2035 vollständig aus der Nutzung von fossilem Gas auszusteigen. Der
Aufbau neuer Gasinfrastrukturen darf auf keinen Fall dazu führen, dass neue
langfristige Importabhängigkeiten von fossilen Rohstoffen geschaffen werden.
Biogas sollte, auch wenn es in Thüringen schon weitgehend ausgereizt ist,
dennoch aufmerksam evaluiert werden. Wir begrüßen es, dass tagesaktuell
branchenbezogene Analysen zu den Auswirkungen der aktuellen Lage am Gasmarkt auf
Thüringer Unternehmen sowie Einrichtungen der Daseinsvorsorge erarbeitet werden.
Für einen regionalen Ausgleich bei möglichen Engpässen halten wir
kontinuierliche Energiedialoge und Notfallpläne für sinnvoll.
Weg vom Öl
Dank der Anstrengungen von Bundeswirtschaftminister Robert Habeck ist die
Importabhängigkeit in kürzester Zeit von russischem Öl von 35% auf nunmehr 12%
gesunken. Wir begrüßen den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Importstopp.
Gerade vor dem Hintergrund der stark von russischen Öllieferungen abhängige
Wirtschaft Thüringens unterstützen wir die aktuellen Bemühungen der
Bundesregierung um alternative Lieferbeziehungen, etwa über die Häfen Rostock
und Gdańsk/Danzig. Zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs setzen wir uns für ein
Tempolimit, autofreie Tage sowie die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs auf
fossil angetriebene Fahrzeuge ein. Der private und öffentliche Fahrzeugbestand
muss zügig weiter elektrifiziert und das Angebot insbesondere im ländlichen Raum
durch bessere Taktungen (Mibilitätsgarantie) ausgebaut werden. Das 9-Euro-Ticket
sollte schnell evaluiert und möglichst verstetigt werden. Zur Steigerung der
Attraktivität des Radverkehrs sollten schnell und unbürokratisch neue Radwege
und -streifen errichtet und Bike-and-Ride-Stellplätze an den Bahnhöfen und
Haltepunkten eingerichtet werden. Bei finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für
Privathaushalte ist vor allem auf eine zielgerichtete Entlastung niedriger
Einkommen durch zu achten. Finanzielle Hilfen nach dem Gießkannenprinzip halten
wir hingegen für falsch. Einsparungen und Effizienzsteigerung haben ein noch
immer ungeheures Potential. Die Förderung von Initiativen zur Steigerung der
Energieeffizienz in Unternehmen, beispielsweise durch Einführung von
Energiemanagementsystemen, wollen wir verstärken. Besonderes Potenzial
hinsichtlich der Einspar- und Effizienzeffekte haben auch gesetzliche
Anpassungen im Gebäudesektor. Die Mindeststandards im Gebäudebestand und im
Neubau sowie die Anforderungen an die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung
müssen mit dem 1,5-Grad-Pfad in Einklang gebracht werden. Ebenso müssen
energetische Sanierungen von Bestandsgebäuden und der Einbau von Wärmepumpen
stärker finanziell gefördert werden, im Zweifel auch durch eine entsprechende
Erweiterung des Landesförderprogramms WärmeInvest. All diese Maßnahmen müssen
mit sozialen Ausgleichsmaßnahmen flankiert werden.
Hin zu Erneuerbaren Energien
Wir unterstützen die von der Bundesregierung formulierten Ausbauziele und wollen
auch in Thüringen die davon abgeleiteten Flächenziele für Erneuerbare Energien
umsetzen. Dies ist zur Standortsicherung der Thüringer Industrie unerlässlich.
- Windkraft -
Die Windkraft macht uns unabhängiger von Energieimporten und steigert die
Versorgungssicherheit Thüringens, Sie liefert in Thüringen günstig und
umweltfreundlich Energie, schafft vor Ort Arbeitsplätze, Wertschöpfung und
Infrastruktur. Sie lässt sich über Wärmepumpen, Straßenbahnen, Züge und E-Busse
auch zum Heizen und im Verkehr nutzen. Sie bringt z.B. über die Flächenpacht,
die Gewerbesteuer oder direkte Zahlungen der Betreiber nach dem EEG Einnahmen
für die kommunalen Haushalte, kann mit Bürgerbeteiligung ausgebaut werden, ist
rückstandslos rückbaubar und erzeugt keine Altlasten.
Der Windenergieausbau kommt aber bisher in Thüringen nicht voran, weil zu wenige
Flächen bereitgestellt werden. Dabei gibt es noch viele geeignete Standorte, an
denen Windenergieanlagen natur- und sozialverträglich errichtet werden können.
Eine “Verhinderungsplanung” kann sich Thüringen finanziell und ökologisch nicht
länger leisten.
Deshalb fordern wir die Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergie in allen
Regionalplänen analog zur neuen bundeslandsspezifischen Flächenzielsetzung in
Sommerpaket und die Abschaffung aller pauschalen Mindestabstände zu
Windenergieanlagen.
Wir brauchen das Bekenntnis der Landkreise zum Bau neuer Windenergieanlagen, zum
und Kommunen zur Unterstützung bei der Errichtung neuer Windkraftanlagen und
Repowering von Windenergieanlagen an alten Standorten – zur Verantwortung für
die Daseinsvorsorge in Thüringen.
Wir Unterstützung besonders von Bürgerwindparks sowie solcher Projektierer, die
nach dem Siegel “Faire Windenergie Thüringen” arbeiten, eine stärkere Einbindung
der Bürger*innen bei der Planung neuer Windkraftstandorte bringt mehr
Erkenntnisse, stärkt die Demokratie und beschleunigt die Fertigstellung.
Wir brauchen das Bekenntnis der Landkreise und Kommunen zur Unterstützung bei
der Errichtung neuer Windkraftanlagen und Repowering von Windenergieanlagen an
alten Standorten – zur Verantwortung für die Daseinsvorsorge in Thüringen. Wir
unterstützen besonders Bürgerwindparks sowie solche Projektierer, die nach dem
Siegel “Faire Windenergie Thüringen” arbeiten. Eine stärkere Einbindung der
Bürger*innen vor Ort bei der Planung neuer Windkraftstandorte verbessert die
Akzeptanz, stärkt die Demokratie und beschleunigt die Fertigstellung.
Der Thüringer Wald ist krank, darunter leiden die Artenvielfalt und das
Binnenklima. Der Wald als wichtiger CO2 Speicher fällt mehr und mehr aus. Auch
die Forst- und Holzindustrie gerät dadurch in enorme Schwierigkeiten. Der Umbau
des Waldes hin zur Klimaresilienz ist eine Generationenaufgabe. Der gezielte und
kluge Ausbau von Windkraftanlagen im Wald kann helfen die ökonomischen Folgen
für die Waldbesitzer abzufedern und zur Energiewende beizutragen. Deshalb ist
das Verbot von Windenergieanlgen im Wald für die heimische Wirtschaft, für den
Wald selbst äussert schädlich und gehört sofort abgeschafft.
- Photovoltaik -
Die schnelle Abrufung von Solarinvest zeigt wie groß das Potenzial für
Solaranlagen in Thüringen ist. Deshalb wollen wir die Förderung weiterentwickeln
und das Solardach zum neuen Standard machen. Die Kommunen und kommunalen
Unternehmen, aber auch die Landesregierung mit ihrer Vorbildwirkung sollen
vorangehen und schnell Solaranlagen auf allen verfügbaren Dächern zu
installieren. Außerdem braucht es einen konstruktiven Dialog mit dem
Denkmalschutz. Mit gutem Willen und Fantasie können so aus Gegenspieler*innen
Partner*innen werden. Auch die ungenutzten Potentiale von Flächen wie
Randstreifen von Straßen, Parkplätzen, Deponien und unproduktiver Grünfläche
sollen vermehrt genutzt werden.
- Energiewende ist dezentral -
Die Wärmewende ist ein nicht zu unterschätzender Baustein hin zur Unabhängigkeit
von fossilen Energieträgern. Hier sind vor allem die Stadtwerke im Land gefragt,
die Wärmeversorgung umzustellen und stärker auf Biomasseanlagen, industrielle
Abwärme, Solarthermie und Geothermie zu setzen. Kommunen wollen wir stärker
darin unterstützen, lokale Wärmeanalysen und darauf aufbauend Wärmekonzepte zu
erstellen und damit den Schritt Richtung erneuerbare Wärmeversorgung zu machen.
Wir brauchen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dringend notwendig
ist ein effizienteres Planungs- und Genehmigungsrecht, das den Bau von
Erneuerbare-Energien-Anlagen deutlich beschleunigt.
Bei schnelleren Genehmigungsverfahren muss konsequenterweise auch der notwendige
Ausbau der Netze (Übertragungs- und Verteilnetz) mit unterstützt werden.
Letztere stoßen zunehmend an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit. Sie müssen
grundlegend um- und ausgebaut werden, damit EE-Anlagen auch ans Netz
angeschlossen werden können. Gerade für die östlichen Bundesländer ist außerdem
wichtig, an das Europäische Wasserstoffnetz angeschlossen zu werden.
Um den Turbo zu zünden, brauchen wir spürbar bessere Rahmenbedingungen: vor
allem Flächen. Damit wir in den Ländern loslegen können, brauchen wir
schnellstmöglich die Novellierung des Baugesetzbuches, des
Bundesnaturschutzgesetzes.
Es braucht eine leistungsfähige Verwaltung, die nur dann Planungsbeschleunigung
insb. für Windanlagen erfolgreich wird umsetzen können, wenn Verfahren zügig
digitalisiert, Personal im TMUEN aufgestockt und die Genehmigungspraxis von der
unteren Ebene auf die Ebene oberer Landesbehörden (z.B. TLUBN) hoch gezogen
wird.
Das Ziel, zwei Prozent der Fläche in Deutschland für Windräder zu nutzen, muss
gerecht unter den Bundesländern aufgeteilt werden. Mit bundesweiten Standards
würden für alle die gleichen Regeln gelten. Das stärkt die Akzeptanz und
beschleunigt den naturverträglichen Ausbau.
Der Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Implikationen hat ein
Bewusstsein für die Notwendigkeit einer schnellen Energiewende geschaffen. Aber
auch der neueste IPCC-Report sagt für Thüringen massive Auswirkungen der
Klimakrise vorher, u.a. Trockenheit, Hitzewellen und Ernteausfälle, welche die
Wasser- und Nahrungsmittelversorgung bedrohen - wir brauchen eine sichere,
günstige und saubere Energieversorgung!
Deshalb müssen und wollen wir eine Aufbruchstimmung erzeugen! Zusammen mit dem
Handwerk und der Industrie, zusammen mit den Kommunen, Stadtwerken und
Bürgerinitiativen wollen wir Initiativen zur schnelleren Umsetzung der
Energiewende entwickeln.